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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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so eifrig mit Würfeln, daß sie kaum den Ruf zweier Sklaven vernehmen,
welche daherkommen, an einer auf den Schultern ruhenden Stange eine ge¬
waltige weingefüllte Amphora tragend. -- Vier andere kommen dort, gleich¬
falls Stangen auf den Schultern, die mit Tuchstoffen und Kleidungsstücken
behängt sind. Sie machen vor einem großen Hause Halt, aus dem andere
Sklaven heraustreten, die jenen die Gegenstände abnehmen, um sie hinein¬
zutragen. Durch den weiten Eingangsflur und den dahinterliegenden Hof
mit dem Wasserbecken kann ich in die Hinteren Räume des Hauses hineinsehen,
die aus einem säulenumgebenen freien Platz und mehreren um denselben
liegenden Arbeitszimmern bestehen. Es ist eine Wäscherei und Walkeret. wie
die an Stricken und Stangen aufgehängten nassen Stoffe und die vier großen
nebeneinanderltegenden Waschbassins zeigen, sowie die kleinen gemauerten
Mulden, in deren einigen noch Sklaven mit entblößten Beinen das Zeug zu
treten und zu walken beschäftigt sind. Die andern haben schon Feierabend
und belustigen sich nach des Tages Last mit neckischen Spielen. Zwei haben
einen Dritten unter ein käfigähnliches Gestell gesetzt, das sonst zum Aus¬
breiten der Tücher dient und hindern ihn, ihn ümtanzend, am Herauskommen.
Ein anderes Paar hat eben ein Tournier mit Schilfrohren ausgefochten; der
Eine liegt besiegt am Boden und Strecke die Hand empor; der Andere kniet
über ihm, hat ihm den Rohrstumpf an die Kehle gesetzt und schaut wie der
siegreiche Gladiator im Amphitheater zu den umstehenden Mitsklaven auf,
Mit dem Blicke fragend, ob er den Gegner schonen solle. Diese aber strecken
sämmtlich den rechten Daumen niederwärts, zum Zeichen, daß er ihm den
Todesstoß geben soll. -- Der Besitzer der Walkerei muß ein wohlhabender
Mann sein; denn wenigstens zwanzig Sklaven erblicke ich dort in dem Hofe,
und andere treten soeben noch von der Straße ein, staubbedeckt, Ackergeräth
und Körbe voll Lattich und Rüben auf der Schulter. Wie es scheint, bringen
sie die Abendmahlzeit für die andern; denn bei ihrem Anblick verlassen diese
ihre Unterhaltung und eilen ihnen entgegen, worauf alle in einem der Zim¬
mer zur Seite verschwinden.

Ein Geräusch von schweren Tritten und von Waffenklirren läßt mich
Umschauen. Es ist ein Fechtertrupp, der daherzieht, von dem Lanista geführt.
Sie kommen aus der Richtung des Amphitheaters. Wie ich die Blicke dorthin
N>ende, erkenne ich das gewaltige länglichrunde Gebäude, auf dessen steinernen
Sitzstufen ich so oft als der einzige Theaterbesucher inmitten schweigender
^ete gesessen. Aber jetzt zeigt sich die Umfassungsmauer nicht kahl und ver¬
fallen. Bon Marmor glänzt der ganze Bau; Säulen schmücken die Treppen
Und Umgänge, auf denen eine dichte Menschenmenge sich zu drängen scheint.
Und zwischen Masten ausgespannt, breiten sich bunte Tücher wie Sonnen¬
schirme über den unbedeckten Raum. Offenbar hat eine Vorstellung stattge-


Grenzboten IV. 1876. 33

so eifrig mit Würfeln, daß sie kaum den Ruf zweier Sklaven vernehmen,
welche daherkommen, an einer auf den Schultern ruhenden Stange eine ge¬
waltige weingefüllte Amphora tragend. — Vier andere kommen dort, gleich¬
falls Stangen auf den Schultern, die mit Tuchstoffen und Kleidungsstücken
behängt sind. Sie machen vor einem großen Hause Halt, aus dem andere
Sklaven heraustreten, die jenen die Gegenstände abnehmen, um sie hinein¬
zutragen. Durch den weiten Eingangsflur und den dahinterliegenden Hof
mit dem Wasserbecken kann ich in die Hinteren Räume des Hauses hineinsehen,
die aus einem säulenumgebenen freien Platz und mehreren um denselben
liegenden Arbeitszimmern bestehen. Es ist eine Wäscherei und Walkeret. wie
die an Stricken und Stangen aufgehängten nassen Stoffe und die vier großen
nebeneinanderltegenden Waschbassins zeigen, sowie die kleinen gemauerten
Mulden, in deren einigen noch Sklaven mit entblößten Beinen das Zeug zu
treten und zu walken beschäftigt sind. Die andern haben schon Feierabend
und belustigen sich nach des Tages Last mit neckischen Spielen. Zwei haben
einen Dritten unter ein käfigähnliches Gestell gesetzt, das sonst zum Aus¬
breiten der Tücher dient und hindern ihn, ihn ümtanzend, am Herauskommen.
Ein anderes Paar hat eben ein Tournier mit Schilfrohren ausgefochten; der
Eine liegt besiegt am Boden und Strecke die Hand empor; der Andere kniet
über ihm, hat ihm den Rohrstumpf an die Kehle gesetzt und schaut wie der
siegreiche Gladiator im Amphitheater zu den umstehenden Mitsklaven auf,
Mit dem Blicke fragend, ob er den Gegner schonen solle. Diese aber strecken
sämmtlich den rechten Daumen niederwärts, zum Zeichen, daß er ihm den
Todesstoß geben soll. — Der Besitzer der Walkerei muß ein wohlhabender
Mann sein; denn wenigstens zwanzig Sklaven erblicke ich dort in dem Hofe,
und andere treten soeben noch von der Straße ein, staubbedeckt, Ackergeräth
und Körbe voll Lattich und Rüben auf der Schulter. Wie es scheint, bringen
sie die Abendmahlzeit für die andern; denn bei ihrem Anblick verlassen diese
ihre Unterhaltung und eilen ihnen entgegen, worauf alle in einem der Zim¬
mer zur Seite verschwinden.

Ein Geräusch von schweren Tritten und von Waffenklirren läßt mich
Umschauen. Es ist ein Fechtertrupp, der daherzieht, von dem Lanista geführt.
Sie kommen aus der Richtung des Amphitheaters. Wie ich die Blicke dorthin
N>ende, erkenne ich das gewaltige länglichrunde Gebäude, auf dessen steinernen
Sitzstufen ich so oft als der einzige Theaterbesucher inmitten schweigender
^ete gesessen. Aber jetzt zeigt sich die Umfassungsmauer nicht kahl und ver¬
fallen. Bon Marmor glänzt der ganze Bau; Säulen schmücken die Treppen
Und Umgänge, auf denen eine dichte Menschenmenge sich zu drängen scheint.
Und zwischen Masten ausgespannt, breiten sich bunte Tücher wie Sonnen¬
schirme über den unbedeckten Raum. Offenbar hat eine Vorstellung stattge-


Grenzboten IV. 1876. 33
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[0261] so eifrig mit Würfeln, daß sie kaum den Ruf zweier Sklaven vernehmen, welche daherkommen, an einer auf den Schultern ruhenden Stange eine ge¬ waltige weingefüllte Amphora tragend. — Vier andere kommen dort, gleich¬ falls Stangen auf den Schultern, die mit Tuchstoffen und Kleidungsstücken behängt sind. Sie machen vor einem großen Hause Halt, aus dem andere Sklaven heraustreten, die jenen die Gegenstände abnehmen, um sie hinein¬ zutragen. Durch den weiten Eingangsflur und den dahinterliegenden Hof mit dem Wasserbecken kann ich in die Hinteren Räume des Hauses hineinsehen, die aus einem säulenumgebenen freien Platz und mehreren um denselben liegenden Arbeitszimmern bestehen. Es ist eine Wäscherei und Walkeret. wie die an Stricken und Stangen aufgehängten nassen Stoffe und die vier großen nebeneinanderltegenden Waschbassins zeigen, sowie die kleinen gemauerten Mulden, in deren einigen noch Sklaven mit entblößten Beinen das Zeug zu treten und zu walken beschäftigt sind. Die andern haben schon Feierabend und belustigen sich nach des Tages Last mit neckischen Spielen. Zwei haben einen Dritten unter ein käfigähnliches Gestell gesetzt, das sonst zum Aus¬ breiten der Tücher dient und hindern ihn, ihn ümtanzend, am Herauskommen. Ein anderes Paar hat eben ein Tournier mit Schilfrohren ausgefochten; der Eine liegt besiegt am Boden und Strecke die Hand empor; der Andere kniet über ihm, hat ihm den Rohrstumpf an die Kehle gesetzt und schaut wie der siegreiche Gladiator im Amphitheater zu den umstehenden Mitsklaven auf, Mit dem Blicke fragend, ob er den Gegner schonen solle. Diese aber strecken sämmtlich den rechten Daumen niederwärts, zum Zeichen, daß er ihm den Todesstoß geben soll. — Der Besitzer der Walkerei muß ein wohlhabender Mann sein; denn wenigstens zwanzig Sklaven erblicke ich dort in dem Hofe, und andere treten soeben noch von der Straße ein, staubbedeckt, Ackergeräth und Körbe voll Lattich und Rüben auf der Schulter. Wie es scheint, bringen sie die Abendmahlzeit für die andern; denn bei ihrem Anblick verlassen diese ihre Unterhaltung und eilen ihnen entgegen, worauf alle in einem der Zim¬ mer zur Seite verschwinden. Ein Geräusch von schweren Tritten und von Waffenklirren läßt mich Umschauen. Es ist ein Fechtertrupp, der daherzieht, von dem Lanista geführt. Sie kommen aus der Richtung des Amphitheaters. Wie ich die Blicke dorthin N>ende, erkenne ich das gewaltige länglichrunde Gebäude, auf dessen steinernen Sitzstufen ich so oft als der einzige Theaterbesucher inmitten schweigender ^ete gesessen. Aber jetzt zeigt sich die Umfassungsmauer nicht kahl und ver¬ fallen. Bon Marmor glänzt der ganze Bau; Säulen schmücken die Treppen Und Umgänge, auf denen eine dichte Menschenmenge sich zu drängen scheint. Und zwischen Masten ausgespannt, breiten sich bunte Tücher wie Sonnen¬ schirme über den unbedeckten Raum. Offenbar hat eine Vorstellung stattge- Grenzboten IV. 1876. 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/261>, abgerufen am 27.09.2024.