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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Er erblickte in seiner Verurtheilung ein ihm widerfahrenes Unrecht, das er an
allen Insassen des Landes Dithmarschen zu rächen suchte. Er ließ ihnen trotz
des wiederholt unter Androhung der Reichsacht verkündeten Landfriedens
verkünden: er werde sie an Leib und Gut, Haus und Hof verderben und
verbrennen. Er kam nun nächtlicher Weise ins Land, und raubte viele
Pferde, Vieh und alles was er bekommen konnte. Er drang in die Schiffe
der Dithmarscher, verwundete die Menschen, raubte und plünderte was aus
den Schiffen zu nehmen möglich war. Er hieb die Bierfässer auf, und ließ
das Bier in die Elbe laufen. Zuletzt fiel er mit zwölf Mordbrennern in
Dithmarschen ein, und sendete zwei Gesellen zu einem armen Insassen, welche
diesen um Gottes Willen um Herberge baten. Sie erhielten dieselbe, sowie aus
Mitleiden auch Speise und Trank. Nachdem aber der Hauswirth sich mit
Weib und Kind schlafen gelegt, öffneten die beiden Gesellen das Haus, und
ließen Wiebe Peters mit den anderen Gesellen ein. Nackt und bloß wurde
nun der Hauswirth an Händen und Füßen gebunden, dessen Weib und
Kind aber in einen Backofen gestoßen, und dieser fest zugemacht. Darauf
raubten sie, was sie fanden, zündeten das Haus und noch andere Häuser an,
so daß viel Pferde, das Vieh und alle fahrende Habe verbrannte. Von den
Männern, Weibern und Kindern blieben viele, welche aus den brennenden
Häusern gelaufen waren, todt auf dem Felde liegen. Wiebe Peters kehrte
aber mit seinen Gesellen wieder in das Stift Bremen zurück.

' Endlich gelang es den Dithmarschen den Friedensbrecher im Holsteini¬
schen zur Haft zu bringen.

Von einer Auslieferung an das Gericht zu Dithmarschen, wo die Ver¬
brechen begangen waren, scheint keine Rede gewesen zu sein, denn König
Christian III. zu Dänemark überwies die Entscheidung an das Blutgericht
zu Rendsburg. Die Dithmarschen wollten dies Gericht, worin die im Amte
Rendsburg angesessenen Bauern unter Vorsitz des königlichen Amtmanns das
Urtheil fanden, nicht annehmen, weil sie von den ihnen feindlich gesinnten
Bauern keinen gerechten Ausspruch erwarteten. Als dennoch das Bauernge¬
richt das Verfahren fortsetzen wollte, verwahrten sich dagegen die Dithmarscher
Verordneten und zogen von dannen.

Wie gerechtfertigt diese Befürchtung war. das bewies das demnächst vom
Blutgericht gefällte Urtheil, denn es sprach den Wiebe Peters nicht nur von
der angestellten peinlichen Klage frei, sondern es verurtheilte zugleich die
Landschaft Dithmarschen, ihm alle durch das Gefängniß verursachte Schäden
abzutragen.

Nachdem Wiebe Peters, der landkundige Friedensbrecher, auf diese
Weise nicht nur freigesprochen, sondern ihm auch noch die Forderung von
Schadenersatz zugesprochen war, begann er wieder die Dithmarschen arm-


Er erblickte in seiner Verurtheilung ein ihm widerfahrenes Unrecht, das er an
allen Insassen des Landes Dithmarschen zu rächen suchte. Er ließ ihnen trotz
des wiederholt unter Androhung der Reichsacht verkündeten Landfriedens
verkünden: er werde sie an Leib und Gut, Haus und Hof verderben und
verbrennen. Er kam nun nächtlicher Weise ins Land, und raubte viele
Pferde, Vieh und alles was er bekommen konnte. Er drang in die Schiffe
der Dithmarscher, verwundete die Menschen, raubte und plünderte was aus
den Schiffen zu nehmen möglich war. Er hieb die Bierfässer auf, und ließ
das Bier in die Elbe laufen. Zuletzt fiel er mit zwölf Mordbrennern in
Dithmarschen ein, und sendete zwei Gesellen zu einem armen Insassen, welche
diesen um Gottes Willen um Herberge baten. Sie erhielten dieselbe, sowie aus
Mitleiden auch Speise und Trank. Nachdem aber der Hauswirth sich mit
Weib und Kind schlafen gelegt, öffneten die beiden Gesellen das Haus, und
ließen Wiebe Peters mit den anderen Gesellen ein. Nackt und bloß wurde
nun der Hauswirth an Händen und Füßen gebunden, dessen Weib und
Kind aber in einen Backofen gestoßen, und dieser fest zugemacht. Darauf
raubten sie, was sie fanden, zündeten das Haus und noch andere Häuser an,
so daß viel Pferde, das Vieh und alle fahrende Habe verbrannte. Von den
Männern, Weibern und Kindern blieben viele, welche aus den brennenden
Häusern gelaufen waren, todt auf dem Felde liegen. Wiebe Peters kehrte
aber mit seinen Gesellen wieder in das Stift Bremen zurück.

' Endlich gelang es den Dithmarschen den Friedensbrecher im Holsteini¬
schen zur Haft zu bringen.

Von einer Auslieferung an das Gericht zu Dithmarschen, wo die Ver¬
brechen begangen waren, scheint keine Rede gewesen zu sein, denn König
Christian III. zu Dänemark überwies die Entscheidung an das Blutgericht
zu Rendsburg. Die Dithmarschen wollten dies Gericht, worin die im Amte
Rendsburg angesessenen Bauern unter Vorsitz des königlichen Amtmanns das
Urtheil fanden, nicht annehmen, weil sie von den ihnen feindlich gesinnten
Bauern keinen gerechten Ausspruch erwarteten. Als dennoch das Bauernge¬
richt das Verfahren fortsetzen wollte, verwahrten sich dagegen die Dithmarscher
Verordneten und zogen von dannen.

Wie gerechtfertigt diese Befürchtung war. das bewies das demnächst vom
Blutgericht gefällte Urtheil, denn es sprach den Wiebe Peters nicht nur von
der angestellten peinlichen Klage frei, sondern es verurtheilte zugleich die
Landschaft Dithmarschen, ihm alle durch das Gefängniß verursachte Schäden
abzutragen.

Nachdem Wiebe Peters, der landkundige Friedensbrecher, auf diese
Weise nicht nur freigesprochen, sondern ihm auch noch die Forderung von
Schadenersatz zugesprochen war, begann er wieder die Dithmarschen arm-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/251>, abgerufen am 27.09.2024.