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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Politiker glaubten hiermit die Theefrage erledigt und meinten, jetzt werde in
Amerika wieder englischer Thee getrunken werden: sie begriffen nicht, daß
Amerika nicht um die Höhe einer Steuer, sondern um das Princip der Be¬
steuerung zu kämpfen gesonnen sei. --

Die Correspondenz-Comites waren so trefflich organisirt. daß daraus
mit leichter Mühe ein Congreß herzustellen gewesen wäre. Bon der Krone
war ja Nichts zu erhoffen, Georg wies die Petittonen von Massachusetts im
Mai 1773, auf seine königliche Prärogative pochend, zurück. Hutchinson's und
Oliver's überall cursirende Briefe zeigten den schnöden Verrath der Beamten
der Krone, ihr Attentat aus die Verfassung der Colonien. Ein Gesuch an
Georg III. ging von Massachusetts im Juni ab, welches die Abberufung
Hutchinson's und Oliver's erbat. stillschweigend beschloß man sich dem auf
dem Ocean herannahenden Theezwange nicht zu fügen um der Reinerhaltung
des Principes wegen. Lange schon dachte Samuel Adams, immer der
Vordermann im Sturm und Drang, an einen Congreß, der baldigst zusam¬
mentreten und die königliche Macht in den Colonien, wo nur die Legislaturen
Macht haben dürften, bestreiten sollte; dieser radikalen Ansicht pflichtete das
Correspondenz-ComitS bei, im gleichen Sinne redete die Presse, sie sprach
bereits von der "Bildung eines unabhängigen Staates, einer amerikanischen
Republik". Das Band zwischen Mutterland und Colonien sollte zerrissen
werden, wenn es nicht auf dem Fuße gleicher Freiheit fortgesponnen werden
könne. Und wenn auch Lord Dartmouth ein herzensguter, den Colonien
freundlicher Mann war, mußte er nicht dem Parlamente und dem Könige ge¬
horchen, und wer wollte für seine Nachfolger bürgen? Darum war man zum
Widerstande gewillt, koste es was es wolle.

Gegen den Thee, jetzt den Handgriff des Despotismus, tobten die
Redner, die Flugblätter, die Geheimvereine und die Clubs (Kaukus). Wer
sich Thee senden ließ, war ein Ausgestoßener und Verfehmter, ein Feind des
Vaterlandes und der Menschenwürde Verächter. Philadelphia erklärte als
größte Stadt den Theezoll am 18. Oktober für verdammt, Jeden der ihn
unterstützen würde für einen Feind des Vaterlandes, leugnete das Steuerrecht
des Parlamentes und zwang die Agenten der osttndischen Compagnie zur
Amtsentsagung. In New-Bork verzichteten Letztere, da sie einsahen, man
werde den Thee gar nicht landen lassen, in Boston aber verweigerten sie den
Verzicht und wurden für Feinde des Vaterlandes am 3. November erklärt.
Das Comite von Boston beschloß mit vier Nachbar-Comites am 22. Nov.
den Thee nicht ans Land zu lassen. Am 28. November kam im Hafen der
"Dartmouth" mit 114 Kisten Thee von der ostindischen Compagnie an;
weil es Sonntag war, ruhte die Opposition, aber der Capitain, ein Quäker,
mußte versprechen bis Dienstag mit der Landung zu warten; Agenten wie


Grenzboten III. 187". 12

Politiker glaubten hiermit die Theefrage erledigt und meinten, jetzt werde in
Amerika wieder englischer Thee getrunken werden: sie begriffen nicht, daß
Amerika nicht um die Höhe einer Steuer, sondern um das Princip der Be¬
steuerung zu kämpfen gesonnen sei. —

Die Correspondenz-Comites waren so trefflich organisirt. daß daraus
mit leichter Mühe ein Congreß herzustellen gewesen wäre. Bon der Krone
war ja Nichts zu erhoffen, Georg wies die Petittonen von Massachusetts im
Mai 1773, auf seine königliche Prärogative pochend, zurück. Hutchinson's und
Oliver's überall cursirende Briefe zeigten den schnöden Verrath der Beamten
der Krone, ihr Attentat aus die Verfassung der Colonien. Ein Gesuch an
Georg III. ging von Massachusetts im Juni ab, welches die Abberufung
Hutchinson's und Oliver's erbat. stillschweigend beschloß man sich dem auf
dem Ocean herannahenden Theezwange nicht zu fügen um der Reinerhaltung
des Principes wegen. Lange schon dachte Samuel Adams, immer der
Vordermann im Sturm und Drang, an einen Congreß, der baldigst zusam¬
mentreten und die königliche Macht in den Colonien, wo nur die Legislaturen
Macht haben dürften, bestreiten sollte; dieser radikalen Ansicht pflichtete das
Correspondenz-ComitS bei, im gleichen Sinne redete die Presse, sie sprach
bereits von der „Bildung eines unabhängigen Staates, einer amerikanischen
Republik". Das Band zwischen Mutterland und Colonien sollte zerrissen
werden, wenn es nicht auf dem Fuße gleicher Freiheit fortgesponnen werden
könne. Und wenn auch Lord Dartmouth ein herzensguter, den Colonien
freundlicher Mann war, mußte er nicht dem Parlamente und dem Könige ge¬
horchen, und wer wollte für seine Nachfolger bürgen? Darum war man zum
Widerstande gewillt, koste es was es wolle.

Gegen den Thee, jetzt den Handgriff des Despotismus, tobten die
Redner, die Flugblätter, die Geheimvereine und die Clubs (Kaukus). Wer
sich Thee senden ließ, war ein Ausgestoßener und Verfehmter, ein Feind des
Vaterlandes und der Menschenwürde Verächter. Philadelphia erklärte als
größte Stadt den Theezoll am 18. Oktober für verdammt, Jeden der ihn
unterstützen würde für einen Feind des Vaterlandes, leugnete das Steuerrecht
des Parlamentes und zwang die Agenten der osttndischen Compagnie zur
Amtsentsagung. In New-Bork verzichteten Letztere, da sie einsahen, man
werde den Thee gar nicht landen lassen, in Boston aber verweigerten sie den
Verzicht und wurden für Feinde des Vaterlandes am 3. November erklärt.
Das Comite von Boston beschloß mit vier Nachbar-Comites am 22. Nov.
den Thee nicht ans Land zu lassen. Am 28. November kam im Hafen der
„Dartmouth" mit 114 Kisten Thee von der ostindischen Compagnie an;
weil es Sonntag war, ruhte die Opposition, aber der Capitain, ein Quäker,
mußte versprechen bis Dienstag mit der Landung zu warten; Agenten wie


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[0097] Politiker glaubten hiermit die Theefrage erledigt und meinten, jetzt werde in Amerika wieder englischer Thee getrunken werden: sie begriffen nicht, daß Amerika nicht um die Höhe einer Steuer, sondern um das Princip der Be¬ steuerung zu kämpfen gesonnen sei. — Die Correspondenz-Comites waren so trefflich organisirt. daß daraus mit leichter Mühe ein Congreß herzustellen gewesen wäre. Bon der Krone war ja Nichts zu erhoffen, Georg wies die Petittonen von Massachusetts im Mai 1773, auf seine königliche Prärogative pochend, zurück. Hutchinson's und Oliver's überall cursirende Briefe zeigten den schnöden Verrath der Beamten der Krone, ihr Attentat aus die Verfassung der Colonien. Ein Gesuch an Georg III. ging von Massachusetts im Juni ab, welches die Abberufung Hutchinson's und Oliver's erbat. stillschweigend beschloß man sich dem auf dem Ocean herannahenden Theezwange nicht zu fügen um der Reinerhaltung des Principes wegen. Lange schon dachte Samuel Adams, immer der Vordermann im Sturm und Drang, an einen Congreß, der baldigst zusam¬ mentreten und die königliche Macht in den Colonien, wo nur die Legislaturen Macht haben dürften, bestreiten sollte; dieser radikalen Ansicht pflichtete das Correspondenz-ComitS bei, im gleichen Sinne redete die Presse, sie sprach bereits von der „Bildung eines unabhängigen Staates, einer amerikanischen Republik". Das Band zwischen Mutterland und Colonien sollte zerrissen werden, wenn es nicht auf dem Fuße gleicher Freiheit fortgesponnen werden könne. Und wenn auch Lord Dartmouth ein herzensguter, den Colonien freundlicher Mann war, mußte er nicht dem Parlamente und dem Könige ge¬ horchen, und wer wollte für seine Nachfolger bürgen? Darum war man zum Widerstande gewillt, koste es was es wolle. Gegen den Thee, jetzt den Handgriff des Despotismus, tobten die Redner, die Flugblätter, die Geheimvereine und die Clubs (Kaukus). Wer sich Thee senden ließ, war ein Ausgestoßener und Verfehmter, ein Feind des Vaterlandes und der Menschenwürde Verächter. Philadelphia erklärte als größte Stadt den Theezoll am 18. Oktober für verdammt, Jeden der ihn unterstützen würde für einen Feind des Vaterlandes, leugnete das Steuerrecht des Parlamentes und zwang die Agenten der osttndischen Compagnie zur Amtsentsagung. In New-Bork verzichteten Letztere, da sie einsahen, man werde den Thee gar nicht landen lassen, in Boston aber verweigerten sie den Verzicht und wurden für Feinde des Vaterlandes am 3. November erklärt. Das Comite von Boston beschloß mit vier Nachbar-Comites am 22. Nov. den Thee nicht ans Land zu lassen. Am 28. November kam im Hafen der „Dartmouth" mit 114 Kisten Thee von der ostindischen Compagnie an; weil es Sonntag war, ruhte die Opposition, aber der Capitain, ein Quäker, mußte versprechen bis Dienstag mit der Landung zu warten; Agenten wie Grenzboten III. 187«. 12

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/97>, abgerufen am 27.09.2024.