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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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aufgerichtet werden könnte und beim zu soliden Bau zuletzt Schaden heraus¬
kommt. Allein die Beispiele solchen Verfahrens sind nicht blos auf den
Staatsbetrieb beschränkt, sondern bei Privatunternehmungen auch schon oft
genug vorgekommen. Allerdings mußte z. B. das ganze badische Geleise,
weil es nach der breitspurigeren der beiden englischen Schablonen angelegt
worden war, mit einem Kostenaufwand von 8,000.000 Gulden wieder um¬
geändert werden, um es der Spurweite der übrigen deutschen Eisenbahnen
anzupassen, allein auch die Taunus-Eisenbahn sah sich veranlaßt, als sie noch
Privatgesellschaft war, die Quadersteine, welche sie anstatt der Beschotterung
unter den Schwellen verwendet hatte, nachträglich wieder zu entfernen. Wir
sehen also, der Staat producirt an und für sich nur theuerer als der große
Privatunternehmer, aber nicht theuerer als der kleine Gewerbsmann und die
Actiengesellschaft! Und da, wo er theuerer producirt, als die letztere, ist es
in der Regel wohlgethan, gerade so. wie es wohl gethan ist, wenn sich der
Consument theuere, aber gute statt wohlfeiler, aber schlechter Waare anschafft.
Die solid angelegten Eisenbahnen, deren Verwaltung rechtzeitig für die Aus¬
besserung des Bahnkörpers und die Erneuerung des Betriebsmaterials sorgt,
rentiren auf die Dauer doch besser als diejenigen, welche möglichst schleunige
Herstellung der Linie und die höchst mögliche Dividende jun Auge haben.
Die Stahlschienen sind auf die Dauer billiger als die Etsenschienen. und doch
entschließen sich die Privatgesellschaften viel schwerer und langsamer zu ihrer
Anwendung.

Das dritte Schlagwort lautet "die Concurrenz ist die Triebfeder des
Fortschritts der Industrie". Wir waren stets mit unter den Ersten diesen
Satz zu proclamiren und nachzuweisen, daß der Bortheil der Consumenten
sowohl in Bezug auf die Güte als die Billigkeit der Waare und der Leistung
am besten bestellt ist, wenn eine genügende Concurrenz der Producenten
unter sich besteht. Schon nach dem Gesetz der Wechselwirkung von Ange¬
gebot und Nachfrage, in Folge dessen der Preis sinkt, wenn das Angebot
steigt, und der Preis sich erhebt, wenn die Nachfrage sich vermehrt, muß die
Concurrenz den Vortheil der Consumenten bewirken. Durch den Wetteifer
vieler Producenten und Arbeiter in demselben Fache werden dieselben natür¬
lich genöthigt, alle ihre Aufmerksamkeit auf die Verbesserung ihrer Leistungen
Zu verwenden und dieselben so gut als möglich und im Verhältniß zu ihrer
Vortrefflichkeit auch noch so billig als möglich darzubieten, um nicht von den
Mitbewerbenden vom Platze verdrängt zu werden. Man hat daher zu
allen Zeiten die Erfahrung gemacht, daß für die Bedürfnisse der Consumenten
aw. besten gesorgt war, wenn freie Concurrenz die Producenten zur Anspan¬
nung aller ihrer Leistungsfähigkeit zwang, daß aber diese Leistungs¬
fähigkeit sofort sich verminderte, sobald es den Producenten gelang, sich


Grenzboten III. 187". ' 37

aufgerichtet werden könnte und beim zu soliden Bau zuletzt Schaden heraus¬
kommt. Allein die Beispiele solchen Verfahrens sind nicht blos auf den
Staatsbetrieb beschränkt, sondern bei Privatunternehmungen auch schon oft
genug vorgekommen. Allerdings mußte z. B. das ganze badische Geleise,
weil es nach der breitspurigeren der beiden englischen Schablonen angelegt
worden war, mit einem Kostenaufwand von 8,000.000 Gulden wieder um¬
geändert werden, um es der Spurweite der übrigen deutschen Eisenbahnen
anzupassen, allein auch die Taunus-Eisenbahn sah sich veranlaßt, als sie noch
Privatgesellschaft war, die Quadersteine, welche sie anstatt der Beschotterung
unter den Schwellen verwendet hatte, nachträglich wieder zu entfernen. Wir
sehen also, der Staat producirt an und für sich nur theuerer als der große
Privatunternehmer, aber nicht theuerer als der kleine Gewerbsmann und die
Actiengesellschaft! Und da, wo er theuerer producirt, als die letztere, ist es
in der Regel wohlgethan, gerade so. wie es wohl gethan ist, wenn sich der
Consument theuere, aber gute statt wohlfeiler, aber schlechter Waare anschafft.
Die solid angelegten Eisenbahnen, deren Verwaltung rechtzeitig für die Aus¬
besserung des Bahnkörpers und die Erneuerung des Betriebsmaterials sorgt,
rentiren auf die Dauer doch besser als diejenigen, welche möglichst schleunige
Herstellung der Linie und die höchst mögliche Dividende jun Auge haben.
Die Stahlschienen sind auf die Dauer billiger als die Etsenschienen. und doch
entschließen sich die Privatgesellschaften viel schwerer und langsamer zu ihrer
Anwendung.

Das dritte Schlagwort lautet „die Concurrenz ist die Triebfeder des
Fortschritts der Industrie". Wir waren stets mit unter den Ersten diesen
Satz zu proclamiren und nachzuweisen, daß der Bortheil der Consumenten
sowohl in Bezug auf die Güte als die Billigkeit der Waare und der Leistung
am besten bestellt ist, wenn eine genügende Concurrenz der Producenten
unter sich besteht. Schon nach dem Gesetz der Wechselwirkung von Ange¬
gebot und Nachfrage, in Folge dessen der Preis sinkt, wenn das Angebot
steigt, und der Preis sich erhebt, wenn die Nachfrage sich vermehrt, muß die
Concurrenz den Vortheil der Consumenten bewirken. Durch den Wetteifer
vieler Producenten und Arbeiter in demselben Fache werden dieselben natür¬
lich genöthigt, alle ihre Aufmerksamkeit auf die Verbesserung ihrer Leistungen
Zu verwenden und dieselben so gut als möglich und im Verhältniß zu ihrer
Vortrefflichkeit auch noch so billig als möglich darzubieten, um nicht von den
Mitbewerbenden vom Platze verdrängt zu werden. Man hat daher zu
allen Zeiten die Erfahrung gemacht, daß für die Bedürfnisse der Consumenten
aw. besten gesorgt war, wenn freie Concurrenz die Producenten zur Anspan¬
nung aller ihrer Leistungsfähigkeit zwang, daß aber diese Leistungs¬
fähigkeit sofort sich verminderte, sobald es den Producenten gelang, sich


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[0297] aufgerichtet werden könnte und beim zu soliden Bau zuletzt Schaden heraus¬ kommt. Allein die Beispiele solchen Verfahrens sind nicht blos auf den Staatsbetrieb beschränkt, sondern bei Privatunternehmungen auch schon oft genug vorgekommen. Allerdings mußte z. B. das ganze badische Geleise, weil es nach der breitspurigeren der beiden englischen Schablonen angelegt worden war, mit einem Kostenaufwand von 8,000.000 Gulden wieder um¬ geändert werden, um es der Spurweite der übrigen deutschen Eisenbahnen anzupassen, allein auch die Taunus-Eisenbahn sah sich veranlaßt, als sie noch Privatgesellschaft war, die Quadersteine, welche sie anstatt der Beschotterung unter den Schwellen verwendet hatte, nachträglich wieder zu entfernen. Wir sehen also, der Staat producirt an und für sich nur theuerer als der große Privatunternehmer, aber nicht theuerer als der kleine Gewerbsmann und die Actiengesellschaft! Und da, wo er theuerer producirt, als die letztere, ist es in der Regel wohlgethan, gerade so. wie es wohl gethan ist, wenn sich der Consument theuere, aber gute statt wohlfeiler, aber schlechter Waare anschafft. Die solid angelegten Eisenbahnen, deren Verwaltung rechtzeitig für die Aus¬ besserung des Bahnkörpers und die Erneuerung des Betriebsmaterials sorgt, rentiren auf die Dauer doch besser als diejenigen, welche möglichst schleunige Herstellung der Linie und die höchst mögliche Dividende jun Auge haben. Die Stahlschienen sind auf die Dauer billiger als die Etsenschienen. und doch entschließen sich die Privatgesellschaften viel schwerer und langsamer zu ihrer Anwendung. Das dritte Schlagwort lautet „die Concurrenz ist die Triebfeder des Fortschritts der Industrie". Wir waren stets mit unter den Ersten diesen Satz zu proclamiren und nachzuweisen, daß der Bortheil der Consumenten sowohl in Bezug auf die Güte als die Billigkeit der Waare und der Leistung am besten bestellt ist, wenn eine genügende Concurrenz der Producenten unter sich besteht. Schon nach dem Gesetz der Wechselwirkung von Ange¬ gebot und Nachfrage, in Folge dessen der Preis sinkt, wenn das Angebot steigt, und der Preis sich erhebt, wenn die Nachfrage sich vermehrt, muß die Concurrenz den Vortheil der Consumenten bewirken. Durch den Wetteifer vieler Producenten und Arbeiter in demselben Fache werden dieselben natür¬ lich genöthigt, alle ihre Aufmerksamkeit auf die Verbesserung ihrer Leistungen Zu verwenden und dieselben so gut als möglich und im Verhältniß zu ihrer Vortrefflichkeit auch noch so billig als möglich darzubieten, um nicht von den Mitbewerbenden vom Platze verdrängt zu werden. Man hat daher zu allen Zeiten die Erfahrung gemacht, daß für die Bedürfnisse der Consumenten aw. besten gesorgt war, wenn freie Concurrenz die Producenten zur Anspan¬ nung aller ihrer Leistungsfähigkeit zwang, daß aber diese Leistungs¬ fähigkeit sofort sich verminderte, sobald es den Producenten gelang, sich Grenzboten III. 187«. ' 37

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/297>, abgerufen am 27.09.2024.