Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Zeitungen sprechen von 200000 bis 230000 Zuschauern) hatten vom frühen
Morgen an alle hochgelegenen Punkte der Umgegend, zurück bis zum Cen-
tralpark, alle Fenster der auf den Fluß sehenden Häuser New-Uorks. Astorias
u. s. w. besetzt, ja auf den Dächern harrten Tausende der kommenden Er¬
eignisse. Trotz triefenden Regens, der den ganzen Tag, von einem heftigen
Nordoststurm getrieben, unerbittlich fiel, harrten die Tausende mit und
ohne Regenschirm unermüdlich aus. Der Fluß war durch die Polizeivovte
auf weite Entfernung vom Riffe abgesperrt; hinter der Demarkationslinie
aber lagen Hunderte von Booten aller Arten und Größen, von denen auch
wieder jedes von einem dichten Menschenknäuel gefüllt war.

Um die erschütternden Wirkungen der Explosion abzuschwächen, hatte
man mittels einer 24 zölltgen Zuflußröhre am Tage vor der Sprengung
Wasser in die Mine gelassen. Diese war infolge dessen um 10 Uhr am
Sonntag Morgen mit Wasser angefüllt.

Um halb drei Uhr sollte die erste Alarmkanone losgeschossen werden,
welche 15 Minuten vor der Sprengung das Zeichen geben sollte, daß alle
Menschen die Nähe des Zerstörungsheerdes sofort verlassen mußten. Als sie
erscholl, war sie als Warnung nicht mehr nöthig, denn schon seit Stunden
waren die Menschenmassen über die "Polizeilinie" nicht mehr hinausgegangen.
Um 2,zö ertönte der zweite Stgnalschuß, und wenige Sekunden, nachdem
zur verabredeten Zeit der dritte und letzte Schuß gefallen war, verspürten die
Tausende von Zuschauern ein Gefühl, als ob die Erde unter ihnen bei
donnerähnlichem Getöse wanke, und sogleich erhob sich über dem Riff eine
schneeweiße Wasser- und Schaum-Säule bis zur gewaltigen Höhe von 100
Fuß an den Rändern und circa 150 Fuß in der Mitte. Dem Wasser
folgten Felsstücke, dann die ganze Spundwand, welche die gefährlichsten Punkte
umgeben hatte, in Atome zerrissen, hinauf in die Lüfte; hierauf erhob sich
eine gewaltige Wolke gelblicher Gase, welche aus dem Rachen des Schlundes
(in Folge der Explodirung so bedeutender Massen Sprengstoffs) hervorquoll,
um sich langsam über die wilden unruhigen Wasser zu verbreiten und all¬
mählich zu verschwinden. Dann noch wenige Sekunden ein Brausen. Zischen
und Gurgeln über der Stelle, wo die Felsen des Hell Gale bis dahin
schwarz und unheimlich erglänzten -- und Alles war vorbei! -- Die Wasser
Wurden ruhig, und wenn die Felsen des Hell Gale nicht verschwunden gewesen
Wären, man hätte denken können, es sei nichts geschehen.

Das große Werk war gelungen! Nach nur sekundenlangem Schweigen
ergriff dieser eine Gedanke die Tausende und aber Tausende der ängstlich
Harrenden, dann meldete ein brausendes Hurrahrufen, daß sie alle gleich-
Zeitig die freudige Wahrheit des eben Geschehenen begriffen.


Zeitungen sprechen von 200000 bis 230000 Zuschauern) hatten vom frühen
Morgen an alle hochgelegenen Punkte der Umgegend, zurück bis zum Cen-
tralpark, alle Fenster der auf den Fluß sehenden Häuser New-Uorks. Astorias
u. s. w. besetzt, ja auf den Dächern harrten Tausende der kommenden Er¬
eignisse. Trotz triefenden Regens, der den ganzen Tag, von einem heftigen
Nordoststurm getrieben, unerbittlich fiel, harrten die Tausende mit und
ohne Regenschirm unermüdlich aus. Der Fluß war durch die Polizeivovte
auf weite Entfernung vom Riffe abgesperrt; hinter der Demarkationslinie
aber lagen Hunderte von Booten aller Arten und Größen, von denen auch
wieder jedes von einem dichten Menschenknäuel gefüllt war.

Um die erschütternden Wirkungen der Explosion abzuschwächen, hatte
man mittels einer 24 zölltgen Zuflußröhre am Tage vor der Sprengung
Wasser in die Mine gelassen. Diese war infolge dessen um 10 Uhr am
Sonntag Morgen mit Wasser angefüllt.

Um halb drei Uhr sollte die erste Alarmkanone losgeschossen werden,
welche 15 Minuten vor der Sprengung das Zeichen geben sollte, daß alle
Menschen die Nähe des Zerstörungsheerdes sofort verlassen mußten. Als sie
erscholl, war sie als Warnung nicht mehr nöthig, denn schon seit Stunden
waren die Menschenmassen über die „Polizeilinie" nicht mehr hinausgegangen.
Um 2,zö ertönte der zweite Stgnalschuß, und wenige Sekunden, nachdem
zur verabredeten Zeit der dritte und letzte Schuß gefallen war, verspürten die
Tausende von Zuschauern ein Gefühl, als ob die Erde unter ihnen bei
donnerähnlichem Getöse wanke, und sogleich erhob sich über dem Riff eine
schneeweiße Wasser- und Schaum-Säule bis zur gewaltigen Höhe von 100
Fuß an den Rändern und circa 150 Fuß in der Mitte. Dem Wasser
folgten Felsstücke, dann die ganze Spundwand, welche die gefährlichsten Punkte
umgeben hatte, in Atome zerrissen, hinauf in die Lüfte; hierauf erhob sich
eine gewaltige Wolke gelblicher Gase, welche aus dem Rachen des Schlundes
(in Folge der Explodirung so bedeutender Massen Sprengstoffs) hervorquoll,
um sich langsam über die wilden unruhigen Wasser zu verbreiten und all¬
mählich zu verschwinden. Dann noch wenige Sekunden ein Brausen. Zischen
und Gurgeln über der Stelle, wo die Felsen des Hell Gale bis dahin
schwarz und unheimlich erglänzten — und Alles war vorbei! — Die Wasser
Wurden ruhig, und wenn die Felsen des Hell Gale nicht verschwunden gewesen
Wären, man hätte denken können, es sei nichts geschehen.

Das große Werk war gelungen! Nach nur sekundenlangem Schweigen
ergriff dieser eine Gedanke die Tausende und aber Tausende der ängstlich
Harrenden, dann meldete ein brausendes Hurrahrufen, daß sie alle gleich-
Zeitig die freudige Wahrheit des eben Geschehenen begriffen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0241" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136880"/>
          <p xml:id="ID_677" prev="#ID_676"> Zeitungen sprechen von 200000 bis 230000 Zuschauern) hatten vom frühen<lb/>
Morgen an alle hochgelegenen Punkte der Umgegend, zurück bis zum Cen-<lb/>
tralpark, alle Fenster der auf den Fluß sehenden Häuser New-Uorks. Astorias<lb/>
u. s. w. besetzt, ja auf den Dächern harrten Tausende der kommenden Er¬<lb/>
eignisse. Trotz triefenden Regens, der den ganzen Tag, von einem heftigen<lb/>
Nordoststurm getrieben, unerbittlich fiel, harrten die Tausende mit und<lb/>
ohne Regenschirm unermüdlich aus. Der Fluß war durch die Polizeivovte<lb/>
auf weite Entfernung vom Riffe abgesperrt; hinter der Demarkationslinie<lb/>
aber lagen Hunderte von Booten aller Arten und Größen, von denen auch<lb/>
wieder jedes von einem dichten Menschenknäuel gefüllt war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_678"> Um die erschütternden Wirkungen der Explosion abzuschwächen, hatte<lb/>
man mittels einer 24 zölltgen Zuflußröhre am Tage vor der Sprengung<lb/>
Wasser in die Mine gelassen. Diese war infolge dessen um 10 Uhr am<lb/>
Sonntag Morgen mit Wasser angefüllt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_679"> Um halb drei Uhr sollte die erste Alarmkanone losgeschossen werden,<lb/>
welche 15 Minuten vor der Sprengung das Zeichen geben sollte, daß alle<lb/>
Menschen die Nähe des Zerstörungsheerdes sofort verlassen mußten. Als sie<lb/>
erscholl, war sie als Warnung nicht mehr nöthig, denn schon seit Stunden<lb/>
waren die Menschenmassen über die &#x201E;Polizeilinie" nicht mehr hinausgegangen.<lb/>
Um 2,zö ertönte der zweite Stgnalschuß, und wenige Sekunden, nachdem<lb/>
zur verabredeten Zeit der dritte und letzte Schuß gefallen war, verspürten die<lb/>
Tausende von Zuschauern ein Gefühl, als ob die Erde unter ihnen bei<lb/>
donnerähnlichem Getöse wanke, und sogleich erhob sich über dem Riff eine<lb/>
schneeweiße Wasser- und Schaum-Säule bis zur gewaltigen Höhe von 100<lb/>
Fuß an den Rändern und circa 150 Fuß in der Mitte. Dem Wasser<lb/>
folgten Felsstücke, dann die ganze Spundwand, welche die gefährlichsten Punkte<lb/>
umgeben hatte, in Atome zerrissen, hinauf in die Lüfte; hierauf erhob sich<lb/>
eine gewaltige Wolke gelblicher Gase, welche aus dem Rachen des Schlundes<lb/>
(in Folge der Explodirung so bedeutender Massen Sprengstoffs) hervorquoll,<lb/>
um sich langsam über die wilden unruhigen Wasser zu verbreiten und all¬<lb/>
mählich zu verschwinden. Dann noch wenige Sekunden ein Brausen. Zischen<lb/>
und Gurgeln über der Stelle, wo die Felsen des Hell Gale bis dahin<lb/>
schwarz und unheimlich erglänzten &#x2014; und Alles war vorbei! &#x2014; Die Wasser<lb/>
Wurden ruhig, und wenn die Felsen des Hell Gale nicht verschwunden gewesen<lb/>
Wären, man hätte denken können, es sei nichts geschehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_680"> Das große Werk war gelungen! Nach nur sekundenlangem Schweigen<lb/>
ergriff dieser eine Gedanke die Tausende und aber Tausende der ängstlich<lb/>
Harrenden, dann meldete ein brausendes Hurrahrufen, daß sie alle gleich-<lb/>
Zeitig die freudige Wahrheit des eben Geschehenen begriffen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0241] Zeitungen sprechen von 200000 bis 230000 Zuschauern) hatten vom frühen Morgen an alle hochgelegenen Punkte der Umgegend, zurück bis zum Cen- tralpark, alle Fenster der auf den Fluß sehenden Häuser New-Uorks. Astorias u. s. w. besetzt, ja auf den Dächern harrten Tausende der kommenden Er¬ eignisse. Trotz triefenden Regens, der den ganzen Tag, von einem heftigen Nordoststurm getrieben, unerbittlich fiel, harrten die Tausende mit und ohne Regenschirm unermüdlich aus. Der Fluß war durch die Polizeivovte auf weite Entfernung vom Riffe abgesperrt; hinter der Demarkationslinie aber lagen Hunderte von Booten aller Arten und Größen, von denen auch wieder jedes von einem dichten Menschenknäuel gefüllt war. Um die erschütternden Wirkungen der Explosion abzuschwächen, hatte man mittels einer 24 zölltgen Zuflußröhre am Tage vor der Sprengung Wasser in die Mine gelassen. Diese war infolge dessen um 10 Uhr am Sonntag Morgen mit Wasser angefüllt. Um halb drei Uhr sollte die erste Alarmkanone losgeschossen werden, welche 15 Minuten vor der Sprengung das Zeichen geben sollte, daß alle Menschen die Nähe des Zerstörungsheerdes sofort verlassen mußten. Als sie erscholl, war sie als Warnung nicht mehr nöthig, denn schon seit Stunden waren die Menschenmassen über die „Polizeilinie" nicht mehr hinausgegangen. Um 2,zö ertönte der zweite Stgnalschuß, und wenige Sekunden, nachdem zur verabredeten Zeit der dritte und letzte Schuß gefallen war, verspürten die Tausende von Zuschauern ein Gefühl, als ob die Erde unter ihnen bei donnerähnlichem Getöse wanke, und sogleich erhob sich über dem Riff eine schneeweiße Wasser- und Schaum-Säule bis zur gewaltigen Höhe von 100 Fuß an den Rändern und circa 150 Fuß in der Mitte. Dem Wasser folgten Felsstücke, dann die ganze Spundwand, welche die gefährlichsten Punkte umgeben hatte, in Atome zerrissen, hinauf in die Lüfte; hierauf erhob sich eine gewaltige Wolke gelblicher Gase, welche aus dem Rachen des Schlundes (in Folge der Explodirung so bedeutender Massen Sprengstoffs) hervorquoll, um sich langsam über die wilden unruhigen Wasser zu verbreiten und all¬ mählich zu verschwinden. Dann noch wenige Sekunden ein Brausen. Zischen und Gurgeln über der Stelle, wo die Felsen des Hell Gale bis dahin schwarz und unheimlich erglänzten — und Alles war vorbei! — Die Wasser Wurden ruhig, und wenn die Felsen des Hell Gale nicht verschwunden gewesen Wären, man hätte denken können, es sei nichts geschehen. Das große Werk war gelungen! Nach nur sekundenlangem Schweigen ergriff dieser eine Gedanke die Tausende und aber Tausende der ängstlich Harrenden, dann meldete ein brausendes Hurrahrufen, daß sie alle gleich- Zeitig die freudige Wahrheit des eben Geschehenen begriffen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/241
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/241>, abgerufen am 27.09.2024.