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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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die Alternative zwischen Privat- und Staats-Jndustrie gestellt wird, kann sie
der Privat-Jndustrie auf keinen Fall zugezählt werden. Es war daher ein
entschiedener Irrthum, wenn in neuerer Zeit das Schlagwort von den Vor¬
theilen der Privat-Jndustrie auf die Actiengesellschaften mit angewendet
wurde. Dies ist ganz unzulässig, und deshalb ist die Behauptung, daß das
System der Privat-Eisenbahnen dem der Staatseisenbahnen aus diesem
Grunde einzuziehen sei, weil der Privatbetrieb überhaupt vortheilhafter als
der Staatsbetrieb, nichts als eine -- leere Phrase.

Auch das zweite Schlagwort, auf das man zu pochen liebt, daß der
Staat theuerer producire als der Privatmann, verliert bei näherer Unter¬
suchung den größten Theil seiner Stichhaltigkeit. Es ist allerdings nicht zu
leugnen, daß es in manchen Staaten in solchen Angelegenheiten verschwende¬
risch hergegangen ist, allein andere haben wieder das Beispiel sehr nach-
ahmenswerther Sparsamkeit gegeben. Man sieht also aus der Verschieden¬
heit dieses Erfolges, daß keine principielle Ursache zu Grunde gelegen haben
kann, sondern daß persönliche und andere veränderliche Gründe die Haupt¬
wirkung dabei äußern. Vergleicht man den Staats - mit dem Privatbetrieb,
so ist der erste Unterschied, welcher ins Auge fällt, der des in der Regel
größeren Umfanges des Ersteren. Nun ist aber einer der Hauptgründe,
welcher angeführt zu werden pflegt, weshalb das Kleingewerbe es mehr und
mehr erschwert finde, sich der Concurrenz der Großindustrie zu erwehren, der,
daß die letztere im Stande sei. billiger zu produciren. Dieselbe könne das
Rohmaterial im Großen und daher wohlfeiler einkaufen, durch die Anstellung
vieler Arbeiter größere Theilung der Arbeit einführen, so deren Geschicklich-
keit vermehren und, in höherem Maße Arbeit sparend. Maschinen anschaffen.
Dieser Umstand, welcher dem großen Unternehmer einen Vortheil vor dem
kleinen Handwerker verleiht, giebt natürlich auch der Actiengesellschaft einen
großen Vorsprung vor dem kleinen Privatunternehmer, welcher wieder andere
Nachtheile ausgleicht. Diesen nämlichen Vortheil aber genießt der Staats¬
betrieb vor dem kleinen Privatunternehmer. Wir sehen also auch hier wieder:
das Schlagwort zerbröckelt unter den Händen! Der Staat mag wohl theuerer
produciren, als der große Privatunternehmer; -- er braucht aber nicht theuerer
zu produciren als der kleine Privatunternehmer, wenn sein Betrieb nicht in
Händen von üppigen, verschwenderischen und gewissenlosen Beamten ist.
Allerdings sind z. B. beim Staatseisenbahnbau zuweilen zu kostspielige An¬
lagen gemacht worden, welche hätten vermieden werden können, wenn die
leitenden Behörden ihren ästhetischen Gelüsten nicht zu sehr Raum gegeben
oder die ganze Tragweite ihrer Aufgabe völlig klar durchdacht gehabt hätten.
Man kann bekanntlich auch zu solid bauen, so daß mit den Zinsen des zu
viel aufgewandten Capitals das Bauobject in bestimmter Zeit mehrmals neu


die Alternative zwischen Privat- und Staats-Jndustrie gestellt wird, kann sie
der Privat-Jndustrie auf keinen Fall zugezählt werden. Es war daher ein
entschiedener Irrthum, wenn in neuerer Zeit das Schlagwort von den Vor¬
theilen der Privat-Jndustrie auf die Actiengesellschaften mit angewendet
wurde. Dies ist ganz unzulässig, und deshalb ist die Behauptung, daß das
System der Privat-Eisenbahnen dem der Staatseisenbahnen aus diesem
Grunde einzuziehen sei, weil der Privatbetrieb überhaupt vortheilhafter als
der Staatsbetrieb, nichts als eine — leere Phrase.

Auch das zweite Schlagwort, auf das man zu pochen liebt, daß der
Staat theuerer producire als der Privatmann, verliert bei näherer Unter¬
suchung den größten Theil seiner Stichhaltigkeit. Es ist allerdings nicht zu
leugnen, daß es in manchen Staaten in solchen Angelegenheiten verschwende¬
risch hergegangen ist, allein andere haben wieder das Beispiel sehr nach-
ahmenswerther Sparsamkeit gegeben. Man sieht also aus der Verschieden¬
heit dieses Erfolges, daß keine principielle Ursache zu Grunde gelegen haben
kann, sondern daß persönliche und andere veränderliche Gründe die Haupt¬
wirkung dabei äußern. Vergleicht man den Staats - mit dem Privatbetrieb,
so ist der erste Unterschied, welcher ins Auge fällt, der des in der Regel
größeren Umfanges des Ersteren. Nun ist aber einer der Hauptgründe,
welcher angeführt zu werden pflegt, weshalb das Kleingewerbe es mehr und
mehr erschwert finde, sich der Concurrenz der Großindustrie zu erwehren, der,
daß die letztere im Stande sei. billiger zu produciren. Dieselbe könne das
Rohmaterial im Großen und daher wohlfeiler einkaufen, durch die Anstellung
vieler Arbeiter größere Theilung der Arbeit einführen, so deren Geschicklich-
keit vermehren und, in höherem Maße Arbeit sparend. Maschinen anschaffen.
Dieser Umstand, welcher dem großen Unternehmer einen Vortheil vor dem
kleinen Handwerker verleiht, giebt natürlich auch der Actiengesellschaft einen
großen Vorsprung vor dem kleinen Privatunternehmer, welcher wieder andere
Nachtheile ausgleicht. Diesen nämlichen Vortheil aber genießt der Staats¬
betrieb vor dem kleinen Privatunternehmer. Wir sehen also auch hier wieder:
das Schlagwort zerbröckelt unter den Händen! Der Staat mag wohl theuerer
produciren, als der große Privatunternehmer; — er braucht aber nicht theuerer
zu produciren als der kleine Privatunternehmer, wenn sein Betrieb nicht in
Händen von üppigen, verschwenderischen und gewissenlosen Beamten ist.
Allerdings sind z. B. beim Staatseisenbahnbau zuweilen zu kostspielige An¬
lagen gemacht worden, welche hätten vermieden werden können, wenn die
leitenden Behörden ihren ästhetischen Gelüsten nicht zu sehr Raum gegeben
oder die ganze Tragweite ihrer Aufgabe völlig klar durchdacht gehabt hätten.
Man kann bekanntlich auch zu solid bauen, so daß mit den Zinsen des zu
viel aufgewandten Capitals das Bauobject in bestimmter Zeit mehrmals neu


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[0296] die Alternative zwischen Privat- und Staats-Jndustrie gestellt wird, kann sie der Privat-Jndustrie auf keinen Fall zugezählt werden. Es war daher ein entschiedener Irrthum, wenn in neuerer Zeit das Schlagwort von den Vor¬ theilen der Privat-Jndustrie auf die Actiengesellschaften mit angewendet wurde. Dies ist ganz unzulässig, und deshalb ist die Behauptung, daß das System der Privat-Eisenbahnen dem der Staatseisenbahnen aus diesem Grunde einzuziehen sei, weil der Privatbetrieb überhaupt vortheilhafter als der Staatsbetrieb, nichts als eine — leere Phrase. Auch das zweite Schlagwort, auf das man zu pochen liebt, daß der Staat theuerer producire als der Privatmann, verliert bei näherer Unter¬ suchung den größten Theil seiner Stichhaltigkeit. Es ist allerdings nicht zu leugnen, daß es in manchen Staaten in solchen Angelegenheiten verschwende¬ risch hergegangen ist, allein andere haben wieder das Beispiel sehr nach- ahmenswerther Sparsamkeit gegeben. Man sieht also aus der Verschieden¬ heit dieses Erfolges, daß keine principielle Ursache zu Grunde gelegen haben kann, sondern daß persönliche und andere veränderliche Gründe die Haupt¬ wirkung dabei äußern. Vergleicht man den Staats - mit dem Privatbetrieb, so ist der erste Unterschied, welcher ins Auge fällt, der des in der Regel größeren Umfanges des Ersteren. Nun ist aber einer der Hauptgründe, welcher angeführt zu werden pflegt, weshalb das Kleingewerbe es mehr und mehr erschwert finde, sich der Concurrenz der Großindustrie zu erwehren, der, daß die letztere im Stande sei. billiger zu produciren. Dieselbe könne das Rohmaterial im Großen und daher wohlfeiler einkaufen, durch die Anstellung vieler Arbeiter größere Theilung der Arbeit einführen, so deren Geschicklich- keit vermehren und, in höherem Maße Arbeit sparend. Maschinen anschaffen. Dieser Umstand, welcher dem großen Unternehmer einen Vortheil vor dem kleinen Handwerker verleiht, giebt natürlich auch der Actiengesellschaft einen großen Vorsprung vor dem kleinen Privatunternehmer, welcher wieder andere Nachtheile ausgleicht. Diesen nämlichen Vortheil aber genießt der Staats¬ betrieb vor dem kleinen Privatunternehmer. Wir sehen also auch hier wieder: das Schlagwort zerbröckelt unter den Händen! Der Staat mag wohl theuerer produciren, als der große Privatunternehmer; — er braucht aber nicht theuerer zu produciren als der kleine Privatunternehmer, wenn sein Betrieb nicht in Händen von üppigen, verschwenderischen und gewissenlosen Beamten ist. Allerdings sind z. B. beim Staatseisenbahnbau zuweilen zu kostspielige An¬ lagen gemacht worden, welche hätten vermieden werden können, wenn die leitenden Behörden ihren ästhetischen Gelüsten nicht zu sehr Raum gegeben oder die ganze Tragweite ihrer Aufgabe völlig klar durchdacht gehabt hätten. Man kann bekanntlich auch zu solid bauen, so daß mit den Zinsen des zu viel aufgewandten Capitals das Bauobject in bestimmter Zeit mehrmals neu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/296>, abgerufen am 27.09.2024.