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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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lich wäre, so würde die Politik der Vereinigten Staaten zu verlangen scheinen,
daß man ohne Aufschub mit der Verhandlung begänne. Indem ich den
Gegenstand in diesem Lichte betrachtete und mich zu gleicher Zeit der großen
finanziellen Verlegenheiten erinnerte, unter denen die hiesige Regierung leidet,
ist mir der Gedanke gekommen, daß das Anerbieten einer beträchtlichen Dar¬
leihung von Geld unter der Bedingung einer zeitweiligen Abtretung der Insel
als Depositum und Pfandobjeet in Betreff der Zurückzahlung des geliehenen
Geldes so viel Aussicht und Erfolg haben würde als irgend welcher andere
Vorschlag hinsichtlich des Gegenstandes. Man könnte sttpuliren, daß die
Verzinsung aus den Einkünften der Insel zu nehmen wäre, die sich auf vier
bis fünf Millionen Dollars belaufen sollen"), und daß, wenn das Geld nicht
innerhalb einer ziemlich lange hinausgeschobenen Zeit zurückerstattet wäre, die
Vereinigten Staaten mit der vollständigen Souveränität bekleidet werden soll¬
ten. In Anbetracht des Charakters der spanischen Regierung und ihres allge¬
meinen Verwaltungssystems würde eine derartige Abtretung, begleitet von
einer sofortigen Ausantwortung des Besitzrechts, was uns betrifft, einer
unmittelbaren Abtretung der ganzen Souveränität gleichkommen. In den
Augen der spanischen Regierung könnte sie vielleicht ein angenehmeres Aus¬
sehen haben. Sie würde ihr die folgenden beiden großen Vortheile dar¬
bieten:

1) Die Erlangung eines Darlehns, das hinreicht, ihren unmittelbaren
Bedürfnissen unter guten Bedingungen gerecht zu werden -- eine Sache, die
absolut unumgänglich ist, die augenscheinlich sich auf keine andere Weise,
unter keinerlei andern Bedingungen ermöglichen läßt, und die, wenn sie in
Wirklichkeit auf irgend eine andere Weise zu Stande gebracht wird, vom
Standpunkte der Vorsicht betrachtet, eine Transaetton vom verzweifeltsten
Charakter sein muß. Dieser Vortheil ist keineswegs ein letchtwtegender, da
es sogar unmöglich scheint, sich eine Vorstellung zu machen, wie die hiesige
Regierung ohne neue Hülfsauellen weiter verkommen soll.

2) Der zweite Vortheil würde die Versicherung sein, daß man die Insel
im Fall der Rückzahlung des Geldes behielte. Welches Vertrauen die hiesige
Regierung auch auf die Erfolge ihres Colonialsystems zur Schau tragen mag,
ist es doch unmöglich, daß sie blind gegen die große Gefahr sein sollte, die
Inseln"*) zu verlieren. Sie mag nicht so fest wie wahrscheinlich die meisten
Fremden von der moralischen Unmöglichkeit überzeugt sein, in zwanzig Jahren
von jetzt ab gerechnet fünfzeh" oder zwanzig Millionen Dollars zurückzahlen




") Die Einkünfte der Insel Cuba werden jetzt auf zwanzig Millionen Dollars ver¬
anschlagt.
Tuba und Porto Rico sind gemeint.

lich wäre, so würde die Politik der Vereinigten Staaten zu verlangen scheinen,
daß man ohne Aufschub mit der Verhandlung begänne. Indem ich den
Gegenstand in diesem Lichte betrachtete und mich zu gleicher Zeit der großen
finanziellen Verlegenheiten erinnerte, unter denen die hiesige Regierung leidet,
ist mir der Gedanke gekommen, daß das Anerbieten einer beträchtlichen Dar¬
leihung von Geld unter der Bedingung einer zeitweiligen Abtretung der Insel
als Depositum und Pfandobjeet in Betreff der Zurückzahlung des geliehenen
Geldes so viel Aussicht und Erfolg haben würde als irgend welcher andere
Vorschlag hinsichtlich des Gegenstandes. Man könnte sttpuliren, daß die
Verzinsung aus den Einkünften der Insel zu nehmen wäre, die sich auf vier
bis fünf Millionen Dollars belaufen sollen"), und daß, wenn das Geld nicht
innerhalb einer ziemlich lange hinausgeschobenen Zeit zurückerstattet wäre, die
Vereinigten Staaten mit der vollständigen Souveränität bekleidet werden soll¬
ten. In Anbetracht des Charakters der spanischen Regierung und ihres allge¬
meinen Verwaltungssystems würde eine derartige Abtretung, begleitet von
einer sofortigen Ausantwortung des Besitzrechts, was uns betrifft, einer
unmittelbaren Abtretung der ganzen Souveränität gleichkommen. In den
Augen der spanischen Regierung könnte sie vielleicht ein angenehmeres Aus¬
sehen haben. Sie würde ihr die folgenden beiden großen Vortheile dar¬
bieten:

1) Die Erlangung eines Darlehns, das hinreicht, ihren unmittelbaren
Bedürfnissen unter guten Bedingungen gerecht zu werden — eine Sache, die
absolut unumgänglich ist, die augenscheinlich sich auf keine andere Weise,
unter keinerlei andern Bedingungen ermöglichen läßt, und die, wenn sie in
Wirklichkeit auf irgend eine andere Weise zu Stande gebracht wird, vom
Standpunkte der Vorsicht betrachtet, eine Transaetton vom verzweifeltsten
Charakter sein muß. Dieser Vortheil ist keineswegs ein letchtwtegender, da
es sogar unmöglich scheint, sich eine Vorstellung zu machen, wie die hiesige
Regierung ohne neue Hülfsauellen weiter verkommen soll.

2) Der zweite Vortheil würde die Versicherung sein, daß man die Insel
im Fall der Rückzahlung des Geldes behielte. Welches Vertrauen die hiesige
Regierung auch auf die Erfolge ihres Colonialsystems zur Schau tragen mag,
ist es doch unmöglich, daß sie blind gegen die große Gefahr sein sollte, die
Inseln"*) zu verlieren. Sie mag nicht so fest wie wahrscheinlich die meisten
Fremden von der moralischen Unmöglichkeit überzeugt sein, in zwanzig Jahren
von jetzt ab gerechnet fünfzeh« oder zwanzig Millionen Dollars zurückzahlen




") Die Einkünfte der Insel Cuba werden jetzt auf zwanzig Millionen Dollars ver¬
anschlagt.
Tuba und Porto Rico sind gemeint.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/500>, abgerufen am 27.09.2024.