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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Ihr Lärm aber wurde noch überboten durch den der Sklaven und
Gladiatoren, welche sich in der vorderen Schenkstube niedergelassen hatten.
Daß die Schenke vorzugsweise für die letzteren bestimmt war, schien das
Bild zu beweisen, welches mit bunten Farben auf den weißen Stuck des
Wandpfeilers gemalt war. Neben der als Wirthshausschild dienenden Figur
eines weinlaubbekränzten Bacchus war ein Paar fechtender Gladiatoren
dargestellt, allerdings nicht von künstlerischer Hand, denn die Gliederstellungen
waren zum Theil unmögliche. Dennoch sollten die Bilder wohl Porträts
sein, denn es waren die Namen darunter gemalt. -- Die Trinker saßen auf
hölzernen Bänken und lehnelosen Sesseln, rohe hölzerne Tische vor sich, auf
denen irdene Schalen und gläserne Becher standen, aus denen sie lärmend
einander zutranken.

"Hoch der Duumvir Scaurus!" schallte es in dem Chor, "der so splendide
Fechtspiele giebt und das Sprühwasser nicht spart . . ."

"-- Und der nicht knauserig ist mit der Anfeuchtung für die Fechter¬
kehlen", rief es von der andern Seite, "hoch Scaurus!"

"-- Und nieder mit allen Aedilen, die uns Sklaven verbieten wollen,
einem braven Eisenfresser, wie dem Rapax, Beifall zu rufen!"

"Hüte dich, daß du nicht morgen sammt deinem Rapax, der gegen die
Regel gefochten, im Fußeisen steckst!" rief ein anderer Zecher, einen besorgten
Blick um sich werfend, ob nicht Einer da sei, der die unehrerbietigem Worte
den gestrengen Polizei meistern, den Aedilen, hinterbringen könnte. -- Schon
aber trat der Wirth selbst heran und rief dem vorlauten Kritiker zornig
entgegen:

"Packe dich zum Henker, wenn du deiner Lästerzunge nicht gebieten
kannst! Ich will nicht deinethalb die Gunst des ehrenwerthen Rufus ver¬
lieren. Viel zu milde sind solche Aedilen für deinesgleichen." --

Der aufgebrachte Schenkwirth mußte wohl im Interesse seines Geschäftes
der Geneigtheit des Polizeivorstehers bedürfen, denn auf der Außenwand
seines Hauses war mit großen Lettern angeschrieben: "Dem ehrenwerthen
Aedilen A. Cornelius Rufus empfiehlt sich der Gastwtrth Pertinax nebst
seinen Gästen." Von anderer Hand war noch daneben geschrieben: "Heil
Und Gruß dem würdigen Rufus." --

Aehnlicher Aufschriften sah ich im Weitergehen noch eine große Zahl.
Alle waren mit einem Pinsel in langen rothen Buchstaben aufgemalt, so daß
stellenweise die Wand von ihnen ganz bedeckt war. Es waren Empfehlungen
an die Duumvirn und Aedilen, Wahlvorschläge, Begrüßungen und vielerlei
prosaische und poetische Herzensergüsse, unter den letzteren auch der folgende:


"Wundern muß ich mich, Wand, daß nicht du in Trümmer gesunken,
Da du so vieles Geschmier müssiger Schreiber schon trägst."

Ihr Lärm aber wurde noch überboten durch den der Sklaven und
Gladiatoren, welche sich in der vorderen Schenkstube niedergelassen hatten.
Daß die Schenke vorzugsweise für die letzteren bestimmt war, schien das
Bild zu beweisen, welches mit bunten Farben auf den weißen Stuck des
Wandpfeilers gemalt war. Neben der als Wirthshausschild dienenden Figur
eines weinlaubbekränzten Bacchus war ein Paar fechtender Gladiatoren
dargestellt, allerdings nicht von künstlerischer Hand, denn die Gliederstellungen
waren zum Theil unmögliche. Dennoch sollten die Bilder wohl Porträts
sein, denn es waren die Namen darunter gemalt. — Die Trinker saßen auf
hölzernen Bänken und lehnelosen Sesseln, rohe hölzerne Tische vor sich, auf
denen irdene Schalen und gläserne Becher standen, aus denen sie lärmend
einander zutranken.

„Hoch der Duumvir Scaurus!" schallte es in dem Chor, „der so splendide
Fechtspiele giebt und das Sprühwasser nicht spart . . ."

„— Und der nicht knauserig ist mit der Anfeuchtung für die Fechter¬
kehlen", rief es von der andern Seite, „hoch Scaurus!"

„— Und nieder mit allen Aedilen, die uns Sklaven verbieten wollen,
einem braven Eisenfresser, wie dem Rapax, Beifall zu rufen!"

„Hüte dich, daß du nicht morgen sammt deinem Rapax, der gegen die
Regel gefochten, im Fußeisen steckst!" rief ein anderer Zecher, einen besorgten
Blick um sich werfend, ob nicht Einer da sei, der die unehrerbietigem Worte
den gestrengen Polizei meistern, den Aedilen, hinterbringen könnte. — Schon
aber trat der Wirth selbst heran und rief dem vorlauten Kritiker zornig
entgegen:

„Packe dich zum Henker, wenn du deiner Lästerzunge nicht gebieten
kannst! Ich will nicht deinethalb die Gunst des ehrenwerthen Rufus ver¬
lieren. Viel zu milde sind solche Aedilen für deinesgleichen." —

Der aufgebrachte Schenkwirth mußte wohl im Interesse seines Geschäftes
der Geneigtheit des Polizeivorstehers bedürfen, denn auf der Außenwand
seines Hauses war mit großen Lettern angeschrieben: „Dem ehrenwerthen
Aedilen A. Cornelius Rufus empfiehlt sich der Gastwtrth Pertinax nebst
seinen Gästen." Von anderer Hand war noch daneben geschrieben: „Heil
Und Gruß dem würdigen Rufus." —

Aehnlicher Aufschriften sah ich im Weitergehen noch eine große Zahl.
Alle waren mit einem Pinsel in langen rothen Buchstaben aufgemalt, so daß
stellenweise die Wand von ihnen ganz bedeckt war. Es waren Empfehlungen
an die Duumvirn und Aedilen, Wahlvorschläge, Begrüßungen und vielerlei
prosaische und poetische Herzensergüsse, unter den letzteren auch der folgende:


„Wundern muß ich mich, Wand, daß nicht du in Trümmer gesunken,
Da du so vieles Geschmier müssiger Schreiber schon trägst."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/265>, abgerufen am 27.09.2024.