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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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liebsten Aenderungen der Abgeordneten an der Städteordnungsvorlage war die
Führung der städtischen Polizei durch den collegialischen Magistrat anstatt
durch den Bürgermeister. Dieser Ungeheuerlichkeit gegenüber thaten die
Herren ihre Schuldigkeit durch entschlossene Beseitigung.

Am 23. Juni gelangte das Gesetz über die Befähigung zum höheren
Verwaltungsdienst zur Schlußberathung, nachdem es dem Abgeordnetenhaus
zum zweiten Mal vorgelegen. Die Landrathsklausel wurde diesmal so abge¬
ändert, daß präsentabel durch die Kreistage außer denjenigen Personen, welche
das große Staatsexamen bestanden, auch solche Personen sind, welche die
zweite juristische Prüfung abgelegt oder nach bestandener erster Prüfung vier
Jahre im Vorbereitungsdienst zugebracht haben.

Am 24. Juni erfolgte die Schlußabstimmung über die Städteordnung,
wobei die ortsstatutarische Möglichkeit, den Census des Bürgerrechts von sechs
Mark auf zwölf Mark zu erhöhen, in namentlicher Abstimmung wiederum
beseitigt wurde, nachdem sie am Vortage auf Grund eines nur schriftlichen,
nicht gedruckten Antrags angenommen worden war. In derselben Sitzung
wurde das große und weitläufige Competenzgesetz nach den Beschlüssen der
Herrenhauscommission 6ki bloc angenommen, welche, wie bereits erwähnt,
hauptsächlich die Stadtausschüsse herausgebracht hat. --

Am 19. Juni begannen die Abgeordneten ihre Sitzungen nach den
Pfingstferien mit einem technischen Gesetz für die Provinz Schleswig-Holstein.
Mit technischen Gesetzen beschäftigte das Haus sich auch am 20. Juni. Am
21. Juni berieth das Haus die Veränderungen, welche die Herren an dem
Gesetz über die Befähigung für den höheren Verwaltungsdienst vorgenommen.
Die Landrathsklausel wurde nach den ersten Beschlüssen der Abgeordneten
hergestellt, wonach die Landrathscandidaten das große Staatsexamen bestanden
haben müssen. Auf diese Wiederherstellung haben dann die Herren, wie be¬
reits berichtet, nicht mit einer Wiederherstellung ihrer ersten Beschlüsse ge-
antwortet, aber auch nicht mit der Annahme der ersten Abgeordnetenbeschlüsse,
sondern mit einem neuen Vorschlag, den bei den Abgeordneten am 21. Juni
ein Mitglied einbrachte, aber nicht damit durchdrang.

Am 22. Juni fanden wieder ausschließlich technische Berathungen statt,
destomehr allgemeines Interesse bot die Sitzung vom 23. Juni. Es handelte
sich zunächst um einen Vertrag mit der Berlin-Dresdner Eisenbahngesellschaft,
Welcher diese Bahn indirekt in den preußischen Staatsbesitz bringt. Der
einzig rationelle Standpunkt bei der Beurtheilung solcher Vorlagen ist unseres
Erachtens zu fragen: bringt der Erwerb dem Staat überhaupt Vortheil und
sind die Erwerbsbedingungen vortheilhaft? Unter diesem Gesichtspunkt hätte
die Vorlage ohne Widerspruch angenommen werden sollen. Leider drängen
sich bei solchen Vorlagen immer fremdartige Gesichtspunkte ein. Ein solcher


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liebsten Aenderungen der Abgeordneten an der Städteordnungsvorlage war die
Führung der städtischen Polizei durch den collegialischen Magistrat anstatt
durch den Bürgermeister. Dieser Ungeheuerlichkeit gegenüber thaten die
Herren ihre Schuldigkeit durch entschlossene Beseitigung.

Am 23. Juni gelangte das Gesetz über die Befähigung zum höheren
Verwaltungsdienst zur Schlußberathung, nachdem es dem Abgeordnetenhaus
zum zweiten Mal vorgelegen. Die Landrathsklausel wurde diesmal so abge¬
ändert, daß präsentabel durch die Kreistage außer denjenigen Personen, welche
das große Staatsexamen bestanden, auch solche Personen sind, welche die
zweite juristische Prüfung abgelegt oder nach bestandener erster Prüfung vier
Jahre im Vorbereitungsdienst zugebracht haben.

Am 24. Juni erfolgte die Schlußabstimmung über die Städteordnung,
wobei die ortsstatutarische Möglichkeit, den Census des Bürgerrechts von sechs
Mark auf zwölf Mark zu erhöhen, in namentlicher Abstimmung wiederum
beseitigt wurde, nachdem sie am Vortage auf Grund eines nur schriftlichen,
nicht gedruckten Antrags angenommen worden war. In derselben Sitzung
wurde das große und weitläufige Competenzgesetz nach den Beschlüssen der
Herrenhauscommission 6ki bloc angenommen, welche, wie bereits erwähnt,
hauptsächlich die Stadtausschüsse herausgebracht hat. —

Am 19. Juni begannen die Abgeordneten ihre Sitzungen nach den
Pfingstferien mit einem technischen Gesetz für die Provinz Schleswig-Holstein.
Mit technischen Gesetzen beschäftigte das Haus sich auch am 20. Juni. Am
21. Juni berieth das Haus die Veränderungen, welche die Herren an dem
Gesetz über die Befähigung für den höheren Verwaltungsdienst vorgenommen.
Die Landrathsklausel wurde nach den ersten Beschlüssen der Abgeordneten
hergestellt, wonach die Landrathscandidaten das große Staatsexamen bestanden
haben müssen. Auf diese Wiederherstellung haben dann die Herren, wie be¬
reits berichtet, nicht mit einer Wiederherstellung ihrer ersten Beschlüsse ge-
antwortet, aber auch nicht mit der Annahme der ersten Abgeordnetenbeschlüsse,
sondern mit einem neuen Vorschlag, den bei den Abgeordneten am 21. Juni
ein Mitglied einbrachte, aber nicht damit durchdrang.

Am 22. Juni fanden wieder ausschließlich technische Berathungen statt,
destomehr allgemeines Interesse bot die Sitzung vom 23. Juni. Es handelte
sich zunächst um einen Vertrag mit der Berlin-Dresdner Eisenbahngesellschaft,
Welcher diese Bahn indirekt in den preußischen Staatsbesitz bringt. Der
einzig rationelle Standpunkt bei der Beurtheilung solcher Vorlagen ist unseres
Erachtens zu fragen: bringt der Erwerb dem Staat überhaupt Vortheil und
sind die Erwerbsbedingungen vortheilhaft? Unter diesem Gesichtspunkt hätte
die Vorlage ohne Widerspruch angenommen werden sollen. Leider drängen
sich bei solchen Vorlagen immer fremdartige Gesichtspunkte ein. Ein solcher


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/41>, abgerufen am 27.09.2024.