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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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großen Speditionshäuser sich allmählich dazu bequemt haben, sich in ihren
Dienst zu fügen. Die Trennung der Spedition von der Traction wird bei
hoch entwickeltem Verkehr von den erfahrensten Eisenbahntechnikern als ganz
unzulänglich erklärt. Der Director der größten englischen Eisenbahngesell¬
schaft, der London und North Western, Horsfall gab darüber in der Parla-
ments-Commission folgende beachtenswerthe Erklärung ab:

"Angenommen, alle Güter würden durch die Absender auf ihre Stationen
gebracht und durch die Empfänger von ihren Stationen abgeholt auf eigene
Kosten, würde das nicht wohlfeiler zu stehen kommen? Nein, gewiß nicht.
Umgekehrt, es würde theuerer zu stehen kommen und zwar aus folgenden
Gründen. Nehmen Sie London. Unsere gegenwärtige Praxis ist. nach An¬
kunft zuerst diejenigen Züge zu entladen. welche die dringendsten Güter
bringen: z. B. ein Zug von Manchester oder ein Zug von Nottingham,
welche Waaren bringen, die sehr schnell abgeliefert werden müssen; diese
Wagen werden zuerst entleert und die Rollwägen sofort in die Stadt expedirt.
Darauf werden die geleerten Wagen bei Seite geschoben, und wir nehmen
die nächst wichtigen Züge vor und so weiter. Auf diese Weise werden wir
auf unsern Stationen mit allen Zügen im Laufe des Bormittags fertig, und
Abends sind wir mit denselben Waggons wieder zum Einladen parat. Wenn
die Empfänger die Abfuhr ihrer Wagen dagegen selbst besorgten, dann würden
alle auf einmal angefahren kommen und jeder aus einem andern Waggon
und Zuge seine Waaren verlangen. Wir hätten dann für den Einen an den
einen Waggon zu gehen und ein Stück herauszunehmen, hätten dann den
Waggon wieder zurückzustellen, dann für den andern Empfänger an den
andern Waggon und immer so weiter. Es wäre auf diese Weise ganz un¬
möglich, unsere Waggons im Laufe des Tages leer zu machen; die Stationen
würden durch alle diese halbausgeladenen Waggons den ganzen Tag gestopft
sein. Wollten wir aber alle Waggons auf einmal entladen und die Güter
in die Schuppen expediren, da wäre die Stopfung und Mühe noch größer,
weil gerade das, was verlangt wird, vielleicht im hintersten Winkel liegt.
Es ist ganz unmöglich, daß eine Eisenbahngesellschaft in dieser Weise ihr
Geschäft besorgen kann, jedenfalls nicht auf unsern großen Stationen;
und im geringeren Grade gilt dasselbe auch für die andern Stationen."

Ein viertes Schlagwort, welches seltsamer Weise einerseits von den
Gegnern der Staatsbahnen überhaupt gebraucht wird, andererseits aber auch
von Anhängern der Staatsbahnen, welche aber ausnahmsweise die Reichs¬
bahnen zurückweisen, ist der an und für sich richtige Satz, daß die Koster.
eines gewerblichen Betriebes sich vermehren, wenn derselbe eine gewisse Grenze
überschreitet. Diese Beobachtung ist eigentlich von Thüren durch das ein¬
leuchtendste Beispiel in seinem "tsolirten Staat" anschaulich gemacht worden,


großen Speditionshäuser sich allmählich dazu bequemt haben, sich in ihren
Dienst zu fügen. Die Trennung der Spedition von der Traction wird bei
hoch entwickeltem Verkehr von den erfahrensten Eisenbahntechnikern als ganz
unzulänglich erklärt. Der Director der größten englischen Eisenbahngesell¬
schaft, der London und North Western, Horsfall gab darüber in der Parla-
ments-Commission folgende beachtenswerthe Erklärung ab:

„Angenommen, alle Güter würden durch die Absender auf ihre Stationen
gebracht und durch die Empfänger von ihren Stationen abgeholt auf eigene
Kosten, würde das nicht wohlfeiler zu stehen kommen? Nein, gewiß nicht.
Umgekehrt, es würde theuerer zu stehen kommen und zwar aus folgenden
Gründen. Nehmen Sie London. Unsere gegenwärtige Praxis ist. nach An¬
kunft zuerst diejenigen Züge zu entladen. welche die dringendsten Güter
bringen: z. B. ein Zug von Manchester oder ein Zug von Nottingham,
welche Waaren bringen, die sehr schnell abgeliefert werden müssen; diese
Wagen werden zuerst entleert und die Rollwägen sofort in die Stadt expedirt.
Darauf werden die geleerten Wagen bei Seite geschoben, und wir nehmen
die nächst wichtigen Züge vor und so weiter. Auf diese Weise werden wir
auf unsern Stationen mit allen Zügen im Laufe des Bormittags fertig, und
Abends sind wir mit denselben Waggons wieder zum Einladen parat. Wenn
die Empfänger die Abfuhr ihrer Wagen dagegen selbst besorgten, dann würden
alle auf einmal angefahren kommen und jeder aus einem andern Waggon
und Zuge seine Waaren verlangen. Wir hätten dann für den Einen an den
einen Waggon zu gehen und ein Stück herauszunehmen, hätten dann den
Waggon wieder zurückzustellen, dann für den andern Empfänger an den
andern Waggon und immer so weiter. Es wäre auf diese Weise ganz un¬
möglich, unsere Waggons im Laufe des Tages leer zu machen; die Stationen
würden durch alle diese halbausgeladenen Waggons den ganzen Tag gestopft
sein. Wollten wir aber alle Waggons auf einmal entladen und die Güter
in die Schuppen expediren, da wäre die Stopfung und Mühe noch größer,
weil gerade das, was verlangt wird, vielleicht im hintersten Winkel liegt.
Es ist ganz unmöglich, daß eine Eisenbahngesellschaft in dieser Weise ihr
Geschäft besorgen kann, jedenfalls nicht auf unsern großen Stationen;
und im geringeren Grade gilt dasselbe auch für die andern Stationen."

Ein viertes Schlagwort, welches seltsamer Weise einerseits von den
Gegnern der Staatsbahnen überhaupt gebraucht wird, andererseits aber auch
von Anhängern der Staatsbahnen, welche aber ausnahmsweise die Reichs¬
bahnen zurückweisen, ist der an und für sich richtige Satz, daß die Koster.
eines gewerblichen Betriebes sich vermehren, wenn derselbe eine gewisse Grenze
überschreitet. Diese Beobachtung ist eigentlich von Thüren durch das ein¬
leuchtendste Beispiel in seinem „tsolirten Staat" anschaulich gemacht worden,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/303>, abgerufen am 27.09.2024.