Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

aus Ephesus mitgebracht und die er als den Gipfel der Kunst preist, -- Auch
die schöne Clodta (hier warf der Sprecher einen schalkhaften Blick auf seinen
Freund), die letzthin mit dem Vater in Kleinasten gewesen, ist dieser Meinung,
und da es darauf ankommt sie umzustimmen, so solltest du statt meiner der
Ueberbringer sein/'

"Damit ihre Spötterzunge deinem Werke einen Makel anhänge, weil sie
glauben wird, es sei das meine!" fiel Hegeststratos schnell ein. "Hat sie
nicht, wie der Alte, behauptet, die pompejanische Kunst gehe immer leihen
bei der griechischen und könne keine selbständige Idee oder Form mehr her'
vorbringen? Hat sie mir nicht, als ich ihr das letzte Schmuckkästchen mit
einem Gedichte brachte, gesagt, der gute Anakreon habe gewiß nicht geahnt,
daß sein Liedchen von der attischen Biene noch einmal auf campanisches
Wachs werde geschrieben werden? -- O, spröde Clodia, wir Dichter und
Künstler vom "schilfumsäuselten Sarno" haben nicht nöthig, den Alten etwas
zu entwenden!"

"Gemach, gemach!" fiel Mnestas lächelnd ein; "ich kenne Einen, der dein
alten Clodius noch heute sein reizendstes Besttzthum entwenden würde!
Und auch von den alten großen Meistern müssen wir nachgebornen entlehnen,
mögen wir wollen oder nicht. Meinst du, daß mein Faun geworden wäre,
wenn ich nicht des Praxiteles ambrosische Gestalten gesehen, wenn mir nichts
sein Eros und Dionysos, sein Himeros und Apollon wechselsweise vor
Seele geschwebt hätten?"

"Wohl", entgegnete der Gefragte; "aber dennoch ist dein Faun nicht den>
Praxiteles entlehnt, sondern er ist ein neues Werk deines Geistes, wie wei"
Gedicht aus meinem Geiste war, und weder der alte Clodius, noch seine
stolze Tochter sollen mir diesmal die Alten über die Neuen stellen. ohne
daß ich ihnen wie ein Athener die Wahrheit sage! -- Machen wir uns als"
auf den Weg. Er wird gerade beim Abendessen sein und ladet uns vielleicht
noch zu einem Becher Chiers."

"Oder zu einem Spaziergange im Garten, von wo man auf den solle^
der Frauen hinausblicken kann, was noch weit über eine ganze Arnpho^
des besten Chiers geht", fügte Mneflas mit neckendem Gelächter lM"'
"Nun so gehen wir denn. Aber hüte dich zu verrathen, daß das Werk aU^
unserer Werkstatt ist. Ein Freund hat es aus Athen mitgebracht; es starr^
aus des Praxiteles oder Skopas Schule. Wie werden wir über den Alte"
mit ihm selbst und der schönen Clodia lachen, wenn er uns dann wieder
bewiesen haben wird, daß solches Werk nur "die braven seßhaften Alten
fertigen konnten!" .

"Heute zeigen wir ihm", rief mit blitzenden Augen Hegesistratos, n>a
das "wandernde Volk" vermag, und daß die Kunst nicht an Zeit un


aus Ephesus mitgebracht und die er als den Gipfel der Kunst preist, — Auch
die schöne Clodta (hier warf der Sprecher einen schalkhaften Blick auf seinen
Freund), die letzthin mit dem Vater in Kleinasten gewesen, ist dieser Meinung,
und da es darauf ankommt sie umzustimmen, so solltest du statt meiner der
Ueberbringer sein/'

„Damit ihre Spötterzunge deinem Werke einen Makel anhänge, weil sie
glauben wird, es sei das meine!" fiel Hegeststratos schnell ein. „Hat sie
nicht, wie der Alte, behauptet, die pompejanische Kunst gehe immer leihen
bei der griechischen und könne keine selbständige Idee oder Form mehr her'
vorbringen? Hat sie mir nicht, als ich ihr das letzte Schmuckkästchen mit
einem Gedichte brachte, gesagt, der gute Anakreon habe gewiß nicht geahnt,
daß sein Liedchen von der attischen Biene noch einmal auf campanisches
Wachs werde geschrieben werden? — O, spröde Clodia, wir Dichter und
Künstler vom „schilfumsäuselten Sarno" haben nicht nöthig, den Alten etwas
zu entwenden!"

„Gemach, gemach!" fiel Mnestas lächelnd ein; „ich kenne Einen, der dein
alten Clodius noch heute sein reizendstes Besttzthum entwenden würde!
Und auch von den alten großen Meistern müssen wir nachgebornen entlehnen,
mögen wir wollen oder nicht. Meinst du, daß mein Faun geworden wäre,
wenn ich nicht des Praxiteles ambrosische Gestalten gesehen, wenn mir nichts
sein Eros und Dionysos, sein Himeros und Apollon wechselsweise vor
Seele geschwebt hätten?"

„Wohl", entgegnete der Gefragte; „aber dennoch ist dein Faun nicht den>
Praxiteles entlehnt, sondern er ist ein neues Werk deines Geistes, wie wei"
Gedicht aus meinem Geiste war, und weder der alte Clodius, noch seine
stolze Tochter sollen mir diesmal die Alten über die Neuen stellen. ohne
daß ich ihnen wie ein Athener die Wahrheit sage! — Machen wir uns als"
auf den Weg. Er wird gerade beim Abendessen sein und ladet uns vielleicht
noch zu einem Becher Chiers."

„Oder zu einem Spaziergange im Garten, von wo man auf den solle^
der Frauen hinausblicken kann, was noch weit über eine ganze Arnpho^
des besten Chiers geht", fügte Mneflas mit neckendem Gelächter lM"'
„Nun so gehen wir denn. Aber hüte dich zu verrathen, daß das Werk aU^
unserer Werkstatt ist. Ein Freund hat es aus Athen mitgebracht; es starr^
aus des Praxiteles oder Skopas Schule. Wie werden wir über den Alte"
mit ihm selbst und der schönen Clodia lachen, wenn er uns dann wieder
bewiesen haben wird, daß solches Werk nur „die braven seßhaften Alten
fertigen konnten!" .

„Heute zeigen wir ihm", rief mit blitzenden Augen Hegesistratos, n>a
das „wandernde Volk" vermag, und daß die Kunst nicht an Zeit un


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0302" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136941"/>
          <p xml:id="ID_932" prev="#ID_931"> aus Ephesus mitgebracht und die er als den Gipfel der Kunst preist, &#x2014; Auch<lb/>
die schöne Clodta (hier warf der Sprecher einen schalkhaften Blick auf seinen<lb/>
Freund), die letzthin mit dem Vater in Kleinasten gewesen, ist dieser Meinung,<lb/>
und da es darauf ankommt sie umzustimmen, so solltest du statt meiner der<lb/>
Ueberbringer sein/'</p><lb/>
          <p xml:id="ID_933"> &#x201E;Damit ihre Spötterzunge deinem Werke einen Makel anhänge, weil sie<lb/>
glauben wird, es sei das meine!" fiel Hegeststratos schnell ein. &#x201E;Hat sie<lb/>
nicht, wie der Alte, behauptet, die pompejanische Kunst gehe immer leihen<lb/>
bei der griechischen und könne keine selbständige Idee oder Form mehr her'<lb/>
vorbringen? Hat sie mir nicht, als ich ihr das letzte Schmuckkästchen mit<lb/>
einem Gedichte brachte, gesagt, der gute Anakreon habe gewiß nicht geahnt,<lb/>
daß sein Liedchen von der attischen Biene noch einmal auf campanisches<lb/>
Wachs werde geschrieben werden? &#x2014; O, spröde Clodia, wir Dichter und<lb/>
Künstler vom &#x201E;schilfumsäuselten Sarno" haben nicht nöthig, den Alten etwas<lb/>
zu entwenden!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_934"> &#x201E;Gemach, gemach!" fiel Mnestas lächelnd ein; &#x201E;ich kenne Einen, der dein<lb/>
alten Clodius noch heute sein reizendstes Besttzthum entwenden würde!<lb/>
Und auch von den alten großen Meistern müssen wir nachgebornen entlehnen,<lb/>
mögen wir wollen oder nicht. Meinst du, daß mein Faun geworden wäre,<lb/>
wenn ich nicht des Praxiteles ambrosische Gestalten gesehen, wenn mir nichts<lb/>
sein Eros und Dionysos, sein Himeros und Apollon wechselsweise vor<lb/>
Seele geschwebt hätten?"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_935"> &#x201E;Wohl", entgegnete der Gefragte; &#x201E;aber dennoch ist dein Faun nicht den&gt;<lb/>
Praxiteles entlehnt, sondern er ist ein neues Werk deines Geistes, wie wei"<lb/>
Gedicht aus meinem Geiste war, und weder der alte Clodius, noch seine<lb/>
stolze Tochter sollen mir diesmal die Alten über die Neuen stellen. ohne<lb/>
daß ich ihnen wie ein Athener die Wahrheit sage! &#x2014; Machen wir uns als"<lb/>
auf den Weg. Er wird gerade beim Abendessen sein und ladet uns vielleicht<lb/>
noch zu einem Becher Chiers."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_936"> &#x201E;Oder zu einem Spaziergange im Garten, von wo man auf den solle^<lb/>
der Frauen hinausblicken kann, was noch weit über eine ganze Arnpho^<lb/>
des besten Chiers geht", fügte Mneflas mit neckendem Gelächter lM"'<lb/>
&#x201E;Nun so gehen wir denn. Aber hüte dich zu verrathen, daß das Werk aU^<lb/>
unserer Werkstatt ist. Ein Freund hat es aus Athen mitgebracht; es starr^<lb/>
aus des Praxiteles oder Skopas Schule. Wie werden wir über den Alte"<lb/>
mit ihm selbst und der schönen Clodia lachen, wenn er uns dann wieder<lb/>
bewiesen haben wird, daß solches Werk nur &#x201E;die braven seßhaften Alten<lb/>
fertigen konnten!" .</p><lb/>
          <p xml:id="ID_937" next="#ID_938"> &#x201E;Heute zeigen wir ihm", rief mit blitzenden Augen Hegesistratos, n&gt;a<lb/>
das &#x201E;wandernde Volk" vermag, und daß die Kunst nicht an Zeit un</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0302] aus Ephesus mitgebracht und die er als den Gipfel der Kunst preist, — Auch die schöne Clodta (hier warf der Sprecher einen schalkhaften Blick auf seinen Freund), die letzthin mit dem Vater in Kleinasten gewesen, ist dieser Meinung, und da es darauf ankommt sie umzustimmen, so solltest du statt meiner der Ueberbringer sein/' „Damit ihre Spötterzunge deinem Werke einen Makel anhänge, weil sie glauben wird, es sei das meine!" fiel Hegeststratos schnell ein. „Hat sie nicht, wie der Alte, behauptet, die pompejanische Kunst gehe immer leihen bei der griechischen und könne keine selbständige Idee oder Form mehr her' vorbringen? Hat sie mir nicht, als ich ihr das letzte Schmuckkästchen mit einem Gedichte brachte, gesagt, der gute Anakreon habe gewiß nicht geahnt, daß sein Liedchen von der attischen Biene noch einmal auf campanisches Wachs werde geschrieben werden? — O, spröde Clodia, wir Dichter und Künstler vom „schilfumsäuselten Sarno" haben nicht nöthig, den Alten etwas zu entwenden!" „Gemach, gemach!" fiel Mnestas lächelnd ein; „ich kenne Einen, der dein alten Clodius noch heute sein reizendstes Besttzthum entwenden würde! Und auch von den alten großen Meistern müssen wir nachgebornen entlehnen, mögen wir wollen oder nicht. Meinst du, daß mein Faun geworden wäre, wenn ich nicht des Praxiteles ambrosische Gestalten gesehen, wenn mir nichts sein Eros und Dionysos, sein Himeros und Apollon wechselsweise vor Seele geschwebt hätten?" „Wohl", entgegnete der Gefragte; „aber dennoch ist dein Faun nicht den> Praxiteles entlehnt, sondern er ist ein neues Werk deines Geistes, wie wei" Gedicht aus meinem Geiste war, und weder der alte Clodius, noch seine stolze Tochter sollen mir diesmal die Alten über die Neuen stellen. ohne daß ich ihnen wie ein Athener die Wahrheit sage! — Machen wir uns als" auf den Weg. Er wird gerade beim Abendessen sein und ladet uns vielleicht noch zu einem Becher Chiers." „Oder zu einem Spaziergange im Garten, von wo man auf den solle^ der Frauen hinausblicken kann, was noch weit über eine ganze Arnpho^ des besten Chiers geht", fügte Mneflas mit neckendem Gelächter lM"' „Nun so gehen wir denn. Aber hüte dich zu verrathen, daß das Werk aU^ unserer Werkstatt ist. Ein Freund hat es aus Athen mitgebracht; es starr^ aus des Praxiteles oder Skopas Schule. Wie werden wir über den Alte" mit ihm selbst und der schönen Clodia lachen, wenn er uns dann wieder bewiesen haben wird, daß solches Werk nur „die braven seßhaften Alten fertigen konnten!" . „Heute zeigen wir ihm", rief mit blitzenden Augen Hegesistratos, n>a das „wandernde Volk" vermag, und daß die Kunst nicht an Zeit un

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/302
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/302>, abgerufen am 27.09.2024.