Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.regiert die Welt, es giebt keinen Gott ---, überzeugt von dem unvermeidlichen Sein Gegenpart und doch sein Freund ist Totila, der .Sonnenjüngling", So treten die Hauptvertreter der Gothen als lebendige Menschen hervor, regiert die Welt, es giebt keinen Gott -—, überzeugt von dem unvermeidlichen Sein Gegenpart und doch sein Freund ist Totila, der .Sonnenjüngling", So treten die Hauptvertreter der Gothen als lebendige Menschen hervor, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0129" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136768"/> <p xml:id="ID_346" prev="#ID_345"> regiert die Welt, es giebt keinen Gott -—, überzeugt von dem unvermeidlichen<lb/> Untergange seines Volkes, aber entschlossen, das Furchtbare edel zu tragen<lb/> und edel zu sterben, seine Trauer ausströmend im Liede. So ringt er über¬<lb/> all mit. ein eiserner Held und kämpft als König die letzte Heldenschlacht<lb/> am Vesuv, in der er fällt.</p><lb/> <p xml:id="ID_347"> Sein Gegenpart und doch sein Freund ist Totila, der .Sonnenjüngling",<lb/> der „Siegfried" der Gothen, ein Idealist durch und durch, voll menschlich<lb/> warmer Empfindung, voll Güte und Humanität, von Allen geliebt, auch von<lb/> den Italienern, und doch von den Gegnern gefürchtet als ein unwiderstehlicher Held.<lb/> Er hofft Römer und Gothen zu versöhnen, das Reich Theodorichs wieder zu er¬<lb/> öffnen. Es ist symbolisch für diese Hoffnung, daß er eine Römerin, Valeria liebt.<lb/> Aber wie das ganze Volk, so verfolgt auch ihn das düstere Schicksal, so<lb/> nahe er auch zuweilen seinem politischen und seinem persönlichen Ziele zu sein<lb/> scheint: Valeria, früh dem Kloster geweiht, dann durch die Erbauung eines<lb/> solchen von diesem Gelübde gelöst und doch selbst sich nicht gelöst fühlend,<lb/> bleibt von dem Geliebten durch den Krieg getrennt. Dann siegt freilich<lb/> Totila. er nimmt Rom. er residirt im Capital; sein Gedanke scheint realisirt,<lb/> der Stunde seiner Verbindung mit Valeria ganz nahe gerückt zu sein, da<lb/> zieht mit Narses das Verderben heran; Totila fällt und jenes Kloster Valerias<lb/> bei Taginä wird seine Ruhestätte.</p><lb/> <p xml:id="ID_348" next="#ID_349"> So treten die Hauptvertreter der Gothen als lebendige Menschen hervor,<lb/> deren Schicksale im vollsten Maße die Theilnahme herausfordern. Und das<lb/> ist. wie die Ueberlieferung nun einmal ist, ganz wesentlich Dahn's Verdienst.<lb/> Reiches Material auch für die Darstellung des Persönlichen, boten ihm<lb/> seine Quellen für die byzantinische Seite, aber auch hier gebührt ihm die detail-<lb/> lirtere Ausführung. Justinian schiebt er einigermaßen in den Hintergrund,<lb/> um so bedeutsamer tritt die Kaiserin Theodor« hervor, das lasterhafte, ge¬<lb/> wissenlose, intriguante, frömmelnde Weib, doch nicht ohne einen Zug von<lb/> Größe in ihrer unbezähmbaren Herrschsucht und ihrer unbeschränkten Herr¬<lb/> schaft über Justinian. So wie Dahn sie schildert, war sie sicher in Wirklich¬<lb/> keit. Auch Belisar scheint im Ganzen wohl, wie er war. ein tapfrer Hau¬<lb/> degen, der einzige Held von Byzanz, ehrlich und geradezu — vielleicht zu<lb/> ehrlich —, eben deshalb dem Jntriguenspiel nicht gewachsen, in Ungnade ge¬<lb/> stürzt durch schnöde Hinterlist und von der Blendung nur gerettet durch<lb/> seinen Nebenbuhler Narses. Mit der Darstellung dieses letzteren hat Dahn<lb/> unserer Meinung nach ein Meisterstück geliefert. Wie deutlich tritt er uns<lb/> entgegen, der kleine, kranke, epileptische Mann, der nur an der Krücke geht<lb/> und von seiner Sänfte aus die Schlachten leitet, dabei voll hohen Selbstbe¬<lb/> wußtseins, voll rücksichtsloser Offenheit selbst dem Kaiser, und was noch viel<lb/> gefährlicher, auch der Kaiserin gegenüber, und doch beiden unentbehrlich durch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0129]
regiert die Welt, es giebt keinen Gott -—, überzeugt von dem unvermeidlichen
Untergange seines Volkes, aber entschlossen, das Furchtbare edel zu tragen
und edel zu sterben, seine Trauer ausströmend im Liede. So ringt er über¬
all mit. ein eiserner Held und kämpft als König die letzte Heldenschlacht
am Vesuv, in der er fällt.
Sein Gegenpart und doch sein Freund ist Totila, der .Sonnenjüngling",
der „Siegfried" der Gothen, ein Idealist durch und durch, voll menschlich
warmer Empfindung, voll Güte und Humanität, von Allen geliebt, auch von
den Italienern, und doch von den Gegnern gefürchtet als ein unwiderstehlicher Held.
Er hofft Römer und Gothen zu versöhnen, das Reich Theodorichs wieder zu er¬
öffnen. Es ist symbolisch für diese Hoffnung, daß er eine Römerin, Valeria liebt.
Aber wie das ganze Volk, so verfolgt auch ihn das düstere Schicksal, so
nahe er auch zuweilen seinem politischen und seinem persönlichen Ziele zu sein
scheint: Valeria, früh dem Kloster geweiht, dann durch die Erbauung eines
solchen von diesem Gelübde gelöst und doch selbst sich nicht gelöst fühlend,
bleibt von dem Geliebten durch den Krieg getrennt. Dann siegt freilich
Totila. er nimmt Rom. er residirt im Capital; sein Gedanke scheint realisirt,
der Stunde seiner Verbindung mit Valeria ganz nahe gerückt zu sein, da
zieht mit Narses das Verderben heran; Totila fällt und jenes Kloster Valerias
bei Taginä wird seine Ruhestätte.
So treten die Hauptvertreter der Gothen als lebendige Menschen hervor,
deren Schicksale im vollsten Maße die Theilnahme herausfordern. Und das
ist. wie die Ueberlieferung nun einmal ist, ganz wesentlich Dahn's Verdienst.
Reiches Material auch für die Darstellung des Persönlichen, boten ihm
seine Quellen für die byzantinische Seite, aber auch hier gebührt ihm die detail-
lirtere Ausführung. Justinian schiebt er einigermaßen in den Hintergrund,
um so bedeutsamer tritt die Kaiserin Theodor« hervor, das lasterhafte, ge¬
wissenlose, intriguante, frömmelnde Weib, doch nicht ohne einen Zug von
Größe in ihrer unbezähmbaren Herrschsucht und ihrer unbeschränkten Herr¬
schaft über Justinian. So wie Dahn sie schildert, war sie sicher in Wirklich¬
keit. Auch Belisar scheint im Ganzen wohl, wie er war. ein tapfrer Hau¬
degen, der einzige Held von Byzanz, ehrlich und geradezu — vielleicht zu
ehrlich —, eben deshalb dem Jntriguenspiel nicht gewachsen, in Ungnade ge¬
stürzt durch schnöde Hinterlist und von der Blendung nur gerettet durch
seinen Nebenbuhler Narses. Mit der Darstellung dieses letzteren hat Dahn
unserer Meinung nach ein Meisterstück geliefert. Wie deutlich tritt er uns
entgegen, der kleine, kranke, epileptische Mann, der nur an der Krücke geht
und von seiner Sänfte aus die Schlachten leitet, dabei voll hohen Selbstbe¬
wußtseins, voll rücksichtsloser Offenheit selbst dem Kaiser, und was noch viel
gefährlicher, auch der Kaiserin gegenüber, und doch beiden unentbehrlich durch
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