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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Reichs mit auswärtigen Staaten abgeschlossen worden sind, um die wechsel¬
seitige Gewährung des Schutzes der Fabrik- und Handelszeichen zu sichern.

Der neunte und letzte Artikel der deutschen Grundrechte handelte von
der Rechtspflege, und zwar wurden hier verschiedene Postulate aufgestellt,
welche sich aber inzwischen durch die in den einzelnen deutschen Staaten er¬
folgte Einführung der fraglichen Rechtsinstitute, die jetzt Fundamentalsätze
des öffentlichen Rechts bilden, erledigt haben. Dahin gehören die Einführung
des Anklageprocesses und der Schwurgerichte in schwereren Straffällen und
bei politischen Verbrechen, serner die Trennung der Justiz und der Ver¬
waltung und die Verweisung von Competenzconflicten zwischen Verwaltungs¬
und Gerichtsbehörden vor besondere Gerichtshöfe, dann die Oeffentlichkeit
und Mündlichkeit des Gerichtsverfahrens und die Unzulässigkeit der Ver-
setzung oder Pensionirung eines Richters wider seinen Willen, außer durch
Gerichtsbeschluß in den gesetzlich bestimmten Fällen und Formen und die
Unstatthaftigkeit der Suspension oder Absetzung eines solchen ohne Urtheil
und Recht. Ebenso ist die hier ausgesprochene Abschaffung der Patrimonial-
gerichtsbarkeit inzwischen fast überall erfolgt und die wenigen Ueberbleibsel
derselben werden voraussichtlich mit der Einführung des Reichs-Gerichtsver-
sasfungsgesetzes fallen, welches nach dem vorliegenden Entwurf) anolog den
Frankfurter Grundrechten die Bestimmung enthalten soll: "Die Gerichte sind
Staatsgerichte; die Privatgerichtsbarkeit ist aufgehoben/'

Wenn serner im Art. IX das Verbot d er Kabtnets-und Ministe,
rialjustiz und der Justizverweigerung ausgesprochen wurde, so genügt es
wohl daran zu erinnern, daß die Unabhängigkeit der Gerichte und der Recht¬
sprechung schon seit Jahrhunderten einer der obersten Grundsätze des gemeinen
deutschen Staatsrechtes ist. Uebrigens ist auch in dem Art. 77 unserer der-
maligen Reichsverfassung dem Bundesrath die Befugniß eingeräumt, Be¬
schwerden über verweigerte oder gehemmte Rechtspflege aus den einzelnen
Bundesstaaten anzunehmen und darauf die gerichtliche Hülfe der Bundes¬
regierung, die zu der Beschwerde Anlaß gegeben hat, zu bewirken. Auch be¬
stimmt zudem §. 5 des Entwurfs des deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes in
fast wörtlicher Uebereinstimmung mit dem betreffenden Passus des Art. IX
der Grundrechte: "Ausnahmegerichte sind unstatthaft; niemand darf seinem
gesetzlichen Richter entzogen werden."

Auch die in dem Art. IX weiter verfügte Aufhebung der privi-
legirten Gerichtsstände ist von der modernen Civilproceßgesetzgebung
inzwischen fast allenthalben verfügt worden und auch nach dem projectirten
Reichsgesetz über die Gerichtsverfassung soll nur noch für die Landesherrn



*) Vgl. den Entwurf des deutschen Gerichtsverfassungsgesches S. 4.

Reichs mit auswärtigen Staaten abgeschlossen worden sind, um die wechsel¬
seitige Gewährung des Schutzes der Fabrik- und Handelszeichen zu sichern.

Der neunte und letzte Artikel der deutschen Grundrechte handelte von
der Rechtspflege, und zwar wurden hier verschiedene Postulate aufgestellt,
welche sich aber inzwischen durch die in den einzelnen deutschen Staaten er¬
folgte Einführung der fraglichen Rechtsinstitute, die jetzt Fundamentalsätze
des öffentlichen Rechts bilden, erledigt haben. Dahin gehören die Einführung
des Anklageprocesses und der Schwurgerichte in schwereren Straffällen und
bei politischen Verbrechen, serner die Trennung der Justiz und der Ver¬
waltung und die Verweisung von Competenzconflicten zwischen Verwaltungs¬
und Gerichtsbehörden vor besondere Gerichtshöfe, dann die Oeffentlichkeit
und Mündlichkeit des Gerichtsverfahrens und die Unzulässigkeit der Ver-
setzung oder Pensionirung eines Richters wider seinen Willen, außer durch
Gerichtsbeschluß in den gesetzlich bestimmten Fällen und Formen und die
Unstatthaftigkeit der Suspension oder Absetzung eines solchen ohne Urtheil
und Recht. Ebenso ist die hier ausgesprochene Abschaffung der Patrimonial-
gerichtsbarkeit inzwischen fast überall erfolgt und die wenigen Ueberbleibsel
derselben werden voraussichtlich mit der Einführung des Reichs-Gerichtsver-
sasfungsgesetzes fallen, welches nach dem vorliegenden Entwurf) anolog den
Frankfurter Grundrechten die Bestimmung enthalten soll: „Die Gerichte sind
Staatsgerichte; die Privatgerichtsbarkeit ist aufgehoben/'

Wenn serner im Art. IX das Verbot d er Kabtnets-und Ministe,
rialjustiz und der Justizverweigerung ausgesprochen wurde, so genügt es
wohl daran zu erinnern, daß die Unabhängigkeit der Gerichte und der Recht¬
sprechung schon seit Jahrhunderten einer der obersten Grundsätze des gemeinen
deutschen Staatsrechtes ist. Uebrigens ist auch in dem Art. 77 unserer der-
maligen Reichsverfassung dem Bundesrath die Befugniß eingeräumt, Be¬
schwerden über verweigerte oder gehemmte Rechtspflege aus den einzelnen
Bundesstaaten anzunehmen und darauf die gerichtliche Hülfe der Bundes¬
regierung, die zu der Beschwerde Anlaß gegeben hat, zu bewirken. Auch be¬
stimmt zudem §. 5 des Entwurfs des deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes in
fast wörtlicher Uebereinstimmung mit dem betreffenden Passus des Art. IX
der Grundrechte: „Ausnahmegerichte sind unstatthaft; niemand darf seinem
gesetzlichen Richter entzogen werden."

Auch die in dem Art. IX weiter verfügte Aufhebung der privi-
legirten Gerichtsstände ist von der modernen Civilproceßgesetzgebung
inzwischen fast allenthalben verfügt worden und auch nach dem projectirten
Reichsgesetz über die Gerichtsverfassung soll nur noch für die Landesherrn



*) Vgl. den Entwurf des deutschen Gerichtsverfassungsgesches S. 4.
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[0468] Reichs mit auswärtigen Staaten abgeschlossen worden sind, um die wechsel¬ seitige Gewährung des Schutzes der Fabrik- und Handelszeichen zu sichern. Der neunte und letzte Artikel der deutschen Grundrechte handelte von der Rechtspflege, und zwar wurden hier verschiedene Postulate aufgestellt, welche sich aber inzwischen durch die in den einzelnen deutschen Staaten er¬ folgte Einführung der fraglichen Rechtsinstitute, die jetzt Fundamentalsätze des öffentlichen Rechts bilden, erledigt haben. Dahin gehören die Einführung des Anklageprocesses und der Schwurgerichte in schwereren Straffällen und bei politischen Verbrechen, serner die Trennung der Justiz und der Ver¬ waltung und die Verweisung von Competenzconflicten zwischen Verwaltungs¬ und Gerichtsbehörden vor besondere Gerichtshöfe, dann die Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Gerichtsverfahrens und die Unzulässigkeit der Ver- setzung oder Pensionirung eines Richters wider seinen Willen, außer durch Gerichtsbeschluß in den gesetzlich bestimmten Fällen und Formen und die Unstatthaftigkeit der Suspension oder Absetzung eines solchen ohne Urtheil und Recht. Ebenso ist die hier ausgesprochene Abschaffung der Patrimonial- gerichtsbarkeit inzwischen fast überall erfolgt und die wenigen Ueberbleibsel derselben werden voraussichtlich mit der Einführung des Reichs-Gerichtsver- sasfungsgesetzes fallen, welches nach dem vorliegenden Entwurf) anolog den Frankfurter Grundrechten die Bestimmung enthalten soll: „Die Gerichte sind Staatsgerichte; die Privatgerichtsbarkeit ist aufgehoben/' Wenn serner im Art. IX das Verbot d er Kabtnets-und Ministe, rialjustiz und der Justizverweigerung ausgesprochen wurde, so genügt es wohl daran zu erinnern, daß die Unabhängigkeit der Gerichte und der Recht¬ sprechung schon seit Jahrhunderten einer der obersten Grundsätze des gemeinen deutschen Staatsrechtes ist. Uebrigens ist auch in dem Art. 77 unserer der- maligen Reichsverfassung dem Bundesrath die Befugniß eingeräumt, Be¬ schwerden über verweigerte oder gehemmte Rechtspflege aus den einzelnen Bundesstaaten anzunehmen und darauf die gerichtliche Hülfe der Bundes¬ regierung, die zu der Beschwerde Anlaß gegeben hat, zu bewirken. Auch be¬ stimmt zudem §. 5 des Entwurfs des deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes in fast wörtlicher Uebereinstimmung mit dem betreffenden Passus des Art. IX der Grundrechte: „Ausnahmegerichte sind unstatthaft; niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden." Auch die in dem Art. IX weiter verfügte Aufhebung der privi- legirten Gerichtsstände ist von der modernen Civilproceßgesetzgebung inzwischen fast allenthalben verfügt worden und auch nach dem projectirten Reichsgesetz über die Gerichtsverfassung soll nur noch für die Landesherrn *) Vgl. den Entwurf des deutschen Gerichtsverfassungsgesches S. 4.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/468>, abgerufen am 27.09.2024.