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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Vertretungen im Sachsenlande fast ganz beseitigten und damit den Grund
zu einer "sächsischen Bureaukratie" legten, die von den alten Behörden sich
weit entfernte.

Da kam mit dem Sturmjahre 1848 die Frage der "Union" Ungarns
mit Siebenbürgen wieder in Fluß. Aber auch jetzt sollte die sächsische Ver¬
fassung nicht angetastet werden. Denn der ungarische Landtag verpflichtete
sich damals ausdrücklich, "alle jene besonderen Gesetze und Freiheiten Sieben¬
bürgens, welche die vollständige Vereinigung nicht hindern und der nationalen
Freiheit und Rechtsgleichheit nicht abträglich sind, anzuerkennen und auf¬
rechtzuerhalten " (VII. Gesetzartikel §, 5 von 1848). Ebenso machte der
siebenbürger Landtag durch Beschluß vom 20. Juni den Antrag der Sachsen,
daß ihr Gebiet auch künftig ein untrennbares Ganze zu bilden habe, zu
dem seinigen, und beauftragte die zu der Regelung der Union bestellte Landes-
commisston, dahin zu wirken, daß durch das ungarische Ministerium dem
nächsten gemeinsamen Landtage ein Gesetzentwurf auf dieser Grundlage vor¬
gelegt werde. In der That sanctionirte der König das Unionsgesetz, da
brach die Revolution aus und stellte alles Gewonnene in Frage. Die Sachsen
standen im Bürgerkriege da, wo sie stehen mußten, auf Seite des deutschen
Herrscherhauses gegen die Magyaren, auch ihr Gebiet wurde der Schauplatz
blutigen Kampfes. Als die Wiener Regierung gesiegt hatte und nun die
Verfassung des Jahres 1848 sammt der Union aufhob, war es demnach nun
natürlich, daß sie sich in Siebenbürgen den Magyaren gegenüber auf die
Sachsen und Romanen stützte. Das Deutsche wurde zur Amtssprache erhoben,
sächsische und romanische Beamte über das ganze Land vertheilt, alle höheren
Aemter in Hermannstadt concentrirt, ja man dachte daran, das Sachsenland
als gesondertes Kronland direct unter die Wiener Regierung zu stellen.
Zwar erkannte dann das Octoberdiplom (20. October 1860) die constitutio-
nellen Grundlagen in Ungarn und Siebenbürgen wieder an, hob die Bevor¬
rechtung des Deutschen wieder auf und Klausenburg wurde wieder Hauptstadt.
Da aber die volle Verständigung mit Ungarn mißlang, so dauerte der Kampf
der Regierung gegen die Magyaren auch in Siebenbürgen fort. Ebendeshalb
wurde die sächsische Nationsuniversität in früherer Weise wieder hergestellt
(Juli 1861); dem Streben derselben nach möglichster Selbständigkeit kam man
mit Wohlwollen entgegen, wie denn auch für die Romanen ein abgeschlossnes
nationales Territorium in Aussicht genommen wurde, die sächsischen Abge¬
ordneten erschienen im Wiener Retchsrathe. Als dann 1865 mit Ungarn ein
neuer Versuch gemacht wurde, ward dem ungarischen Reichstage auch der über
die Union mit Siebenbürgen handelnde Gesetzartikel von 1848 vorgelegt, und
der zu demselben Zwecke in Klausenburg versammelte siebenbürgische Land¬
tag erhob die Forderungen der sächsischen Nation bezüglich Aufrechterhaltung


Vertretungen im Sachsenlande fast ganz beseitigten und damit den Grund
zu einer „sächsischen Bureaukratie" legten, die von den alten Behörden sich
weit entfernte.

Da kam mit dem Sturmjahre 1848 die Frage der „Union" Ungarns
mit Siebenbürgen wieder in Fluß. Aber auch jetzt sollte die sächsische Ver¬
fassung nicht angetastet werden. Denn der ungarische Landtag verpflichtete
sich damals ausdrücklich, „alle jene besonderen Gesetze und Freiheiten Sieben¬
bürgens, welche die vollständige Vereinigung nicht hindern und der nationalen
Freiheit und Rechtsgleichheit nicht abträglich sind, anzuerkennen und auf¬
rechtzuerhalten " (VII. Gesetzartikel §, 5 von 1848). Ebenso machte der
siebenbürger Landtag durch Beschluß vom 20. Juni den Antrag der Sachsen,
daß ihr Gebiet auch künftig ein untrennbares Ganze zu bilden habe, zu
dem seinigen, und beauftragte die zu der Regelung der Union bestellte Landes-
commisston, dahin zu wirken, daß durch das ungarische Ministerium dem
nächsten gemeinsamen Landtage ein Gesetzentwurf auf dieser Grundlage vor¬
gelegt werde. In der That sanctionirte der König das Unionsgesetz, da
brach die Revolution aus und stellte alles Gewonnene in Frage. Die Sachsen
standen im Bürgerkriege da, wo sie stehen mußten, auf Seite des deutschen
Herrscherhauses gegen die Magyaren, auch ihr Gebiet wurde der Schauplatz
blutigen Kampfes. Als die Wiener Regierung gesiegt hatte und nun die
Verfassung des Jahres 1848 sammt der Union aufhob, war es demnach nun
natürlich, daß sie sich in Siebenbürgen den Magyaren gegenüber auf die
Sachsen und Romanen stützte. Das Deutsche wurde zur Amtssprache erhoben,
sächsische und romanische Beamte über das ganze Land vertheilt, alle höheren
Aemter in Hermannstadt concentrirt, ja man dachte daran, das Sachsenland
als gesondertes Kronland direct unter die Wiener Regierung zu stellen.
Zwar erkannte dann das Octoberdiplom (20. October 1860) die constitutio-
nellen Grundlagen in Ungarn und Siebenbürgen wieder an, hob die Bevor¬
rechtung des Deutschen wieder auf und Klausenburg wurde wieder Hauptstadt.
Da aber die volle Verständigung mit Ungarn mißlang, so dauerte der Kampf
der Regierung gegen die Magyaren auch in Siebenbürgen fort. Ebendeshalb
wurde die sächsische Nationsuniversität in früherer Weise wieder hergestellt
(Juli 1861); dem Streben derselben nach möglichster Selbständigkeit kam man
mit Wohlwollen entgegen, wie denn auch für die Romanen ein abgeschlossnes
nationales Territorium in Aussicht genommen wurde, die sächsischen Abge¬
ordneten erschienen im Wiener Retchsrathe. Als dann 1865 mit Ungarn ein
neuer Versuch gemacht wurde, ward dem ungarischen Reichstage auch der über
die Union mit Siebenbürgen handelnde Gesetzartikel von 1848 vorgelegt, und
der zu demselben Zwecke in Klausenburg versammelte siebenbürgische Land¬
tag erhob die Forderungen der sächsischen Nation bezüglich Aufrechterhaltung


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[0492] Vertretungen im Sachsenlande fast ganz beseitigten und damit den Grund zu einer „sächsischen Bureaukratie" legten, die von den alten Behörden sich weit entfernte. Da kam mit dem Sturmjahre 1848 die Frage der „Union" Ungarns mit Siebenbürgen wieder in Fluß. Aber auch jetzt sollte die sächsische Ver¬ fassung nicht angetastet werden. Denn der ungarische Landtag verpflichtete sich damals ausdrücklich, „alle jene besonderen Gesetze und Freiheiten Sieben¬ bürgens, welche die vollständige Vereinigung nicht hindern und der nationalen Freiheit und Rechtsgleichheit nicht abträglich sind, anzuerkennen und auf¬ rechtzuerhalten " (VII. Gesetzartikel §, 5 von 1848). Ebenso machte der siebenbürger Landtag durch Beschluß vom 20. Juni den Antrag der Sachsen, daß ihr Gebiet auch künftig ein untrennbares Ganze zu bilden habe, zu dem seinigen, und beauftragte die zu der Regelung der Union bestellte Landes- commisston, dahin zu wirken, daß durch das ungarische Ministerium dem nächsten gemeinsamen Landtage ein Gesetzentwurf auf dieser Grundlage vor¬ gelegt werde. In der That sanctionirte der König das Unionsgesetz, da brach die Revolution aus und stellte alles Gewonnene in Frage. Die Sachsen standen im Bürgerkriege da, wo sie stehen mußten, auf Seite des deutschen Herrscherhauses gegen die Magyaren, auch ihr Gebiet wurde der Schauplatz blutigen Kampfes. Als die Wiener Regierung gesiegt hatte und nun die Verfassung des Jahres 1848 sammt der Union aufhob, war es demnach nun natürlich, daß sie sich in Siebenbürgen den Magyaren gegenüber auf die Sachsen und Romanen stützte. Das Deutsche wurde zur Amtssprache erhoben, sächsische und romanische Beamte über das ganze Land vertheilt, alle höheren Aemter in Hermannstadt concentrirt, ja man dachte daran, das Sachsenland als gesondertes Kronland direct unter die Wiener Regierung zu stellen. Zwar erkannte dann das Octoberdiplom (20. October 1860) die constitutio- nellen Grundlagen in Ungarn und Siebenbürgen wieder an, hob die Bevor¬ rechtung des Deutschen wieder auf und Klausenburg wurde wieder Hauptstadt. Da aber die volle Verständigung mit Ungarn mißlang, so dauerte der Kampf der Regierung gegen die Magyaren auch in Siebenbürgen fort. Ebendeshalb wurde die sächsische Nationsuniversität in früherer Weise wieder hergestellt (Juli 1861); dem Streben derselben nach möglichster Selbständigkeit kam man mit Wohlwollen entgegen, wie denn auch für die Romanen ein abgeschlossnes nationales Territorium in Aussicht genommen wurde, die sächsischen Abge¬ ordneten erschienen im Wiener Retchsrathe. Als dann 1865 mit Ungarn ein neuer Versuch gemacht wurde, ward dem ungarischen Reichstage auch der über die Union mit Siebenbürgen handelnde Gesetzartikel von 1848 vorgelegt, und der zu demselben Zwecke in Klausenburg versammelte siebenbürgische Land¬ tag erhob die Forderungen der sächsischen Nation bezüglich Aufrechterhaltung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/492>, abgerufen am 27.09.2024.