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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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der Straßen bemerkt hatte, und schienen mir in einem gewissen Zuge mit
dem greisen Hausherrn Ähnlichkeit zu haben. Ohne Zweifel war es die
Reihe seiner Ahnen, die er hier in den wohlgeordneten und werthgehaltenen
imaginss aufgestellt hatte. -- In der gegenüberliegenden Aula stand an
derselben Stelle eine wohlverschlossene eisenbeschlagene Holzkiste, festgenietet
an einem Block von Travertinstein, der ihr als Postament diente. Es ist
die Schatzkiste, welche die baaren Geldvorräthe wie auch andere Werthsachen
enthält.

Noch ein großes Gemach liegt auf der Rückseite des Atriums, dem Ein¬
gange gerade gegenüber, und es ist mir. als höre ich leise Stimmen darin.
Ich weiß, es ist das Tablinum, das specielle Cabinet des Hausherrn, das dem¬
gemäß am würdigsten ausgestattet zusein, und auch die Dokumente, Schriften
und Lieblingskunstwerke zu enthalten pflegt. Die Vorhänge zwischen den
Frontpfetlern sind ein wenig zurückgeschlagen, aber es herrscht Dunkelheit in
dem Raume, und ich kann nichts als die beiden Marmorstufen des Einganges
erkennen. Noch stehe ich betrachtend davor, als ich wiederum wie vorher eine
Hand auf meiner Schulter fühle und umblickend den Hausherrn erkenne, der
meine Hand ergreift und stumm mich in das Tablinum führt. Hinter dem
ersten Vorhang befindet sich ein zweiter, und als wir diesen durchschritten
haben, stehen wir in einem schwach erleuchteten Gemach, in dem schon mehrere
Männer, anscheinend Gäste, in stummer Erwartung versammelt sind. Mein
Führer deutet auf einen Lehnsessel und verläßt mich ohne ein Wort zu
sprechen.

Die Hintere Seite des Zimmers war gleichfalls durch einen Vorhang
abgeschlossen. Auf schwarzem Grunde waren goldene Sterne gestickt und in
der Mitte ein Todtenkopf gebildet, von einem Pentagramm umgeben. Der
Boden war mit Teppichen bedeckt. Am Sockel der beiden Wände waren in
Mosaik die Gestalten des Horus und der Neith abwechselnd mit Obelisken
und Hieroglyphentafeln angebracht, und in ihrer Mitte befand sich je ein
großes Gemälde, oberhalb deren in zierlichen Gestellen von Ebenholz eine
Menge von beschriebenen Papyrusrollen, um Elfenbeinstäbchen gewickelt, auf¬
gestellt waren.

Das eine der Bilder stellte den Gott des Niles dar, wie er die viel¬
duldende Jo der Göttin Isis zuführt. Unter den Füßen der Göttin lag
ein Krokodil; in der Hand hielt sie die Schlange; ein weißes gürtelloses Ge¬
wand umwallte sie, und auf ihrer Stirn ragte die Lotosblume. Unten saß
Harpokrates, den Zeigefinger auf den Lippen, eine Schlange neben sich, die
aus einem Gefäß sich hervorringelte. Zwei Dienerinnen im Hintergrunde
mit dem Sistrum, dem helltönenden Musikinstrumente des Isisdienstes, voll¬
endeten die Darstellung. -- Auf dem andern Bilde sah man die Nilbarke


der Straßen bemerkt hatte, und schienen mir in einem gewissen Zuge mit
dem greisen Hausherrn Ähnlichkeit zu haben. Ohne Zweifel war es die
Reihe seiner Ahnen, die er hier in den wohlgeordneten und werthgehaltenen
imaginss aufgestellt hatte. — In der gegenüberliegenden Aula stand an
derselben Stelle eine wohlverschlossene eisenbeschlagene Holzkiste, festgenietet
an einem Block von Travertinstein, der ihr als Postament diente. Es ist
die Schatzkiste, welche die baaren Geldvorräthe wie auch andere Werthsachen
enthält.

Noch ein großes Gemach liegt auf der Rückseite des Atriums, dem Ein¬
gange gerade gegenüber, und es ist mir. als höre ich leise Stimmen darin.
Ich weiß, es ist das Tablinum, das specielle Cabinet des Hausherrn, das dem¬
gemäß am würdigsten ausgestattet zusein, und auch die Dokumente, Schriften
und Lieblingskunstwerke zu enthalten pflegt. Die Vorhänge zwischen den
Frontpfetlern sind ein wenig zurückgeschlagen, aber es herrscht Dunkelheit in
dem Raume, und ich kann nichts als die beiden Marmorstufen des Einganges
erkennen. Noch stehe ich betrachtend davor, als ich wiederum wie vorher eine
Hand auf meiner Schulter fühle und umblickend den Hausherrn erkenne, der
meine Hand ergreift und stumm mich in das Tablinum führt. Hinter dem
ersten Vorhang befindet sich ein zweiter, und als wir diesen durchschritten
haben, stehen wir in einem schwach erleuchteten Gemach, in dem schon mehrere
Männer, anscheinend Gäste, in stummer Erwartung versammelt sind. Mein
Führer deutet auf einen Lehnsessel und verläßt mich ohne ein Wort zu
sprechen.

Die Hintere Seite des Zimmers war gleichfalls durch einen Vorhang
abgeschlossen. Auf schwarzem Grunde waren goldene Sterne gestickt und in
der Mitte ein Todtenkopf gebildet, von einem Pentagramm umgeben. Der
Boden war mit Teppichen bedeckt. Am Sockel der beiden Wände waren in
Mosaik die Gestalten des Horus und der Neith abwechselnd mit Obelisken
und Hieroglyphentafeln angebracht, und in ihrer Mitte befand sich je ein
großes Gemälde, oberhalb deren in zierlichen Gestellen von Ebenholz eine
Menge von beschriebenen Papyrusrollen, um Elfenbeinstäbchen gewickelt, auf¬
gestellt waren.

Das eine der Bilder stellte den Gott des Niles dar, wie er die viel¬
duldende Jo der Göttin Isis zuführt. Unter den Füßen der Göttin lag
ein Krokodil; in der Hand hielt sie die Schlange; ein weißes gürtelloses Ge¬
wand umwallte sie, und auf ihrer Stirn ragte die Lotosblume. Unten saß
Harpokrates, den Zeigefinger auf den Lippen, eine Schlange neben sich, die
aus einem Gefäß sich hervorringelte. Zwei Dienerinnen im Hintergrunde
mit dem Sistrum, dem helltönenden Musikinstrumente des Isisdienstes, voll¬
endeten die Darstellung. — Auf dem andern Bilde sah man die Nilbarke


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[0308] der Straßen bemerkt hatte, und schienen mir in einem gewissen Zuge mit dem greisen Hausherrn Ähnlichkeit zu haben. Ohne Zweifel war es die Reihe seiner Ahnen, die er hier in den wohlgeordneten und werthgehaltenen imaginss aufgestellt hatte. — In der gegenüberliegenden Aula stand an derselben Stelle eine wohlverschlossene eisenbeschlagene Holzkiste, festgenietet an einem Block von Travertinstein, der ihr als Postament diente. Es ist die Schatzkiste, welche die baaren Geldvorräthe wie auch andere Werthsachen enthält. Noch ein großes Gemach liegt auf der Rückseite des Atriums, dem Ein¬ gange gerade gegenüber, und es ist mir. als höre ich leise Stimmen darin. Ich weiß, es ist das Tablinum, das specielle Cabinet des Hausherrn, das dem¬ gemäß am würdigsten ausgestattet zusein, und auch die Dokumente, Schriften und Lieblingskunstwerke zu enthalten pflegt. Die Vorhänge zwischen den Frontpfetlern sind ein wenig zurückgeschlagen, aber es herrscht Dunkelheit in dem Raume, und ich kann nichts als die beiden Marmorstufen des Einganges erkennen. Noch stehe ich betrachtend davor, als ich wiederum wie vorher eine Hand auf meiner Schulter fühle und umblickend den Hausherrn erkenne, der meine Hand ergreift und stumm mich in das Tablinum führt. Hinter dem ersten Vorhang befindet sich ein zweiter, und als wir diesen durchschritten haben, stehen wir in einem schwach erleuchteten Gemach, in dem schon mehrere Männer, anscheinend Gäste, in stummer Erwartung versammelt sind. Mein Führer deutet auf einen Lehnsessel und verläßt mich ohne ein Wort zu sprechen. Die Hintere Seite des Zimmers war gleichfalls durch einen Vorhang abgeschlossen. Auf schwarzem Grunde waren goldene Sterne gestickt und in der Mitte ein Todtenkopf gebildet, von einem Pentagramm umgeben. Der Boden war mit Teppichen bedeckt. Am Sockel der beiden Wände waren in Mosaik die Gestalten des Horus und der Neith abwechselnd mit Obelisken und Hieroglyphentafeln angebracht, und in ihrer Mitte befand sich je ein großes Gemälde, oberhalb deren in zierlichen Gestellen von Ebenholz eine Menge von beschriebenen Papyrusrollen, um Elfenbeinstäbchen gewickelt, auf¬ gestellt waren. Das eine der Bilder stellte den Gott des Niles dar, wie er die viel¬ duldende Jo der Göttin Isis zuführt. Unter den Füßen der Göttin lag ein Krokodil; in der Hand hielt sie die Schlange; ein weißes gürtelloses Ge¬ wand umwallte sie, und auf ihrer Stirn ragte die Lotosblume. Unten saß Harpokrates, den Zeigefinger auf den Lippen, eine Schlange neben sich, die aus einem Gefäß sich hervorringelte. Zwei Dienerinnen im Hintergrunde mit dem Sistrum, dem helltönenden Musikinstrumente des Isisdienstes, voll¬ endeten die Darstellung. — Auf dem andern Bilde sah man die Nilbarke

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/308>, abgerufen am 27.09.2024.