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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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in der Queenstreet, Namens Dieterich, brachte, wo er dann eine Zeit lang
verblieb.

Astor traf in Neuyork keine erfreulichen Zustände. Gegen fünfzehntausend
Flüchtlinge aus der Stadt, Long Island und stäten Island verließen die
- Gegend, um nach Neuschottland, Se. Johns und Abasco auszuwandern, und
unter ihnen befanden sich viele, die Grundeigenthum besaßen. Von diesem Grund¬
besitz begann Astor zu kaufen, sobald er, ein wenig vorwärts kommend, Geld
sparen konnte. Die Räumung Neuyorks von Seiten der britischen Truppen
beraubte seinen Bruder Heinrich seiner besten Kunden, und so befand sich
dessen Geschäft, als Johann Jacob anlangte, nicht gerade in blühendem Zu¬
stande. Er fand indeß Arbeit für jenen, den wir nun zunächst in einem Kürschner¬
geschäft auf der Goldstreet Felle ausklopfen sehen, eine Beschäftigung, die er
später in Diensten des Quäkers Bowne fortsetzte, und bei der er sich mit der
Zeit so viel Kenntnisse des Pelzhandels erwarb, daß er daran denken konnte,
selbst ein kleines Geschäft als Kürschner zu begründen. Inzwischen verkaufte
sich auch der Vorrath von Flöten, den er mitgebracht hatte, langsam. Es
gab damals zwei Personen in Neuyork, welche den Jnstrumentenhandel fast
monopolisirt hatten, einen gewissen Dodd, der sich nur mit dem Verkauf
musikalischer Instrumente befaßte, und einen gewissen Wilts, der neben an¬
dern Waaren auch Harfen, Pianofortes und Drehorgeln feil hatte. Der junge
Astor, der keinen Laden und keine Bekanntschaft unter denen besaß, die solche
Instrumente kauften, überließ seine Flöten schließlich dem Drucker Samuel
London zum Verkauf in Commission. Das war in Neuyork damals nichts
Ungewöhnliches, vielmehr wurden Buchdruckern, welche wie London eine Zei-
tung Herausgaben, sehr oft solche Commissionen übertragen. Nach Verlauf
eines Jahres waren die inzwischen in Loudon's "New-York Packet" fleißig
angezeigten Flöten verkauft und der Erlös in Pelzen angelegt, mit denen
sich Astor jetzt nach London einschiffte, wo er mit den dortigen Pelzhändlern
Geschäftsverbindungen anknüpfte und zugleich die Neuyorker Agentur für das
Haus Astor Broadwood bekam. Als er zurückgekehrt, miethete er sich von
der Wittwe Todd, deren Tochter er bald darauf heirathete, und die nicht
weit vom Bäcker Dieterich ein kleines Haus besaß, zwei Stuben, in denen er
jetzt seinen Handel mit Musikinstrumenten in größerem Stil betrieb, nachdem
er in das "New-York Packet" am 22. Mai 1786 folgende Anzeige hatte
einrücken lassen:

"Jakob Astor, Ur. 81 Queenstreet, zwei Thüren vom Meetinghause der
Freunde (Quäker), hat soeben von London ein elegantes Assortiment von
musikalischen Instrumenten als da sind Pianoforte, Spinetchen, Pianoforte-
Guitarren, Guitarren, das Beste von Geigen, deutschen Flöten, Clarinetten,
Hoboen, Pfeifen, die besten römischen Saiten und alle anderen Sorten von


in der Queenstreet, Namens Dieterich, brachte, wo er dann eine Zeit lang
verblieb.

Astor traf in Neuyork keine erfreulichen Zustände. Gegen fünfzehntausend
Flüchtlinge aus der Stadt, Long Island und stäten Island verließen die
- Gegend, um nach Neuschottland, Se. Johns und Abasco auszuwandern, und
unter ihnen befanden sich viele, die Grundeigenthum besaßen. Von diesem Grund¬
besitz begann Astor zu kaufen, sobald er, ein wenig vorwärts kommend, Geld
sparen konnte. Die Räumung Neuyorks von Seiten der britischen Truppen
beraubte seinen Bruder Heinrich seiner besten Kunden, und so befand sich
dessen Geschäft, als Johann Jacob anlangte, nicht gerade in blühendem Zu¬
stande. Er fand indeß Arbeit für jenen, den wir nun zunächst in einem Kürschner¬
geschäft auf der Goldstreet Felle ausklopfen sehen, eine Beschäftigung, die er
später in Diensten des Quäkers Bowne fortsetzte, und bei der er sich mit der
Zeit so viel Kenntnisse des Pelzhandels erwarb, daß er daran denken konnte,
selbst ein kleines Geschäft als Kürschner zu begründen. Inzwischen verkaufte
sich auch der Vorrath von Flöten, den er mitgebracht hatte, langsam. Es
gab damals zwei Personen in Neuyork, welche den Jnstrumentenhandel fast
monopolisirt hatten, einen gewissen Dodd, der sich nur mit dem Verkauf
musikalischer Instrumente befaßte, und einen gewissen Wilts, der neben an¬
dern Waaren auch Harfen, Pianofortes und Drehorgeln feil hatte. Der junge
Astor, der keinen Laden und keine Bekanntschaft unter denen besaß, die solche
Instrumente kauften, überließ seine Flöten schließlich dem Drucker Samuel
London zum Verkauf in Commission. Das war in Neuyork damals nichts
Ungewöhnliches, vielmehr wurden Buchdruckern, welche wie London eine Zei-
tung Herausgaben, sehr oft solche Commissionen übertragen. Nach Verlauf
eines Jahres waren die inzwischen in Loudon's „New-York Packet" fleißig
angezeigten Flöten verkauft und der Erlös in Pelzen angelegt, mit denen
sich Astor jetzt nach London einschiffte, wo er mit den dortigen Pelzhändlern
Geschäftsverbindungen anknüpfte und zugleich die Neuyorker Agentur für das
Haus Astor Broadwood bekam. Als er zurückgekehrt, miethete er sich von
der Wittwe Todd, deren Tochter er bald darauf heirathete, und die nicht
weit vom Bäcker Dieterich ein kleines Haus besaß, zwei Stuben, in denen er
jetzt seinen Handel mit Musikinstrumenten in größerem Stil betrieb, nachdem
er in das „New-York Packet" am 22. Mai 1786 folgende Anzeige hatte
einrücken lassen:

„Jakob Astor, Ur. 81 Queenstreet, zwei Thüren vom Meetinghause der
Freunde (Quäker), hat soeben von London ein elegantes Assortiment von
musikalischen Instrumenten als da sind Pianoforte, Spinetchen, Pianoforte-
Guitarren, Guitarren, das Beste von Geigen, deutschen Flöten, Clarinetten,
Hoboen, Pfeifen, die besten römischen Saiten und alle anderen Sorten von


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[0392] in der Queenstreet, Namens Dieterich, brachte, wo er dann eine Zeit lang verblieb. Astor traf in Neuyork keine erfreulichen Zustände. Gegen fünfzehntausend Flüchtlinge aus der Stadt, Long Island und stäten Island verließen die - Gegend, um nach Neuschottland, Se. Johns und Abasco auszuwandern, und unter ihnen befanden sich viele, die Grundeigenthum besaßen. Von diesem Grund¬ besitz begann Astor zu kaufen, sobald er, ein wenig vorwärts kommend, Geld sparen konnte. Die Räumung Neuyorks von Seiten der britischen Truppen beraubte seinen Bruder Heinrich seiner besten Kunden, und so befand sich dessen Geschäft, als Johann Jacob anlangte, nicht gerade in blühendem Zu¬ stande. Er fand indeß Arbeit für jenen, den wir nun zunächst in einem Kürschner¬ geschäft auf der Goldstreet Felle ausklopfen sehen, eine Beschäftigung, die er später in Diensten des Quäkers Bowne fortsetzte, und bei der er sich mit der Zeit so viel Kenntnisse des Pelzhandels erwarb, daß er daran denken konnte, selbst ein kleines Geschäft als Kürschner zu begründen. Inzwischen verkaufte sich auch der Vorrath von Flöten, den er mitgebracht hatte, langsam. Es gab damals zwei Personen in Neuyork, welche den Jnstrumentenhandel fast monopolisirt hatten, einen gewissen Dodd, der sich nur mit dem Verkauf musikalischer Instrumente befaßte, und einen gewissen Wilts, der neben an¬ dern Waaren auch Harfen, Pianofortes und Drehorgeln feil hatte. Der junge Astor, der keinen Laden und keine Bekanntschaft unter denen besaß, die solche Instrumente kauften, überließ seine Flöten schließlich dem Drucker Samuel London zum Verkauf in Commission. Das war in Neuyork damals nichts Ungewöhnliches, vielmehr wurden Buchdruckern, welche wie London eine Zei- tung Herausgaben, sehr oft solche Commissionen übertragen. Nach Verlauf eines Jahres waren die inzwischen in Loudon's „New-York Packet" fleißig angezeigten Flöten verkauft und der Erlös in Pelzen angelegt, mit denen sich Astor jetzt nach London einschiffte, wo er mit den dortigen Pelzhändlern Geschäftsverbindungen anknüpfte und zugleich die Neuyorker Agentur für das Haus Astor Broadwood bekam. Als er zurückgekehrt, miethete er sich von der Wittwe Todd, deren Tochter er bald darauf heirathete, und die nicht weit vom Bäcker Dieterich ein kleines Haus besaß, zwei Stuben, in denen er jetzt seinen Handel mit Musikinstrumenten in größerem Stil betrieb, nachdem er in das „New-York Packet" am 22. Mai 1786 folgende Anzeige hatte einrücken lassen: „Jakob Astor, Ur. 81 Queenstreet, zwei Thüren vom Meetinghause der Freunde (Quäker), hat soeben von London ein elegantes Assortiment von musikalischen Instrumenten als da sind Pianoforte, Spinetchen, Pianoforte- Guitarren, Guitarren, das Beste von Geigen, deutschen Flöten, Clarinetten, Hoboen, Pfeifen, die besten römischen Saiten und alle anderen Sorten von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/392>, abgerufen am 27.09.2024.