Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

aber für strengste Behauptung der souverainen Autorität des Mutterstaates
über die Colonien. Pitt ging so weit, Gott für die Opposition Amerikas
zu danken und sich darüber zu freuen, da sonst hier und bald auch in Irland
Bürger zu Sklaven würden. Zum Unheile Englands war Georg III. nicht
dazu zu bewegen, mit Pitt über Amerika zu berathschlagen, und das Parla¬
ment war schroff genug, trotz Pitt's Befürwortung, über die Vorlagen des
New-Uorker Congresses zur Tagesordnung überzugehen. Im Oberhause sprach
zwar Shelburne für die Aufhebung der Stempelakte, ja Baron Camden griff
die Idee einer amerikanischen Steuer an und sagte: Amerika fühlt recht wohl,
daß es besser ohne England leben kann als England ohne Amerika, und das
Haus mag sich daran erinnern, daß gerade aus Unbeugsamkeit der Wiener
Hof die Niederlande verloren hat -- aber der Lordkanzler Northington war
für die absolute Abhängigkeit der Colonien vom Parlamente, und die Ent¬
scheidung brachte Lord Mansfield.

Dieser gewaltige Jurist und Redner verfocht in conservativsten Sinne
das historisch Gewordene und Bestehende, also die Herrschaft Englands in >
Amerika; er setzte auseinander, der Wunsch Amerikas im Parlamente ver¬
treten zu werden involvire eine totale Reform des Unterhauses, und offen
deutete er auf die Möglichkeit eines englisch-amerikanischen Krieges hin.
Mansfield's Ansicht pflichteten 125 Lords gegen fünf bet, und das Unterhaus
blieb fast einstimmig derselben Meinung. Grenville's Politik schien gerecht¬
fertigt und Amerika der Willkür des Parlamentes preisgegeben. Jetzt aber
war plötzlich der unberechenbare König für Modifikation der Stempelakte --
hiervon mochte jedoch Amerika ebenso wenig wissen wie von ihrer Einführung.
Für absolute Abschaffung sprach Franklin am 13. Febr. im Unterhause, als er
über die amerikanischen Verhältnisse ausgeforscht wurde; er zeigte, wie die
bisherige Liebe und Treue Amerikas sich wesentlich vermindert habe und wie
die Beibehaltung der Stempelakte die Achtung und Zuneigung für England
wie den Handel Englands mit seinen Colonien vernichten würde, denn nie
zahle man diese Steuer, nie könne England sie durch die Waffen erzwingen,
aber eine Rebellion könne ihr Resultat werden. Durch sein kühnes und ge¬
wandtes Auftreten errang Franklin den Sieg; für den englischen Handel,
der unter der Stempelakte schwer litt, besorgt, beantragte der Minister Cor"
way ihre Aufhebung, Pitt unterstützte ihn mit Wärme, und obgleich Grenville
das Schimpfliche eines Triumphs Amerikas über England hervorhob, wurde
die Akte mit 275 gegen 167 Stimmen ausgehoben. Am 11. März schlossen sich
die Lords diesem Beschlusse mit 105 gegen 71 Votirende an und am 18. März
ratificiere ihn Georg, gleichzeitig aber eine Bill, welche das Recht von König
und Parlament wahrte, stets Gesetze und Anordnungen für die Colonien als
Kronunterthanen zu erlassen.


aber für strengste Behauptung der souverainen Autorität des Mutterstaates
über die Colonien. Pitt ging so weit, Gott für die Opposition Amerikas
zu danken und sich darüber zu freuen, da sonst hier und bald auch in Irland
Bürger zu Sklaven würden. Zum Unheile Englands war Georg III. nicht
dazu zu bewegen, mit Pitt über Amerika zu berathschlagen, und das Parla¬
ment war schroff genug, trotz Pitt's Befürwortung, über die Vorlagen des
New-Uorker Congresses zur Tagesordnung überzugehen. Im Oberhause sprach
zwar Shelburne für die Aufhebung der Stempelakte, ja Baron Camden griff
die Idee einer amerikanischen Steuer an und sagte: Amerika fühlt recht wohl,
daß es besser ohne England leben kann als England ohne Amerika, und das
Haus mag sich daran erinnern, daß gerade aus Unbeugsamkeit der Wiener
Hof die Niederlande verloren hat — aber der Lordkanzler Northington war
für die absolute Abhängigkeit der Colonien vom Parlamente, und die Ent¬
scheidung brachte Lord Mansfield.

Dieser gewaltige Jurist und Redner verfocht in conservativsten Sinne
das historisch Gewordene und Bestehende, also die Herrschaft Englands in >
Amerika; er setzte auseinander, der Wunsch Amerikas im Parlamente ver¬
treten zu werden involvire eine totale Reform des Unterhauses, und offen
deutete er auf die Möglichkeit eines englisch-amerikanischen Krieges hin.
Mansfield's Ansicht pflichteten 125 Lords gegen fünf bet, und das Unterhaus
blieb fast einstimmig derselben Meinung. Grenville's Politik schien gerecht¬
fertigt und Amerika der Willkür des Parlamentes preisgegeben. Jetzt aber
war plötzlich der unberechenbare König für Modifikation der Stempelakte —
hiervon mochte jedoch Amerika ebenso wenig wissen wie von ihrer Einführung.
Für absolute Abschaffung sprach Franklin am 13. Febr. im Unterhause, als er
über die amerikanischen Verhältnisse ausgeforscht wurde; er zeigte, wie die
bisherige Liebe und Treue Amerikas sich wesentlich vermindert habe und wie
die Beibehaltung der Stempelakte die Achtung und Zuneigung für England
wie den Handel Englands mit seinen Colonien vernichten würde, denn nie
zahle man diese Steuer, nie könne England sie durch die Waffen erzwingen,
aber eine Rebellion könne ihr Resultat werden. Durch sein kühnes und ge¬
wandtes Auftreten errang Franklin den Sieg; für den englischen Handel,
der unter der Stempelakte schwer litt, besorgt, beantragte der Minister Cor«
way ihre Aufhebung, Pitt unterstützte ihn mit Wärme, und obgleich Grenville
das Schimpfliche eines Triumphs Amerikas über England hervorhob, wurde
die Akte mit 275 gegen 167 Stimmen ausgehoben. Am 11. März schlossen sich
die Lords diesem Beschlusse mit 105 gegen 71 Votirende an und am 18. März
ratificiere ihn Georg, gleichzeitig aber eine Bill, welche das Recht von König
und Parlament wahrte, stets Gesetze und Anordnungen für die Colonien als
Kronunterthanen zu erlassen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0060" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136171"/>
          <p xml:id="ID_125" prev="#ID_124"> aber für strengste Behauptung der souverainen Autorität des Mutterstaates<lb/>
über die Colonien. Pitt ging so weit, Gott für die Opposition Amerikas<lb/>
zu danken und sich darüber zu freuen, da sonst hier und bald auch in Irland<lb/>
Bürger zu Sklaven würden. Zum Unheile Englands war Georg III. nicht<lb/>
dazu zu bewegen, mit Pitt über Amerika zu berathschlagen, und das Parla¬<lb/>
ment war schroff genug, trotz Pitt's Befürwortung, über die Vorlagen des<lb/>
New-Uorker Congresses zur Tagesordnung überzugehen. Im Oberhause sprach<lb/>
zwar Shelburne für die Aufhebung der Stempelakte, ja Baron Camden griff<lb/>
die Idee einer amerikanischen Steuer an und sagte: Amerika fühlt recht wohl,<lb/>
daß es besser ohne England leben kann als England ohne Amerika, und das<lb/>
Haus mag sich daran erinnern, daß gerade aus Unbeugsamkeit der Wiener<lb/>
Hof die Niederlande verloren hat &#x2014; aber der Lordkanzler Northington war<lb/>
für die absolute Abhängigkeit der Colonien vom Parlamente, und die Ent¬<lb/>
scheidung brachte Lord Mansfield.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_126"> Dieser gewaltige Jurist und Redner verfocht in conservativsten Sinne<lb/>
das historisch Gewordene und Bestehende, also die Herrschaft Englands in &gt;<lb/>
Amerika; er setzte auseinander, der Wunsch Amerikas im Parlamente ver¬<lb/>
treten zu werden involvire eine totale Reform des Unterhauses, und offen<lb/>
deutete er auf die Möglichkeit eines englisch-amerikanischen Krieges hin.<lb/>
Mansfield's Ansicht pflichteten 125 Lords gegen fünf bet, und das Unterhaus<lb/>
blieb fast einstimmig derselben Meinung. Grenville's Politik schien gerecht¬<lb/>
fertigt und Amerika der Willkür des Parlamentes preisgegeben. Jetzt aber<lb/>
war plötzlich der unberechenbare König für Modifikation der Stempelakte &#x2014;<lb/>
hiervon mochte jedoch Amerika ebenso wenig wissen wie von ihrer Einführung.<lb/>
Für absolute Abschaffung sprach Franklin am 13. Febr. im Unterhause, als er<lb/>
über die amerikanischen Verhältnisse ausgeforscht wurde; er zeigte, wie die<lb/>
bisherige Liebe und Treue Amerikas sich wesentlich vermindert habe und wie<lb/>
die Beibehaltung der Stempelakte die Achtung und Zuneigung für England<lb/>
wie den Handel Englands mit seinen Colonien vernichten würde, denn nie<lb/>
zahle man diese Steuer, nie könne England sie durch die Waffen erzwingen,<lb/>
aber eine Rebellion könne ihr Resultat werden. Durch sein kühnes und ge¬<lb/>
wandtes Auftreten errang Franklin den Sieg; für den englischen Handel,<lb/>
der unter der Stempelakte schwer litt, besorgt, beantragte der Minister Cor«<lb/>
way ihre Aufhebung, Pitt unterstützte ihn mit Wärme, und obgleich Grenville<lb/>
das Schimpfliche eines Triumphs Amerikas über England hervorhob, wurde<lb/>
die Akte mit 275 gegen 167 Stimmen ausgehoben. Am 11. März schlossen sich<lb/>
die Lords diesem Beschlusse mit 105 gegen 71 Votirende an und am 18. März<lb/>
ratificiere ihn Georg, gleichzeitig aber eine Bill, welche das Recht von König<lb/>
und Parlament wahrte, stets Gesetze und Anordnungen für die Colonien als<lb/>
Kronunterthanen zu erlassen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0060] aber für strengste Behauptung der souverainen Autorität des Mutterstaates über die Colonien. Pitt ging so weit, Gott für die Opposition Amerikas zu danken und sich darüber zu freuen, da sonst hier und bald auch in Irland Bürger zu Sklaven würden. Zum Unheile Englands war Georg III. nicht dazu zu bewegen, mit Pitt über Amerika zu berathschlagen, und das Parla¬ ment war schroff genug, trotz Pitt's Befürwortung, über die Vorlagen des New-Uorker Congresses zur Tagesordnung überzugehen. Im Oberhause sprach zwar Shelburne für die Aufhebung der Stempelakte, ja Baron Camden griff die Idee einer amerikanischen Steuer an und sagte: Amerika fühlt recht wohl, daß es besser ohne England leben kann als England ohne Amerika, und das Haus mag sich daran erinnern, daß gerade aus Unbeugsamkeit der Wiener Hof die Niederlande verloren hat — aber der Lordkanzler Northington war für die absolute Abhängigkeit der Colonien vom Parlamente, und die Ent¬ scheidung brachte Lord Mansfield. Dieser gewaltige Jurist und Redner verfocht in conservativsten Sinne das historisch Gewordene und Bestehende, also die Herrschaft Englands in > Amerika; er setzte auseinander, der Wunsch Amerikas im Parlamente ver¬ treten zu werden involvire eine totale Reform des Unterhauses, und offen deutete er auf die Möglichkeit eines englisch-amerikanischen Krieges hin. Mansfield's Ansicht pflichteten 125 Lords gegen fünf bet, und das Unterhaus blieb fast einstimmig derselben Meinung. Grenville's Politik schien gerecht¬ fertigt und Amerika der Willkür des Parlamentes preisgegeben. Jetzt aber war plötzlich der unberechenbare König für Modifikation der Stempelakte — hiervon mochte jedoch Amerika ebenso wenig wissen wie von ihrer Einführung. Für absolute Abschaffung sprach Franklin am 13. Febr. im Unterhause, als er über die amerikanischen Verhältnisse ausgeforscht wurde; er zeigte, wie die bisherige Liebe und Treue Amerikas sich wesentlich vermindert habe und wie die Beibehaltung der Stempelakte die Achtung und Zuneigung für England wie den Handel Englands mit seinen Colonien vernichten würde, denn nie zahle man diese Steuer, nie könne England sie durch die Waffen erzwingen, aber eine Rebellion könne ihr Resultat werden. Durch sein kühnes und ge¬ wandtes Auftreten errang Franklin den Sieg; für den englischen Handel, der unter der Stempelakte schwer litt, besorgt, beantragte der Minister Cor« way ihre Aufhebung, Pitt unterstützte ihn mit Wärme, und obgleich Grenville das Schimpfliche eines Triumphs Amerikas über England hervorhob, wurde die Akte mit 275 gegen 167 Stimmen ausgehoben. Am 11. März schlossen sich die Lords diesem Beschlusse mit 105 gegen 71 Votirende an und am 18. März ratificiere ihn Georg, gleichzeitig aber eine Bill, welche das Recht von König und Parlament wahrte, stets Gesetze und Anordnungen für die Colonien als Kronunterthanen zu erlassen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/60
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/60>, abgerufen am 27.09.2024.