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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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funden, wie man sie mit Vorliebe in den späten Nachmittagsstunden ver¬
anstaltet, weil dann die Sonne nicht so lästig und der Anblick der herrlichen
Landschaft, die man von den oberen Sitzreihen überblickt, der entzückendste ist.

Schweigend ziehen die Gladiatoren vorüber, die meisten ernsten und
düsteren Blickes; einige aber auch heiter um sich schauend und mit einander
scherzend.

"Wie lächerlich sah es aus", höre ich einen, zwei Schwerter in den Händen
wiegenden Burschen von keltischer Gesichtsbildung zu seinem Genossen sagen,
"als dem Prahlhans Umbricius die Helmkappe mitsammt dem Haarschopf
von des Bären Tatze heruntergerissen wurde. Er machte eine schöne Ver¬
beugung gegen die Augustuspriester."

"Ja, und die Vestalin Caprasia". erwiederte der Andere, .hatte verteufelte
Mühe, hinter dem Schleier ihr Lachen zu verbergen. Das beste aber war
doch die Hetzjagd, die Androgenus auf den Wicht, den Fulvus, machte, den
sein Herr zur Belustigung der Bürger in die Arena schickte. Dreimal jagte
er den Hasenfuß rings um den Platz, bis er ihn mit einem Capitalstoß von
hinten aufspießte." --

Die Gladiatoren waren verschieden bewaffnet. Manche waren vollständig
in Eisen gehüllt, mit schweren zum Theil kostbar ciselirten vergitterten
Helmen, eisenbeschlagenen Lederpanzern, Arm- und Beinschienen bekleidet und
mit langen Schwertern versehen. Andere trugen nur Helm, Schild und Schwert;
noch Andere waren ganz ohne Schutzwaffen und hatten nur ein kurzes
gerades Schwert und ein starkes Netz. Sie pflegten sich desselben zu bedienen
um es dem schwerbewaffneten Gegner, dem man sie gegenüberstellte, über¬
zuwerfen und den so wehrlos Gemachtem durch einen schnellen Stoß zu tödten.
-- Alle waren staubbedeckt; die Rüstungen zeigten zahlreiche Beschädigungen,
und Manche waren leicht verwundet.

Siehe, da führt man hinter den Uebrtgen auch einen Schwerverwundeten
daher. Der Helm ist ihm durch einen Schlag mit einer Streitaxt zer"
schmettert worden, und aus einer schweren Kopfwunde rinnt das Blut trotz
dem Verbände über das Antlitz hinab. Der Mann hat eine herkulische Ge¬
stalt und trägt, obwohl er von zwei Genossen gestützt werden muß, das
Haupt hoch erhoben. Neben ihm her laufen halberwachsene Burschen, manche
auch, die noch die Knabenbulla am Halse tragen, als Vorläufer des Menschen'
Stromes. der vom Amphitheater herkommt und sich jetzt in alle Straßen er¬
gießt. Dann folgen einige Männer, unbedeckten Hauptes, aber durch die
Toga als Bürger, durch ihre großen schwieligen Hände als Handwerker
kenntlich, die gleichfalls den Verwundeten mit einem gewissen achtungsvollen
Interesse betrachten.


funden, wie man sie mit Vorliebe in den späten Nachmittagsstunden ver¬
anstaltet, weil dann die Sonne nicht so lästig und der Anblick der herrlichen
Landschaft, die man von den oberen Sitzreihen überblickt, der entzückendste ist.

Schweigend ziehen die Gladiatoren vorüber, die meisten ernsten und
düsteren Blickes; einige aber auch heiter um sich schauend und mit einander
scherzend.

„Wie lächerlich sah es aus", höre ich einen, zwei Schwerter in den Händen
wiegenden Burschen von keltischer Gesichtsbildung zu seinem Genossen sagen,
„als dem Prahlhans Umbricius die Helmkappe mitsammt dem Haarschopf
von des Bären Tatze heruntergerissen wurde. Er machte eine schöne Ver¬
beugung gegen die Augustuspriester."

„Ja, und die Vestalin Caprasia". erwiederte der Andere, .hatte verteufelte
Mühe, hinter dem Schleier ihr Lachen zu verbergen. Das beste aber war
doch die Hetzjagd, die Androgenus auf den Wicht, den Fulvus, machte, den
sein Herr zur Belustigung der Bürger in die Arena schickte. Dreimal jagte
er den Hasenfuß rings um den Platz, bis er ihn mit einem Capitalstoß von
hinten aufspießte." —

Die Gladiatoren waren verschieden bewaffnet. Manche waren vollständig
in Eisen gehüllt, mit schweren zum Theil kostbar ciselirten vergitterten
Helmen, eisenbeschlagenen Lederpanzern, Arm- und Beinschienen bekleidet und
mit langen Schwertern versehen. Andere trugen nur Helm, Schild und Schwert;
noch Andere waren ganz ohne Schutzwaffen und hatten nur ein kurzes
gerades Schwert und ein starkes Netz. Sie pflegten sich desselben zu bedienen
um es dem schwerbewaffneten Gegner, dem man sie gegenüberstellte, über¬
zuwerfen und den so wehrlos Gemachtem durch einen schnellen Stoß zu tödten.
— Alle waren staubbedeckt; die Rüstungen zeigten zahlreiche Beschädigungen,
und Manche waren leicht verwundet.

Siehe, da führt man hinter den Uebrtgen auch einen Schwerverwundeten
daher. Der Helm ist ihm durch einen Schlag mit einer Streitaxt zer«
schmettert worden, und aus einer schweren Kopfwunde rinnt das Blut trotz
dem Verbände über das Antlitz hinab. Der Mann hat eine herkulische Ge¬
stalt und trägt, obwohl er von zwei Genossen gestützt werden muß, das
Haupt hoch erhoben. Neben ihm her laufen halberwachsene Burschen, manche
auch, die noch die Knabenbulla am Halse tragen, als Vorläufer des Menschen'
Stromes. der vom Amphitheater herkommt und sich jetzt in alle Straßen er¬
gießt. Dann folgen einige Männer, unbedeckten Hauptes, aber durch die
Toga als Bürger, durch ihre großen schwieligen Hände als Handwerker
kenntlich, die gleichfalls den Verwundeten mit einem gewissen achtungsvollen
Interesse betrachten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/262>, abgerufen am 27.09.2024.