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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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barrer im großen Stil waren Sanct Patrick in Irland und der Abt Hugo
im Canton Freiburg. Am Niederrhein nimmt man dieses Schlangenbannen
am Peterstage vor, indem der Hausherr bei Sonnenaufgang durch sein Ge¬
höft geht, und nachdem er mit einem Kreuzhammer an die Eckpfosten der
Häuser und Ställe geklopft, folgende Formel hersagt: "Herus! Herus! Herus!
Schlangen us Stall un Hus, Schlangen un Memöllen (Molche) hie nit
Herbergen söllen. Sant Peter un de liewe Frau verbiet und Hus un Hof
un An. Viemöll und Schlangen berus, über Land un Sand, durch Los un
Gras, durch Hecken un Strüch, in die diepen Küsten, da sollt ihr verfulen."
In westphälischen Dörfern (Kühn) vertreibt man die Schlangen , indem man
an demselben Tage "den Sunnevugel jagt", d. h. indem die Knaben umher¬
ziehen und mit Hämmern an die Thürpfosten klopfen. In der Neumark
heißt es, wenn man sich am Karfreitag die Schuhe putzt, so wird man von
keiner Schlange gestochen. Eine schwäbische Geschichte, die hierher gehört
und bei Meier steht, lautet:

In der Rohrhalde bet Kiebingen befand sich früher eine Meierei, in der
es viele Schlangen gab. Es waren Ottern, armsdick, aber nicht giftig. Sie
lagen im Hofe wie im Hause umher und sogen oftmals den Kühen die Milch
aus. Deshalb schickte man endlich nach einem Beschwörer, der sie fort¬
schaffen sollte. Der ließ zuerst die Bodenluke mit Bretern zunageln und
hierauf darunter ein Feuer anzünden. Dann ging er selbst auf den Boden,
und nachdem er sich hier in einen Kasten versteckt, machte er auf einer Pfeife
den Ruf des Schlangenkönigs nach. Sogleich kamen alle Schlangen der
Gegend herbeigeschossen, liefen in die Scheune und wollten durch die Luke
auf den Boden hinausspringen, von wo der Ruf herkam. Weil die Oeff-
nung aber versperrt war, fielen sie in das Feuer zurück und verbrannten.
Hätten sie den Mann bekommen, so würden sie ihn umgebracht haben.

Die Hausottern gelten in Tirol für harmlos, und wer eine davon
tödtet, der stirbt noch im nämlichen Jahre. In Oesterreich darf man (Zin-
gerle) den "Hausadern" nichts zu Leide thun, da sie Glück und Segen bringen
und die von ihnen von Zeit zu Zeit abgelegte fast silberweiße Haut eine
heilende Wirkung hat. Manchmal zeigen sie sich mit einer gelben Krone aus
dem Kopfe, und wer sich die verschaffen kann, der wird steinreich. Zu
Stockerau in Niederösterreich giebt es (Vernaleken) Nattern, die auf dem
Kopfe ein silbernes Kränzchen tragen. Sie sind aber sehr selten und haben
die Eigenheit, daß sie sich in jedem Jahre nur einmal baden und dann stets
in einer Quelle, aus der an diesem Tage noch kein Thier getrunken hat.
Sie legen dann ihr Kränzchen neben dem Wasser auf einen Stein, und wenn
sie die Quelle verlassen, so drücken sie nur den Kopf auf das Kränzchen, und
dasselbe wächst sogleich wieder fest. Ist jemand so glücklich, -es wegnehmen


barrer im großen Stil waren Sanct Patrick in Irland und der Abt Hugo
im Canton Freiburg. Am Niederrhein nimmt man dieses Schlangenbannen
am Peterstage vor, indem der Hausherr bei Sonnenaufgang durch sein Ge¬
höft geht, und nachdem er mit einem Kreuzhammer an die Eckpfosten der
Häuser und Ställe geklopft, folgende Formel hersagt: „Herus! Herus! Herus!
Schlangen us Stall un Hus, Schlangen un Memöllen (Molche) hie nit
Herbergen söllen. Sant Peter un de liewe Frau verbiet und Hus un Hof
un An. Viemöll und Schlangen berus, über Land un Sand, durch Los un
Gras, durch Hecken un Strüch, in die diepen Küsten, da sollt ihr verfulen."
In westphälischen Dörfern (Kühn) vertreibt man die Schlangen , indem man
an demselben Tage „den Sunnevugel jagt", d. h. indem die Knaben umher¬
ziehen und mit Hämmern an die Thürpfosten klopfen. In der Neumark
heißt es, wenn man sich am Karfreitag die Schuhe putzt, so wird man von
keiner Schlange gestochen. Eine schwäbische Geschichte, die hierher gehört
und bei Meier steht, lautet:

In der Rohrhalde bet Kiebingen befand sich früher eine Meierei, in der
es viele Schlangen gab. Es waren Ottern, armsdick, aber nicht giftig. Sie
lagen im Hofe wie im Hause umher und sogen oftmals den Kühen die Milch
aus. Deshalb schickte man endlich nach einem Beschwörer, der sie fort¬
schaffen sollte. Der ließ zuerst die Bodenluke mit Bretern zunageln und
hierauf darunter ein Feuer anzünden. Dann ging er selbst auf den Boden,
und nachdem er sich hier in einen Kasten versteckt, machte er auf einer Pfeife
den Ruf des Schlangenkönigs nach. Sogleich kamen alle Schlangen der
Gegend herbeigeschossen, liefen in die Scheune und wollten durch die Luke
auf den Boden hinausspringen, von wo der Ruf herkam. Weil die Oeff-
nung aber versperrt war, fielen sie in das Feuer zurück und verbrannten.
Hätten sie den Mann bekommen, so würden sie ihn umgebracht haben.

Die Hausottern gelten in Tirol für harmlos, und wer eine davon
tödtet, der stirbt noch im nämlichen Jahre. In Oesterreich darf man (Zin-
gerle) den „Hausadern" nichts zu Leide thun, da sie Glück und Segen bringen
und die von ihnen von Zeit zu Zeit abgelegte fast silberweiße Haut eine
heilende Wirkung hat. Manchmal zeigen sie sich mit einer gelben Krone aus
dem Kopfe, und wer sich die verschaffen kann, der wird steinreich. Zu
Stockerau in Niederösterreich giebt es (Vernaleken) Nattern, die auf dem
Kopfe ein silbernes Kränzchen tragen. Sie sind aber sehr selten und haben
die Eigenheit, daß sie sich in jedem Jahre nur einmal baden und dann stets
in einer Quelle, aus der an diesem Tage noch kein Thier getrunken hat.
Sie legen dann ihr Kränzchen neben dem Wasser auf einen Stein, und wenn
sie die Quelle verlassen, so drücken sie nur den Kopf auf das Kränzchen, und
dasselbe wächst sogleich wieder fest. Ist jemand so glücklich, -es wegnehmen


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[0289] barrer im großen Stil waren Sanct Patrick in Irland und der Abt Hugo im Canton Freiburg. Am Niederrhein nimmt man dieses Schlangenbannen am Peterstage vor, indem der Hausherr bei Sonnenaufgang durch sein Ge¬ höft geht, und nachdem er mit einem Kreuzhammer an die Eckpfosten der Häuser und Ställe geklopft, folgende Formel hersagt: „Herus! Herus! Herus! Schlangen us Stall un Hus, Schlangen un Memöllen (Molche) hie nit Herbergen söllen. Sant Peter un de liewe Frau verbiet und Hus un Hof un An. Viemöll und Schlangen berus, über Land un Sand, durch Los un Gras, durch Hecken un Strüch, in die diepen Küsten, da sollt ihr verfulen." In westphälischen Dörfern (Kühn) vertreibt man die Schlangen , indem man an demselben Tage „den Sunnevugel jagt", d. h. indem die Knaben umher¬ ziehen und mit Hämmern an die Thürpfosten klopfen. In der Neumark heißt es, wenn man sich am Karfreitag die Schuhe putzt, so wird man von keiner Schlange gestochen. Eine schwäbische Geschichte, die hierher gehört und bei Meier steht, lautet: In der Rohrhalde bet Kiebingen befand sich früher eine Meierei, in der es viele Schlangen gab. Es waren Ottern, armsdick, aber nicht giftig. Sie lagen im Hofe wie im Hause umher und sogen oftmals den Kühen die Milch aus. Deshalb schickte man endlich nach einem Beschwörer, der sie fort¬ schaffen sollte. Der ließ zuerst die Bodenluke mit Bretern zunageln und hierauf darunter ein Feuer anzünden. Dann ging er selbst auf den Boden, und nachdem er sich hier in einen Kasten versteckt, machte er auf einer Pfeife den Ruf des Schlangenkönigs nach. Sogleich kamen alle Schlangen der Gegend herbeigeschossen, liefen in die Scheune und wollten durch die Luke auf den Boden hinausspringen, von wo der Ruf herkam. Weil die Oeff- nung aber versperrt war, fielen sie in das Feuer zurück und verbrannten. Hätten sie den Mann bekommen, so würden sie ihn umgebracht haben. Die Hausottern gelten in Tirol für harmlos, und wer eine davon tödtet, der stirbt noch im nämlichen Jahre. In Oesterreich darf man (Zin- gerle) den „Hausadern" nichts zu Leide thun, da sie Glück und Segen bringen und die von ihnen von Zeit zu Zeit abgelegte fast silberweiße Haut eine heilende Wirkung hat. Manchmal zeigen sie sich mit einer gelben Krone aus dem Kopfe, und wer sich die verschaffen kann, der wird steinreich. Zu Stockerau in Niederösterreich giebt es (Vernaleken) Nattern, die auf dem Kopfe ein silbernes Kränzchen tragen. Sie sind aber sehr selten und haben die Eigenheit, daß sie sich in jedem Jahre nur einmal baden und dann stets in einer Quelle, aus der an diesem Tage noch kein Thier getrunken hat. Sie legen dann ihr Kränzchen neben dem Wasser auf einen Stein, und wenn sie die Quelle verlassen, so drücken sie nur den Kopf auf das Kränzchen, und dasselbe wächst sogleich wieder fest. Ist jemand so glücklich, -es wegnehmen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/289>, abgerufen am 27.09.2024.