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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Anstatt aber in Hamburg vor Gericht seinen Anspruch geltend zu
machen, ersah er die Gelegenheit, seinen Schuldner im Lande Holstein zu
fassen. Nachdem er erfahren, daß Hartmann mit seinen Verwandten am 3.
Juli 1564 nach Neumünster in Holstein eine Lustfahrt machen wolle, begab
sich auch der Amtmann von Brockvorf mit seinem Amtschretber, seinem Jungen
und drei^Knechten, alle gerüstet und zu Pferde, auf den Weg dorthin. Er über¬
fiel die Gesellschaft nicht lange, nachdem sie Neumünster verlassen hatte, setzte dem
Hartmann die Feuerbüchse auf die Brust, und verlangte von ihm das Handgelöb-
niß, daß er sich auf Erfordern vor dem Herzog Adolf zu Holstein zu Recht
stellen wolle. Dies verweigerte Hartmann aller Drohungen ungeachtet.
Hartmanns Schwäger erboten sich vergebens, für die Zahlung zu haften,
wenn Brockdors, wie Hartmann begehrte, sein Recht vor Gericht in Hamburg
suchen wolle.

Hartmann wurde zur Rückkehr nach Neumünster gezwungen, die Seinigen
begleiteten ihn. Er verblieb aber bei seiner Weigerung, weil er sich vor dem
Holsteinischen Bauerngericht fürchtete. Wohl nicht mit Unrecht, wie wir in
dem oben erwähnten Fall bei Wiebe Peters gesehn haben.

Daß auch im vorliegenden Falle es dem Hans Hartmann nicht viel
besser gegangen wäre, als dort den 48 Regenten, das ergiebt die eidliche
Aussage einer Zeugin, welche mit zwei der Bauern gesprochen hatte, welche
zum Gericht über Hartmann berufen gewesen waren. Auf die Frage der
Zeugin: aus was für einer Ursache sie zu Gericht gefordert wären? gaben
die Bauern zur Antwort: daß sie den Hamburger Kerl vorfinden sollten.
Befragt: Was sie da finden sollten? antwortete der eine Bauer: dieweil
Hartmann seinem Herrn von Brockdorf nicht treu gewesen: so sollten sie ihn
vorfinden an dem lichten Galgen. Der andere sagte: So der Hamburger Kerl
seinem Herrn 1000 si. gebe, so soll er des Rechtens los sein. Da sie solch
Recht nicht finden würden, wie ihre Vorfahren vor 100 Jahren gefunden
hätten, so müßten sie ihrem Herrn 100 Mark geben.

Als nun aber auch in Neumünster Hartmann sich durch alle Drohungen
nicht zu dem verlangten Handgelöbniß herbeiließ, ließ ihn Brockdorf durch
seine Gewaffneten festhalten und erwirkte vom Amtmann zu Kiel den Befehl
an den Vogt in Neumünster: dieser solle den Hartmann gefänglich einziehen-
Dies geschah, und Hartmann wurde sogar in Eisen geschlagen. Einige Zeit
nachher wurde derselbe in Ketten nach Kiel gebracht, und mit Ketten an den
Block geschlossen. Als ihn dort seine Ehefrau besuchte, lag er am Block ge-
schlossen mit dem Haupte auf der Erde und die Füße in die Höhe. Die
Frau bat vergeblich um eine gelindere Behandlung.

Man erwäge: Ein Justiz- und Verwaltungsbeamter überfällt mit ge-
waffneter Hand einen Hamburger Bürger auf offener Landstraße. Ohne
seinen angeblichen Anspruch auch nur bescheinigt zu haben, erreicht er bei


Anstatt aber in Hamburg vor Gericht seinen Anspruch geltend zu
machen, ersah er die Gelegenheit, seinen Schuldner im Lande Holstein zu
fassen. Nachdem er erfahren, daß Hartmann mit seinen Verwandten am 3.
Juli 1564 nach Neumünster in Holstein eine Lustfahrt machen wolle, begab
sich auch der Amtmann von Brockvorf mit seinem Amtschretber, seinem Jungen
und drei^Knechten, alle gerüstet und zu Pferde, auf den Weg dorthin. Er über¬
fiel die Gesellschaft nicht lange, nachdem sie Neumünster verlassen hatte, setzte dem
Hartmann die Feuerbüchse auf die Brust, und verlangte von ihm das Handgelöb-
niß, daß er sich auf Erfordern vor dem Herzog Adolf zu Holstein zu Recht
stellen wolle. Dies verweigerte Hartmann aller Drohungen ungeachtet.
Hartmanns Schwäger erboten sich vergebens, für die Zahlung zu haften,
wenn Brockdors, wie Hartmann begehrte, sein Recht vor Gericht in Hamburg
suchen wolle.

Hartmann wurde zur Rückkehr nach Neumünster gezwungen, die Seinigen
begleiteten ihn. Er verblieb aber bei seiner Weigerung, weil er sich vor dem
Holsteinischen Bauerngericht fürchtete. Wohl nicht mit Unrecht, wie wir in
dem oben erwähnten Fall bei Wiebe Peters gesehn haben.

Daß auch im vorliegenden Falle es dem Hans Hartmann nicht viel
besser gegangen wäre, als dort den 48 Regenten, das ergiebt die eidliche
Aussage einer Zeugin, welche mit zwei der Bauern gesprochen hatte, welche
zum Gericht über Hartmann berufen gewesen waren. Auf die Frage der
Zeugin: aus was für einer Ursache sie zu Gericht gefordert wären? gaben
die Bauern zur Antwort: daß sie den Hamburger Kerl vorfinden sollten.
Befragt: Was sie da finden sollten? antwortete der eine Bauer: dieweil
Hartmann seinem Herrn von Brockdorf nicht treu gewesen: so sollten sie ihn
vorfinden an dem lichten Galgen. Der andere sagte: So der Hamburger Kerl
seinem Herrn 1000 si. gebe, so soll er des Rechtens los sein. Da sie solch
Recht nicht finden würden, wie ihre Vorfahren vor 100 Jahren gefunden
hätten, so müßten sie ihrem Herrn 100 Mark geben.

Als nun aber auch in Neumünster Hartmann sich durch alle Drohungen
nicht zu dem verlangten Handgelöbniß herbeiließ, ließ ihn Brockdorf durch
seine Gewaffneten festhalten und erwirkte vom Amtmann zu Kiel den Befehl
an den Vogt in Neumünster: dieser solle den Hartmann gefänglich einziehen-
Dies geschah, und Hartmann wurde sogar in Eisen geschlagen. Einige Zeit
nachher wurde derselbe in Ketten nach Kiel gebracht, und mit Ketten an den
Block geschlossen. Als ihn dort seine Ehefrau besuchte, lag er am Block ge-
schlossen mit dem Haupte auf der Erde und die Füße in die Höhe. Die
Frau bat vergeblich um eine gelindere Behandlung.

Man erwäge: Ein Justiz- und Verwaltungsbeamter überfällt mit ge-
waffneter Hand einen Hamburger Bürger auf offener Landstraße. Ohne
seinen angeblichen Anspruch auch nur bescheinigt zu haben, erreicht er bei


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[0254] Anstatt aber in Hamburg vor Gericht seinen Anspruch geltend zu machen, ersah er die Gelegenheit, seinen Schuldner im Lande Holstein zu fassen. Nachdem er erfahren, daß Hartmann mit seinen Verwandten am 3. Juli 1564 nach Neumünster in Holstein eine Lustfahrt machen wolle, begab sich auch der Amtmann von Brockvorf mit seinem Amtschretber, seinem Jungen und drei^Knechten, alle gerüstet und zu Pferde, auf den Weg dorthin. Er über¬ fiel die Gesellschaft nicht lange, nachdem sie Neumünster verlassen hatte, setzte dem Hartmann die Feuerbüchse auf die Brust, und verlangte von ihm das Handgelöb- niß, daß er sich auf Erfordern vor dem Herzog Adolf zu Holstein zu Recht stellen wolle. Dies verweigerte Hartmann aller Drohungen ungeachtet. Hartmanns Schwäger erboten sich vergebens, für die Zahlung zu haften, wenn Brockdors, wie Hartmann begehrte, sein Recht vor Gericht in Hamburg suchen wolle. Hartmann wurde zur Rückkehr nach Neumünster gezwungen, die Seinigen begleiteten ihn. Er verblieb aber bei seiner Weigerung, weil er sich vor dem Holsteinischen Bauerngericht fürchtete. Wohl nicht mit Unrecht, wie wir in dem oben erwähnten Fall bei Wiebe Peters gesehn haben. Daß auch im vorliegenden Falle es dem Hans Hartmann nicht viel besser gegangen wäre, als dort den 48 Regenten, das ergiebt die eidliche Aussage einer Zeugin, welche mit zwei der Bauern gesprochen hatte, welche zum Gericht über Hartmann berufen gewesen waren. Auf die Frage der Zeugin: aus was für einer Ursache sie zu Gericht gefordert wären? gaben die Bauern zur Antwort: daß sie den Hamburger Kerl vorfinden sollten. Befragt: Was sie da finden sollten? antwortete der eine Bauer: dieweil Hartmann seinem Herrn von Brockdorf nicht treu gewesen: so sollten sie ihn vorfinden an dem lichten Galgen. Der andere sagte: So der Hamburger Kerl seinem Herrn 1000 si. gebe, so soll er des Rechtens los sein. Da sie solch Recht nicht finden würden, wie ihre Vorfahren vor 100 Jahren gefunden hätten, so müßten sie ihrem Herrn 100 Mark geben. Als nun aber auch in Neumünster Hartmann sich durch alle Drohungen nicht zu dem verlangten Handgelöbniß herbeiließ, ließ ihn Brockdorf durch seine Gewaffneten festhalten und erwirkte vom Amtmann zu Kiel den Befehl an den Vogt in Neumünster: dieser solle den Hartmann gefänglich einziehen- Dies geschah, und Hartmann wurde sogar in Eisen geschlagen. Einige Zeit nachher wurde derselbe in Ketten nach Kiel gebracht, und mit Ketten an den Block geschlossen. Als ihn dort seine Ehefrau besuchte, lag er am Block ge- schlossen mit dem Haupte auf der Erde und die Füße in die Höhe. Die Frau bat vergeblich um eine gelindere Behandlung. Man erwäge: Ein Justiz- und Verwaltungsbeamter überfällt mit ge- waffneter Hand einen Hamburger Bürger auf offener Landstraße. Ohne seinen angeblichen Anspruch auch nur bescheinigt zu haben, erreicht er bei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/254>, abgerufen am 27.09.2024.