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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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halb er sich Afrika zum Gegenstande wählte. Er trieb den Scherz so weit,
daß er in dem Saale, wo er sprach, eine Karte von Afrika anbringen ließ.
Nachdem sich sein Publicum versammelt hatte, trat Artemus mit einer Rolle
weißen Papiers auf die Bühne, womit er während des Bortrags herumzu¬
fuchteln gewohnt war. Sehr ernst begann er: "Ich habe Sie eingeladen,
einem Vortrag über Afrika zuzuhören, dessen Abkömmlinge gegenwärtig alle
Gemüther beschäftigen. Afrika also ist mein Thema. Es ist ein hochbe-
^deutsames Thema. Es hat den Atlantischen Ocean zur Linken und den In-
dischen Ocean zur Rechten und an seinem Südzipfel mehr Wasser, als Sie
jemals ausmessen könnten. Afrika erzeugt Schwarze -- Elfenbeinschwarze --
sie holen Elfenbein. Ein anderes Erzeugniß sind Wüsten" u. s. w. , damit
begann eine überaus komische Reihenfolge von Wortspielen und Witzen. Aber
kein Wort mehr von Afrika bis gegen das Ende hin, wo der Redner schloß:
"Afrika, meine Damen und Herren, ist mein Gegenstand. Sie wollen von
mir Etwas über Afrika hören. Afrika ist auf der Landkarte -- es ist auf
allen Karten von Afrika, die ich gesehen habe. Sie können eine gute Karte
von Afrika für einen Dollar erwerben, und wenn Sie dieselbe fleißig studiren,
so werden Sie mehr von Afrika wissen als ich. Es ist ein inhaltreicher Gegen¬
stand, zu ungeheuer für mich, kann ich Ihnen versichern, um sich heut Abend
bewältigen zu lassen. Sie verlangen das auch nicht von mir -- ich fühle
^les. daß Sie das nicht verlangen, und ich bin sehr zartfühlend. Wenn Sie
nach Hause gehen und sich zu Bette legen, so wird es besser für Sie sein, als
wenn Sie mit mir nach Afrika gehen."

Bei seinen Borträgen in England erschien Browne als der vollendete
Gentleman. "Sehr enttäuscht fühlten sich die, welche seine angeblichen Er¬
lebnisse als Aussteller von Wachsfiguren und Schlangen gelesen oder sich nach
den abgeschmackten Bildern, die man einigen von den zahlreichen Ausgaben
seiner früheren Schriften beigegeben, ihre Borstellung von seinem Aeußeren
und seinem Auftreten gebildet hatten. Seine Haltung hatte nichts von dem
Schaubudenmanne, von dem pfiffigen, aber ungeschlachten Uankee, der die
derbe Betsy Jane geheirathet hatte. Er sah aus, benahm sich und sprach
wie ein Mann, der lange Zeit in der guten Gesellschaft der europäischen
Großstädte gelebt hat. Man hörte seiner Rede kaum den Dankes an, und
sorgfältig vermied er die Großsprecherei, in die manche seiner Landsleute oft,
ohne es zu merken, verfallen. Wie sehr er auch sein Publicum lachen sah,
auf seinem Gesichte zeigte sich kein Lächeln. Er war ernst bis zur Feierlich¬
keit, während er die köstlichsten Ungereimtheiten, die tollsten Schnurren zum
Besten gab. Seine anscheinende Gleichgültigkeit gegen das, was er sagte,
die gelungene Art, mit der er die besten Witze von seinen Lippen fallen ließ,
als ob er gar nicht wüßte, daß sie überhaupt Witze wären, seine Selbstbe-


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halb er sich Afrika zum Gegenstande wählte. Er trieb den Scherz so weit,
daß er in dem Saale, wo er sprach, eine Karte von Afrika anbringen ließ.
Nachdem sich sein Publicum versammelt hatte, trat Artemus mit einer Rolle
weißen Papiers auf die Bühne, womit er während des Bortrags herumzu¬
fuchteln gewohnt war. Sehr ernst begann er: „Ich habe Sie eingeladen,
einem Vortrag über Afrika zuzuhören, dessen Abkömmlinge gegenwärtig alle
Gemüther beschäftigen. Afrika also ist mein Thema. Es ist ein hochbe-
^deutsames Thema. Es hat den Atlantischen Ocean zur Linken und den In-
dischen Ocean zur Rechten und an seinem Südzipfel mehr Wasser, als Sie
jemals ausmessen könnten. Afrika erzeugt Schwarze — Elfenbeinschwarze —
sie holen Elfenbein. Ein anderes Erzeugniß sind Wüsten" u. s. w. , damit
begann eine überaus komische Reihenfolge von Wortspielen und Witzen. Aber
kein Wort mehr von Afrika bis gegen das Ende hin, wo der Redner schloß:
„Afrika, meine Damen und Herren, ist mein Gegenstand. Sie wollen von
mir Etwas über Afrika hören. Afrika ist auf der Landkarte — es ist auf
allen Karten von Afrika, die ich gesehen habe. Sie können eine gute Karte
von Afrika für einen Dollar erwerben, und wenn Sie dieselbe fleißig studiren,
so werden Sie mehr von Afrika wissen als ich. Es ist ein inhaltreicher Gegen¬
stand, zu ungeheuer für mich, kann ich Ihnen versichern, um sich heut Abend
bewältigen zu lassen. Sie verlangen das auch nicht von mir — ich fühle
^les. daß Sie das nicht verlangen, und ich bin sehr zartfühlend. Wenn Sie
nach Hause gehen und sich zu Bette legen, so wird es besser für Sie sein, als
wenn Sie mit mir nach Afrika gehen."

Bei seinen Borträgen in England erschien Browne als der vollendete
Gentleman. „Sehr enttäuscht fühlten sich die, welche seine angeblichen Er¬
lebnisse als Aussteller von Wachsfiguren und Schlangen gelesen oder sich nach
den abgeschmackten Bildern, die man einigen von den zahlreichen Ausgaben
seiner früheren Schriften beigegeben, ihre Borstellung von seinem Aeußeren
und seinem Auftreten gebildet hatten. Seine Haltung hatte nichts von dem
Schaubudenmanne, von dem pfiffigen, aber ungeschlachten Uankee, der die
derbe Betsy Jane geheirathet hatte. Er sah aus, benahm sich und sprach
wie ein Mann, der lange Zeit in der guten Gesellschaft der europäischen
Großstädte gelebt hat. Man hörte seiner Rede kaum den Dankes an, und
sorgfältig vermied er die Großsprecherei, in die manche seiner Landsleute oft,
ohne es zu merken, verfallen. Wie sehr er auch sein Publicum lachen sah,
auf seinem Gesichte zeigte sich kein Lächeln. Er war ernst bis zur Feierlich¬
keit, während er die köstlichsten Ungereimtheiten, die tollsten Schnurren zum
Besten gab. Seine anscheinende Gleichgültigkeit gegen das, was er sagte,
die gelungene Art, mit der er die besten Witze von seinen Lippen fallen ließ,
als ob er gar nicht wüßte, daß sie überhaupt Witze wären, seine Selbstbe-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/521>, abgerufen am 27.09.2024.