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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Alle haben es als eine ausgemachte Sache angesehen, daß die amerikanische
Regierung zu keiner andern Veränderung in der politischen Stellung Cubas
ihre Einwilligung geben könnte, als zu einer solchen, welche sie unter die
Jurisdiktion der Vereinigten Staaten stellen würde. Diese Ansicht von der
Sache ist in meinen Jnstructionen stark betont. Der Art also sind die
ersten Betrachtungen, die sich in Betreff unsrer Beziehungen zu der Insel
Cuba darbieten. Die nächsten in der Reihe führen dahin, daß es in Folge
des innern Zustandes der Insel, des hartnäckigen Festhaltens Spaniens am
Colonialsystem und der zunehmenden Stärke der neuen Staaten unmöglich
ist, daß die Insel in ihrer gegenwärtigen Lage verbleiben kann. Es darf als
sicher angenommen werden, daß der Krieg unbestimmte Zeit fortgesetzt werden
wird. Sehr wahrscheinlich ist, daß ein halbes Jahrhundert vergeht, bevor
Spanien die Unabhängigkeit der Colonien anerkennt.*) Andererseits ist es
ganz klar und ist auch die in meinen Jnstructionen ausgedrückte Meinung
der Regierung, daß die Lage der Insel, so lange der Krieg dauert, im höchsten
Grade gefährdet ist, daß sie sich mit jedem Jahre ja mit jedem Monate ändern
und daß sie so, wie sie ist, nicht länger als zwei oder drei Jahre
bleiben kann. Die weiße Bevölkerung bildet einen zu kleinen Bruchtheil der
ganzen Zahl, um sich zu einem unabhängigen Staate constituiren zu können,
^le Insel muß daher, sobald sie ihr jetziges Verhältniß ändert, in eins von
zwei andern eintreten. Sie muß entweder in die Hände einer von Spanien
verschiedenen Macht fallen, wie wahrscheinlich Mexiko oder Columbia, oder
eine unabhängige Monarchie von Spanien werden. Keiner von beiden
Theilen dieser Alternative kann als zulässig betrachtet werden, und ein Blick
auf unsere gegenwärtigen Beziehungen zu der Insel bietet daher folgende Er¬
gebnisse dar:

1) Die Lage der Insel muß sich unausbleiblich binnen zwei bis drei
Jahren und kann sich in jedem Augenblicke ändern.

2) Keine Veränderung kann ohne Einmischung der Vereinigten Staaten
und ohne daß diese sie als zulässig erachten, stattfinden.

Aus diesen Prämissen scheint sich der nothwendige Schluß zu ergeben, daß es
die Politik und die Pflicht der Vereinigten Staaten ist, den Versuch zu machen, ohne
Zeitverlust auf friedlichem Wege in den Besitz der Insel zu gelangen. Wenn
sie dabei keinen Erfolg haben, so ist es moralisch sicher, daß sie in nicht sehr
ferner Zeit genöthigt sein werden, dasselbe Ziel in gehässigerer Weise zu er¬
reichen und auf die Gefahr hin in Verwickelungen mit einer oder einigen der
europäischen Großmächte zu gerathen. Die Hauptfrage ist daher, ob dem
spanischen Ministerium eine Entschädigung solcher Art angeboten werden
könnte, daß es sich bewogen fände, die Insel abzutreten. Wenn dies mög-



") Die Unabhängigkeit Mexikos wurde am 28. December 1836 anerkannt.

Alle haben es als eine ausgemachte Sache angesehen, daß die amerikanische
Regierung zu keiner andern Veränderung in der politischen Stellung Cubas
ihre Einwilligung geben könnte, als zu einer solchen, welche sie unter die
Jurisdiktion der Vereinigten Staaten stellen würde. Diese Ansicht von der
Sache ist in meinen Jnstructionen stark betont. Der Art also sind die
ersten Betrachtungen, die sich in Betreff unsrer Beziehungen zu der Insel
Cuba darbieten. Die nächsten in der Reihe führen dahin, daß es in Folge
des innern Zustandes der Insel, des hartnäckigen Festhaltens Spaniens am
Colonialsystem und der zunehmenden Stärke der neuen Staaten unmöglich
ist, daß die Insel in ihrer gegenwärtigen Lage verbleiben kann. Es darf als
sicher angenommen werden, daß der Krieg unbestimmte Zeit fortgesetzt werden
wird. Sehr wahrscheinlich ist, daß ein halbes Jahrhundert vergeht, bevor
Spanien die Unabhängigkeit der Colonien anerkennt.*) Andererseits ist es
ganz klar und ist auch die in meinen Jnstructionen ausgedrückte Meinung
der Regierung, daß die Lage der Insel, so lange der Krieg dauert, im höchsten
Grade gefährdet ist, daß sie sich mit jedem Jahre ja mit jedem Monate ändern
und daß sie so, wie sie ist, nicht länger als zwei oder drei Jahre
bleiben kann. Die weiße Bevölkerung bildet einen zu kleinen Bruchtheil der
ganzen Zahl, um sich zu einem unabhängigen Staate constituiren zu können,
^le Insel muß daher, sobald sie ihr jetziges Verhältniß ändert, in eins von
zwei andern eintreten. Sie muß entweder in die Hände einer von Spanien
verschiedenen Macht fallen, wie wahrscheinlich Mexiko oder Columbia, oder
eine unabhängige Monarchie von Spanien werden. Keiner von beiden
Theilen dieser Alternative kann als zulässig betrachtet werden, und ein Blick
auf unsere gegenwärtigen Beziehungen zu der Insel bietet daher folgende Er¬
gebnisse dar:

1) Die Lage der Insel muß sich unausbleiblich binnen zwei bis drei
Jahren und kann sich in jedem Augenblicke ändern.

2) Keine Veränderung kann ohne Einmischung der Vereinigten Staaten
und ohne daß diese sie als zulässig erachten, stattfinden.

Aus diesen Prämissen scheint sich der nothwendige Schluß zu ergeben, daß es
die Politik und die Pflicht der Vereinigten Staaten ist, den Versuch zu machen, ohne
Zeitverlust auf friedlichem Wege in den Besitz der Insel zu gelangen. Wenn
sie dabei keinen Erfolg haben, so ist es moralisch sicher, daß sie in nicht sehr
ferner Zeit genöthigt sein werden, dasselbe Ziel in gehässigerer Weise zu er¬
reichen und auf die Gefahr hin in Verwickelungen mit einer oder einigen der
europäischen Großmächte zu gerathen. Die Hauptfrage ist daher, ob dem
spanischen Ministerium eine Entschädigung solcher Art angeboten werden
könnte, daß es sich bewogen fände, die Insel abzutreten. Wenn dies mög-



") Die Unabhängigkeit Mexikos wurde am 28. December 1836 anerkannt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/499>, abgerufen am 27.09.2024.