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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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welcher bekanntlich poa Bundesindigenat handelt, von den Abgeordneten
Bouneß und Schulze der Antrag auf Einsetzung einer Commission eingebracht
welche mit der Aufstellung von Grundrechten zu betrauen sei, die durch die
Bundesverfassung gsrantirt werden sollten. Verschiedene Amendements brachten'
hierzu auch einzelne Grundrechte in Vorschlag, die im Wesentlichen denen
von 1848 conform. lauteten. ' Allein der Reichstag lehnte jenen Antrag ab/)'
Man vermied es glücklicher Weise, in den Fehler der Frankfurter' National--'
Versammlung zu verfallen, welcher in der damaligen Debatte namentlich von
dem Abgeordneten Gumbrecht, der mit in der Paulskirche gesessen hatte, und
von Braun-Wiesbaden als warnendes Exempel hingestellt wurdet*) Auch,
ist bei dieser Gelegenheit vom Abgeordneten Tochter sehr richtig hervorge¬
hoben worden, daß jene Grundrechte der künftigen Gesetzgebung zu über¬
weisen seien, welche die einschlägigen legislatorischen Fragen durch Special-
gesetze zu lösen habe, anstatt bloße Principien aufzustellen, die immer
erst der Ausführungsgesetze bedurften, um von praktischer Bedeutung zu
werden.***)

Hatte nun auch die norddeutsche' Bundesgesetzgebung den damals vorge¬
zeichneten Weg nicht ohne Erfolg eingeschlagen, so wurde doch das Verlangen
nach Aufstellung von Grundrechten nochmals laut, als es sich' im Reichstag um-
die Revision der norddeutschen Bundesverfassung behufs ihrer Erhebung zur
Reichsverfassung handelte. Damals wurden von den Abgeordneten Reichend
sperger (Olpe) und Genossen eine Anzahl Grundrechte aufgestellt, und deren '
Aufnahme in die deutsche Retchsverfafsung beantragt, aber auch diesmal ohne
Erfolg, da jene Zusammenstellung keineswegs erschöpfend und der Antrag
wohl lediglich im Parteiinteresse gestellt, indem er darauf berechnet wär, der-'
römisch-katholischen Kirche dem Staate gegenüber eine möglichst exceptionelle
Stellung zu sichern.-j-) Aber auch damit ist das Verlangen nach Einführung-,
von Grundrechten und n?ich der Wiederherstellung der Frankfurter Grund--
rechte insbesondere keineswegs abgethan. Noch bis in die neueste Zeit hinein-
ist dasselbe ein politisches Schlagwort geblieben, und der Verfasser dieser Ab-i'
Handlung erinnert sich, daß man in einer Wahlversammlung alles Ernstes^
an den Kandidaten mit der Frage herantrat, ob und wie er für die Wieder-






") Vgl. die bete. Serhandlungen des nordd. Reichstags (1867) in den stenographischen ,
Berichten, I. S. 244 ff. i '
'
*") Stenogr. Berichte I. S. 247. 253 ff.
Stenogr. Berichte (1867) I. S. 257.
1) Der Art. 7 der in Vorschlag gebrachten Grundrechte sollte nämlich also lauten: "Die'
evangelische und die römisch-katholische Kirche, sowie jede andere Religionsgestllschaft, ordnet
und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig und bleibt im Besitz und Genuß der für ihre
Kultus-, Unterrichts- und Wohlthätigkcitszwccke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonds."
Vgl. Hirth's Annalen des deutschen Reichs (1871) S. "29.

welcher bekanntlich poa Bundesindigenat handelt, von den Abgeordneten
Bouneß und Schulze der Antrag auf Einsetzung einer Commission eingebracht
welche mit der Aufstellung von Grundrechten zu betrauen sei, die durch die
Bundesverfassung gsrantirt werden sollten. Verschiedene Amendements brachten'
hierzu auch einzelne Grundrechte in Vorschlag, die im Wesentlichen denen
von 1848 conform. lauteten. ' Allein der Reichstag lehnte jenen Antrag ab/)'
Man vermied es glücklicher Weise, in den Fehler der Frankfurter' National--'
Versammlung zu verfallen, welcher in der damaligen Debatte namentlich von
dem Abgeordneten Gumbrecht, der mit in der Paulskirche gesessen hatte, und
von Braun-Wiesbaden als warnendes Exempel hingestellt wurdet*) Auch,
ist bei dieser Gelegenheit vom Abgeordneten Tochter sehr richtig hervorge¬
hoben worden, daß jene Grundrechte der künftigen Gesetzgebung zu über¬
weisen seien, welche die einschlägigen legislatorischen Fragen durch Special-
gesetze zu lösen habe, anstatt bloße Principien aufzustellen, die immer
erst der Ausführungsgesetze bedurften, um von praktischer Bedeutung zu
werden.***)

Hatte nun auch die norddeutsche' Bundesgesetzgebung den damals vorge¬
zeichneten Weg nicht ohne Erfolg eingeschlagen, so wurde doch das Verlangen
nach Aufstellung von Grundrechten nochmals laut, als es sich' im Reichstag um-
die Revision der norddeutschen Bundesverfassung behufs ihrer Erhebung zur
Reichsverfassung handelte. Damals wurden von den Abgeordneten Reichend
sperger (Olpe) und Genossen eine Anzahl Grundrechte aufgestellt, und deren '
Aufnahme in die deutsche Retchsverfafsung beantragt, aber auch diesmal ohne
Erfolg, da jene Zusammenstellung keineswegs erschöpfend und der Antrag
wohl lediglich im Parteiinteresse gestellt, indem er darauf berechnet wär, der-'
römisch-katholischen Kirche dem Staate gegenüber eine möglichst exceptionelle
Stellung zu sichern.-j-) Aber auch damit ist das Verlangen nach Einführung-,
von Grundrechten und n?ich der Wiederherstellung der Frankfurter Grund--
rechte insbesondere keineswegs abgethan. Noch bis in die neueste Zeit hinein-
ist dasselbe ein politisches Schlagwort geblieben, und der Verfasser dieser Ab-i'
Handlung erinnert sich, daß man in einer Wahlversammlung alles Ernstes^
an den Kandidaten mit der Frage herantrat, ob und wie er für die Wieder-






") Vgl. die bete. Serhandlungen des nordd. Reichstags (1867) in den stenographischen ,
Berichten, I. S. 244 ff. i '
'
*") Stenogr. Berichte I. S. 247. 253 ff.
Stenogr. Berichte (1867) I. S. 257.
1) Der Art. 7 der in Vorschlag gebrachten Grundrechte sollte nämlich also lauten: „Die'
evangelische und die römisch-katholische Kirche, sowie jede andere Religionsgestllschaft, ordnet
und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig und bleibt im Besitz und Genuß der für ihre
Kultus-, Unterrichts- und Wohlthätigkcitszwccke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonds."
Vgl. Hirth's Annalen des deutschen Reichs (1871) S. »29.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/371>, abgerufen am 27.09.2024.