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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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aus der Umgegend hereintönte, einen feierlichen und fesselnden Ein¬
druck machte.

Ein rother Lichtschein leuchtete mir entgegen, als ich in eine breite
gerade Straße einbog, und ich sah eine nicht geringe Gruppe von Personen
schweigend um ein flackerndes Feuer stehen. Dasselbe brannte auf einem am
Straßenrande befindlichen Altar, über und neben welchem auf der Hauswart
Gemälde angebracht waren, wie ich sie schon mehrfach bemerkt, und den ein
kleines Wetterdach überragte. Unten war auf beiden Seiten je eine mächtige
gelbbraune Schlange gebildet, die in großen Windungen sich auf den Altar
zuringelten und die Köpfe züngelnd nach demselben erhoben. Die schuppigen
Hälse und die mit einem rothen Kamm ausgezeichneten Köpfe waren erhaben
gebildet und mit Gold überzogen, das im Scheine des Feuers blitzte. In
der Flamme lag ein vielschuppiger Ptnienzapfen, der knisternd brannte, nebst
zwei Eiern sowie einer Handvoll kleiner Früchte wie Nüsse, Mandeln u. tgi.,
und soeben ward von einem Manne, der mit hinterwärts verhülltem
Haupte vor dem Altar stand, eine Spende dunkeln Weines aus einer ehernen
Schale darüber ausgegossen, so daß die Asche zischend aufflog.

Drei andere Männer in Amtstracht und eine Anzahl anderer Personen
standen in andächtiger Theilnahme in der Nähe, und auch wer sich zufällig
näherte, blieb schweigend stehen. Die Viermänner, welche die Aufsicht über
die Wege und den Straßenverkehr führten, brachten den I-g-rss eomxl-
t,g,1kL, den Schutzgeistern der Straßen, ein Opfer dar. -- Die Bilder der Laren
befanden sich oberhalb des Altars gleichfalls in bunten Farben auf die
Wand gemalt: Zwei Jünglinge in kurzer gegürteter Tunika, Stiefel an den
Füßen, das Haupt bekränzt, in der einen Hand den Eimer, in der andern
das Trinkhorn.

Als die Flamme niedergebrannt war, entfernten sich Alle, indem sie
Segensspruche mit einander wechselten, und die Diener der Biermänner trugen
die gesammelte Asche in einem Kruge davon. --

Es war stiller geworden in den Straßen. Nur zuweilen begegnete mir ein
einzelner von der Arbeit heimkehrender Mann, ein eiliger Sklave, der wohl
einen Botengang that, oder eine verhüllte weibliche Gestalt, die flüchtig im
Schatten der Häuser entlang huschte. -- Im Innern der Wohnungen war es
belebter. Aus den Fenstern der oberen Stockwerke, die unverschlossen und
vielfach unverschließbar waren, hörte ich muntere Frauenstimmen; auch ließ
sich manches dunkelumrahmte Gesicht an den Oeffnungen sehen. Aus vielen
Häusern auch tönte Gesang und Saitenspiel, ohne daß man in das abge¬
schlossene Innere einen Blick hätte werfen können. --

Ein junger Sklave schritt eilends vor mir her und trat, nachdem er
einen spähenden Blick um sich geworfen, in die schmale Hinterpforte eines


aus der Umgegend hereintönte, einen feierlichen und fesselnden Ein¬
druck machte.

Ein rother Lichtschein leuchtete mir entgegen, als ich in eine breite
gerade Straße einbog, und ich sah eine nicht geringe Gruppe von Personen
schweigend um ein flackerndes Feuer stehen. Dasselbe brannte auf einem am
Straßenrande befindlichen Altar, über und neben welchem auf der Hauswart
Gemälde angebracht waren, wie ich sie schon mehrfach bemerkt, und den ein
kleines Wetterdach überragte. Unten war auf beiden Seiten je eine mächtige
gelbbraune Schlange gebildet, die in großen Windungen sich auf den Altar
zuringelten und die Köpfe züngelnd nach demselben erhoben. Die schuppigen
Hälse und die mit einem rothen Kamm ausgezeichneten Köpfe waren erhaben
gebildet und mit Gold überzogen, das im Scheine des Feuers blitzte. In
der Flamme lag ein vielschuppiger Ptnienzapfen, der knisternd brannte, nebst
zwei Eiern sowie einer Handvoll kleiner Früchte wie Nüsse, Mandeln u. tgi.,
und soeben ward von einem Manne, der mit hinterwärts verhülltem
Haupte vor dem Altar stand, eine Spende dunkeln Weines aus einer ehernen
Schale darüber ausgegossen, so daß die Asche zischend aufflog.

Drei andere Männer in Amtstracht und eine Anzahl anderer Personen
standen in andächtiger Theilnahme in der Nähe, und auch wer sich zufällig
näherte, blieb schweigend stehen. Die Viermänner, welche die Aufsicht über
die Wege und den Straßenverkehr führten, brachten den I-g-rss eomxl-
t,g,1kL, den Schutzgeistern der Straßen, ein Opfer dar. — Die Bilder der Laren
befanden sich oberhalb des Altars gleichfalls in bunten Farben auf die
Wand gemalt: Zwei Jünglinge in kurzer gegürteter Tunika, Stiefel an den
Füßen, das Haupt bekränzt, in der einen Hand den Eimer, in der andern
das Trinkhorn.

Als die Flamme niedergebrannt war, entfernten sich Alle, indem sie
Segensspruche mit einander wechselten, und die Diener der Biermänner trugen
die gesammelte Asche in einem Kruge davon. —

Es war stiller geworden in den Straßen. Nur zuweilen begegnete mir ein
einzelner von der Arbeit heimkehrender Mann, ein eiliger Sklave, der wohl
einen Botengang that, oder eine verhüllte weibliche Gestalt, die flüchtig im
Schatten der Häuser entlang huschte. — Im Innern der Wohnungen war es
belebter. Aus den Fenstern der oberen Stockwerke, die unverschlossen und
vielfach unverschließbar waren, hörte ich muntere Frauenstimmen; auch ließ
sich manches dunkelumrahmte Gesicht an den Oeffnungen sehen. Aus vielen
Häusern auch tönte Gesang und Saitenspiel, ohne daß man in das abge¬
schlossene Innere einen Blick hätte werfen können. —

Ein junger Sklave schritt eilends vor mir her und trat, nachdem er
einen spähenden Blick um sich geworfen, in die schmale Hinterpforte eines


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[0304] aus der Umgegend hereintönte, einen feierlichen und fesselnden Ein¬ druck machte. Ein rother Lichtschein leuchtete mir entgegen, als ich in eine breite gerade Straße einbog, und ich sah eine nicht geringe Gruppe von Personen schweigend um ein flackerndes Feuer stehen. Dasselbe brannte auf einem am Straßenrande befindlichen Altar, über und neben welchem auf der Hauswart Gemälde angebracht waren, wie ich sie schon mehrfach bemerkt, und den ein kleines Wetterdach überragte. Unten war auf beiden Seiten je eine mächtige gelbbraune Schlange gebildet, die in großen Windungen sich auf den Altar zuringelten und die Köpfe züngelnd nach demselben erhoben. Die schuppigen Hälse und die mit einem rothen Kamm ausgezeichneten Köpfe waren erhaben gebildet und mit Gold überzogen, das im Scheine des Feuers blitzte. In der Flamme lag ein vielschuppiger Ptnienzapfen, der knisternd brannte, nebst zwei Eiern sowie einer Handvoll kleiner Früchte wie Nüsse, Mandeln u. tgi., und soeben ward von einem Manne, der mit hinterwärts verhülltem Haupte vor dem Altar stand, eine Spende dunkeln Weines aus einer ehernen Schale darüber ausgegossen, so daß die Asche zischend aufflog. Drei andere Männer in Amtstracht und eine Anzahl anderer Personen standen in andächtiger Theilnahme in der Nähe, und auch wer sich zufällig näherte, blieb schweigend stehen. Die Viermänner, welche die Aufsicht über die Wege und den Straßenverkehr führten, brachten den I-g-rss eomxl- t,g,1kL, den Schutzgeistern der Straßen, ein Opfer dar. — Die Bilder der Laren befanden sich oberhalb des Altars gleichfalls in bunten Farben auf die Wand gemalt: Zwei Jünglinge in kurzer gegürteter Tunika, Stiefel an den Füßen, das Haupt bekränzt, in der einen Hand den Eimer, in der andern das Trinkhorn. Als die Flamme niedergebrannt war, entfernten sich Alle, indem sie Segensspruche mit einander wechselten, und die Diener der Biermänner trugen die gesammelte Asche in einem Kruge davon. — Es war stiller geworden in den Straßen. Nur zuweilen begegnete mir ein einzelner von der Arbeit heimkehrender Mann, ein eiliger Sklave, der wohl einen Botengang that, oder eine verhüllte weibliche Gestalt, die flüchtig im Schatten der Häuser entlang huschte. — Im Innern der Wohnungen war es belebter. Aus den Fenstern der oberen Stockwerke, die unverschlossen und vielfach unverschließbar waren, hörte ich muntere Frauenstimmen; auch ließ sich manches dunkelumrahmte Gesicht an den Oeffnungen sehen. Aus vielen Häusern auch tönte Gesang und Saitenspiel, ohne daß man in das abge¬ schlossene Innere einen Blick hätte werfen können. — Ein junger Sklave schritt eilends vor mir her und trat, nachdem er einen spähenden Blick um sich geworfen, in die schmale Hinterpforte eines

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/304>, abgerufen am 27.09.2024.