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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Schmerzen. Der Knecht nahm jetzt die Krone und legte sie zu seinem Golde,
er wurde dadurch immer reicher, aber auch immer geiziger, und so vergrub
er, als er sterben wollte, sein Geld sammt der Krone in einem Walde, der
davon außerordentlich wildreich geworden sein soll.

Noch deutlicher wie hier erkennen wir in einer andern österreichischen
Sage in der Schlangenkrone oder dem Natternkränzchen den das Gut seines
jedesmaligen Eigenthümers vermehrenden, ihn aber schließlich verderbenden
Zwergenring der Edda. Ein Bauer stiehlt ein Natternkränzchen, flieht, von
den Schlangen verfolgt, zu einem Heiligenbilde, wird von einer alten Frau,
die solch Ungeziefer bannen kann, gegen das Versprechen gerettet, ihr das
"silberne Ringlein" zu geben, hält dann seine Zusage nicht und benutzt da¬
rauf das Kränzchen mit bestem Erfolg: seine Getreideböden sind immer ge¬
füllt, und sein Geld geht nie zu Ende, bis ihm die Alte eines Tages das
Kränzchen wegnimmt und seine Kraft nun ihrerseits ausbeutet, indem sie den
Silberring auf ihren Schüttboden trägt. "Nachdem er hier eine Zeit lang
ihr Korn gemehrt, versah sie's einmal und raffte ihn mit dem Getreide in
den Sack, mit dem sie zur Mühle ging. Der Müller schüttete das Korn
in die Gosse, als aber das Kränzchen mit hineinfiel, wollte sie gar nicht mehr
leer werden. Der Müller wartete ein paar Stunden, als aber schon alle
Säcke in der Mühle mit Mehl gefüllt waren, das Korn in der Gosse aber
Koch immer nicht abgenommen, hob er sie ab und sah nach. Er fand dabei
das silberne Ringlein, erkannte, daß es ein Natternkränzchen war und that
^ zu seinem Gelde. Als die Alte kam und ihr Kränzchen haben wollte,
^Ugnete er, etwas der Art zu haben, worauf die Frau fortging und vor
Kummer und Verdruß starb. Der Müller wurde nun reicher und immer
sicher. Da kam ihm der Gedanke, seinen Silberring statt zu seinem Gelde oder
bus den Schüttboden lieber in die volle Gosse zu legen und zu mahlen. Das
^ng ein paar Tage ganz gut, und er wußte kaum, was er mit dem vielen
^edle anfangen sollte. Endlich aber kam das Kränzchen an die Oeffnung
der Gosse, und auf einmal war es zwischen den Mühlsteinen, die es zu Staub
trieben. Sogleich war die Gosse leer, und gleich nachher zog ein Gewitter
^rauf. und der Blitz schlug in die Mühle, die mit sammt dem Müller
Abrannte."

An die oben angeführte Erzählung von den Eltern Scipios erinnert eine
^age vom Pillersee im nordöstlichen Tirol. An dessen Ufer setzte sich einst
"N Bauer hin, um auszuruhen. Er machte sich dabei allerhand Gedanken,
^°bei ihm unter Anderm auch das Unglück durch den Kopf ging, daß er
^ne Kinder hatte. "Ach", seufzte er, "wenn mir doch der liebe Gott diesen
^dem vom Herzen nehmen wollte, wie froh wäre ich da." Da kamen zwei
Ottern aus dem See, und die eine gab dem Bauer ein weißes, die andere


Grcnzboien IV. 1876. 37

Schmerzen. Der Knecht nahm jetzt die Krone und legte sie zu seinem Golde,
er wurde dadurch immer reicher, aber auch immer geiziger, und so vergrub
er, als er sterben wollte, sein Geld sammt der Krone in einem Walde, der
davon außerordentlich wildreich geworden sein soll.

Noch deutlicher wie hier erkennen wir in einer andern österreichischen
Sage in der Schlangenkrone oder dem Natternkränzchen den das Gut seines
jedesmaligen Eigenthümers vermehrenden, ihn aber schließlich verderbenden
Zwergenring der Edda. Ein Bauer stiehlt ein Natternkränzchen, flieht, von
den Schlangen verfolgt, zu einem Heiligenbilde, wird von einer alten Frau,
die solch Ungeziefer bannen kann, gegen das Versprechen gerettet, ihr das
„silberne Ringlein" zu geben, hält dann seine Zusage nicht und benutzt da¬
rauf das Kränzchen mit bestem Erfolg: seine Getreideböden sind immer ge¬
füllt, und sein Geld geht nie zu Ende, bis ihm die Alte eines Tages das
Kränzchen wegnimmt und seine Kraft nun ihrerseits ausbeutet, indem sie den
Silberring auf ihren Schüttboden trägt. „Nachdem er hier eine Zeit lang
ihr Korn gemehrt, versah sie's einmal und raffte ihn mit dem Getreide in
den Sack, mit dem sie zur Mühle ging. Der Müller schüttete das Korn
in die Gosse, als aber das Kränzchen mit hineinfiel, wollte sie gar nicht mehr
leer werden. Der Müller wartete ein paar Stunden, als aber schon alle
Säcke in der Mühle mit Mehl gefüllt waren, das Korn in der Gosse aber
Koch immer nicht abgenommen, hob er sie ab und sah nach. Er fand dabei
das silberne Ringlein, erkannte, daß es ein Natternkränzchen war und that
^ zu seinem Gelde. Als die Alte kam und ihr Kränzchen haben wollte,
^Ugnete er, etwas der Art zu haben, worauf die Frau fortging und vor
Kummer und Verdruß starb. Der Müller wurde nun reicher und immer
sicher. Da kam ihm der Gedanke, seinen Silberring statt zu seinem Gelde oder
bus den Schüttboden lieber in die volle Gosse zu legen und zu mahlen. Das
^ng ein paar Tage ganz gut, und er wußte kaum, was er mit dem vielen
^edle anfangen sollte. Endlich aber kam das Kränzchen an die Oeffnung
der Gosse, und auf einmal war es zwischen den Mühlsteinen, die es zu Staub
trieben. Sogleich war die Gosse leer, und gleich nachher zog ein Gewitter
^rauf. und der Blitz schlug in die Mühle, die mit sammt dem Müller
Abrannte."

An die oben angeführte Erzählung von den Eltern Scipios erinnert eine
^age vom Pillersee im nordöstlichen Tirol. An dessen Ufer setzte sich einst
"N Bauer hin, um auszuruhen. Er machte sich dabei allerhand Gedanken,
^°bei ihm unter Anderm auch das Unglück durch den Kopf ging, daß er
^ne Kinder hatte. „Ach", seufzte er, „wenn mir doch der liebe Gott diesen
^dem vom Herzen nehmen wollte, wie froh wäre ich da." Da kamen zwei
Ottern aus dem See, und die eine gab dem Bauer ein weißes, die andere


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[0293] Schmerzen. Der Knecht nahm jetzt die Krone und legte sie zu seinem Golde, er wurde dadurch immer reicher, aber auch immer geiziger, und so vergrub er, als er sterben wollte, sein Geld sammt der Krone in einem Walde, der davon außerordentlich wildreich geworden sein soll. Noch deutlicher wie hier erkennen wir in einer andern österreichischen Sage in der Schlangenkrone oder dem Natternkränzchen den das Gut seines jedesmaligen Eigenthümers vermehrenden, ihn aber schließlich verderbenden Zwergenring der Edda. Ein Bauer stiehlt ein Natternkränzchen, flieht, von den Schlangen verfolgt, zu einem Heiligenbilde, wird von einer alten Frau, die solch Ungeziefer bannen kann, gegen das Versprechen gerettet, ihr das „silberne Ringlein" zu geben, hält dann seine Zusage nicht und benutzt da¬ rauf das Kränzchen mit bestem Erfolg: seine Getreideböden sind immer ge¬ füllt, und sein Geld geht nie zu Ende, bis ihm die Alte eines Tages das Kränzchen wegnimmt und seine Kraft nun ihrerseits ausbeutet, indem sie den Silberring auf ihren Schüttboden trägt. „Nachdem er hier eine Zeit lang ihr Korn gemehrt, versah sie's einmal und raffte ihn mit dem Getreide in den Sack, mit dem sie zur Mühle ging. Der Müller schüttete das Korn in die Gosse, als aber das Kränzchen mit hineinfiel, wollte sie gar nicht mehr leer werden. Der Müller wartete ein paar Stunden, als aber schon alle Säcke in der Mühle mit Mehl gefüllt waren, das Korn in der Gosse aber Koch immer nicht abgenommen, hob er sie ab und sah nach. Er fand dabei das silberne Ringlein, erkannte, daß es ein Natternkränzchen war und that ^ zu seinem Gelde. Als die Alte kam und ihr Kränzchen haben wollte, ^Ugnete er, etwas der Art zu haben, worauf die Frau fortging und vor Kummer und Verdruß starb. Der Müller wurde nun reicher und immer sicher. Da kam ihm der Gedanke, seinen Silberring statt zu seinem Gelde oder bus den Schüttboden lieber in die volle Gosse zu legen und zu mahlen. Das ^ng ein paar Tage ganz gut, und er wußte kaum, was er mit dem vielen ^edle anfangen sollte. Endlich aber kam das Kränzchen an die Oeffnung der Gosse, und auf einmal war es zwischen den Mühlsteinen, die es zu Staub trieben. Sogleich war die Gosse leer, und gleich nachher zog ein Gewitter ^rauf. und der Blitz schlug in die Mühle, die mit sammt dem Müller Abrannte." An die oben angeführte Erzählung von den Eltern Scipios erinnert eine ^age vom Pillersee im nordöstlichen Tirol. An dessen Ufer setzte sich einst "N Bauer hin, um auszuruhen. Er machte sich dabei allerhand Gedanken, ^°bei ihm unter Anderm auch das Unglück durch den Kopf ging, daß er ^ne Kinder hatte. „Ach", seufzte er, „wenn mir doch der liebe Gott diesen ^dem vom Herzen nehmen wollte, wie froh wäre ich da." Da kamen zwei Ottern aus dem See, und die eine gab dem Bauer ein weißes, die andere Grcnzboien IV. 1876. 37

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/293>, abgerufen am 27.09.2024.