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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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"betriebene unredliche Fabrikation gelehrter Titel einen Makel auf die Nation
selbst geworfen" habe -- "schreiende Thatsachen" und "eine Schändung
des deutschen Namens", der man fernerhin nicht geduldig zusehen dürfe.
Unmittelbar an diese Ausfälle knüpfte Herr Mommsen die Mittheilung
von mehreren Zeitungsannoncen, die sich zur billigen und discreten Vermitte¬
lung von Promotionen, Doctordiplomen und Doktortiteln erboten, und
wollte dann allerdings nicht bezweifeln, daß jene Annoncenmacher sich "der
Regel nach anderer Diplomenfabriken und eines Schwindels von gröberer
Qualität bedienen", fügte aber sogleich hinzu, niemand könne "dafür ein¬
stehen, ob nicht dieses auf den Hintertreppen sich bewegende Vermittlungs¬
geschäft schließlich irgend einen deutschen Spsotabilis compromittire."

Diese schwerwiegenden directen und indirecten Verdächtigungen und
Beschuldigungen werden nun von der jenenser Philvsophenfacultät, als, soweit
sie diese angehen, "völlig der Wahrheit entbehrend" bezeichnet. "Ein Ka-
plan", so heißt es in der bezüglichen Erklärung, "oder ein katholischer Geist¬
licher ist weder kürzlich noch überhaupt von unsrer Facultät in absentia pro-
movtrt worden, so weit wir dies actenmäßig in die Jahrzehnte aufwärts
haben verfolgen können, namentlich sicher nicht von 1860 abwärts". --
Ferner: "Der Ausländer haben wir uns jederzeit gern erwehrt. Und so ist
denn von unserer Facultät seit mehr als zwölf Jahren nicht ein einziger Eng¬
länder in Ädskutia promovirt worden." -- "In wie unverantwortlicher Weise
Herr Mommsen in dieser Promotionsfrage die schwersten Beschuldigungen und
die ehrenrührigsten Beleidigungen gegen unsre Facultät erhoben hat. das geht
deutlich daraus hervor, daß er es nicht der Mühe werth gehalten hat, sich
nach unsern Promotionsbedingungen überhaupt nur zu erkundigen, ungeachtet
dieselben seit zehn Jahren gedruckt sind und jedem darum Nachsuchenden vom
Decan zugesandt werden. Erdballen sie auch nur die Hauptbestimmungen:
soviel hätte er doch mindestens daraus ersehen müssen, daß bei dem erforder¬
lichen Nachweis eines "Staatsexamens" die Absenzpromotion eines Kaplans
wie eines Engländers für uns nahezu in das Gebiet des Unmöglichen ge¬
hört." -- "Die sogenannte Absenzpromotion in der althergebrachten und
noch bis auf unsre Tage üblichen Weise, d. h. lediglich auf Grund einer
schriftlichen Abhandlung, mit oder ohne obligatorischen Druck derselben, be¬
steht bei uns schon seit zehn Jahren nicht mehr. Aber der Form nach be¬
steht sie in der gewiß sehr wesentlich verbesserten und das Hauptbedenken
völlig beseitigenden Weise, daß der Candidat, um sie zu erlangen, außer der
schriftlichen Arbeit auch den amtlichen Nachweis zu liefern hat, daß er bereits
^n gleichwerthiaes wissenschaftliches Staatsexamen abgelegt und dasselbe wohl
bestanden habe. Die Arbeit muß von der Facultät druckwürdig, mithin als
Wissenschaft förderlich erkannt werden. Ein Dispens von dem Druck der


„betriebene unredliche Fabrikation gelehrter Titel einen Makel auf die Nation
selbst geworfen" habe — „schreiende Thatsachen" und „eine Schändung
des deutschen Namens", der man fernerhin nicht geduldig zusehen dürfe.
Unmittelbar an diese Ausfälle knüpfte Herr Mommsen die Mittheilung
von mehreren Zeitungsannoncen, die sich zur billigen und discreten Vermitte¬
lung von Promotionen, Doctordiplomen und Doktortiteln erboten, und
wollte dann allerdings nicht bezweifeln, daß jene Annoncenmacher sich „der
Regel nach anderer Diplomenfabriken und eines Schwindels von gröberer
Qualität bedienen", fügte aber sogleich hinzu, niemand könne „dafür ein¬
stehen, ob nicht dieses auf den Hintertreppen sich bewegende Vermittlungs¬
geschäft schließlich irgend einen deutschen Spsotabilis compromittire."

Diese schwerwiegenden directen und indirecten Verdächtigungen und
Beschuldigungen werden nun von der jenenser Philvsophenfacultät, als, soweit
sie diese angehen, „völlig der Wahrheit entbehrend" bezeichnet. „Ein Ka-
plan", so heißt es in der bezüglichen Erklärung, „oder ein katholischer Geist¬
licher ist weder kürzlich noch überhaupt von unsrer Facultät in absentia pro-
movtrt worden, so weit wir dies actenmäßig in die Jahrzehnte aufwärts
haben verfolgen können, namentlich sicher nicht von 1860 abwärts". —
Ferner: „Der Ausländer haben wir uns jederzeit gern erwehrt. Und so ist
denn von unserer Facultät seit mehr als zwölf Jahren nicht ein einziger Eng¬
länder in Ädskutia promovirt worden." — „In wie unverantwortlicher Weise
Herr Mommsen in dieser Promotionsfrage die schwersten Beschuldigungen und
die ehrenrührigsten Beleidigungen gegen unsre Facultät erhoben hat. das geht
deutlich daraus hervor, daß er es nicht der Mühe werth gehalten hat, sich
nach unsern Promotionsbedingungen überhaupt nur zu erkundigen, ungeachtet
dieselben seit zehn Jahren gedruckt sind und jedem darum Nachsuchenden vom
Decan zugesandt werden. Erdballen sie auch nur die Hauptbestimmungen:
soviel hätte er doch mindestens daraus ersehen müssen, daß bei dem erforder¬
lichen Nachweis eines „Staatsexamens" die Absenzpromotion eines Kaplans
wie eines Engländers für uns nahezu in das Gebiet des Unmöglichen ge¬
hört." — „Die sogenannte Absenzpromotion in der althergebrachten und
noch bis auf unsre Tage üblichen Weise, d. h. lediglich auf Grund einer
schriftlichen Abhandlung, mit oder ohne obligatorischen Druck derselben, be¬
steht bei uns schon seit zehn Jahren nicht mehr. Aber der Form nach be¬
steht sie in der gewiß sehr wesentlich verbesserten und das Hauptbedenken
völlig beseitigenden Weise, daß der Candidat, um sie zu erlangen, außer der
schriftlichen Arbeit auch den amtlichen Nachweis zu liefern hat, daß er bereits
^n gleichwerthiaes wissenschaftliches Staatsexamen abgelegt und dasselbe wohl
bestanden habe. Die Arbeit muß von der Facultät druckwürdig, mithin als
Wissenschaft förderlich erkannt werden. Ein Dispens von dem Druck der


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[0275] „betriebene unredliche Fabrikation gelehrter Titel einen Makel auf die Nation selbst geworfen" habe — „schreiende Thatsachen" und „eine Schändung des deutschen Namens", der man fernerhin nicht geduldig zusehen dürfe. Unmittelbar an diese Ausfälle knüpfte Herr Mommsen die Mittheilung von mehreren Zeitungsannoncen, die sich zur billigen und discreten Vermitte¬ lung von Promotionen, Doctordiplomen und Doktortiteln erboten, und wollte dann allerdings nicht bezweifeln, daß jene Annoncenmacher sich „der Regel nach anderer Diplomenfabriken und eines Schwindels von gröberer Qualität bedienen", fügte aber sogleich hinzu, niemand könne „dafür ein¬ stehen, ob nicht dieses auf den Hintertreppen sich bewegende Vermittlungs¬ geschäft schließlich irgend einen deutschen Spsotabilis compromittire." Diese schwerwiegenden directen und indirecten Verdächtigungen und Beschuldigungen werden nun von der jenenser Philvsophenfacultät, als, soweit sie diese angehen, „völlig der Wahrheit entbehrend" bezeichnet. „Ein Ka- plan", so heißt es in der bezüglichen Erklärung, „oder ein katholischer Geist¬ licher ist weder kürzlich noch überhaupt von unsrer Facultät in absentia pro- movtrt worden, so weit wir dies actenmäßig in die Jahrzehnte aufwärts haben verfolgen können, namentlich sicher nicht von 1860 abwärts". — Ferner: „Der Ausländer haben wir uns jederzeit gern erwehrt. Und so ist denn von unserer Facultät seit mehr als zwölf Jahren nicht ein einziger Eng¬ länder in Ädskutia promovirt worden." — „In wie unverantwortlicher Weise Herr Mommsen in dieser Promotionsfrage die schwersten Beschuldigungen und die ehrenrührigsten Beleidigungen gegen unsre Facultät erhoben hat. das geht deutlich daraus hervor, daß er es nicht der Mühe werth gehalten hat, sich nach unsern Promotionsbedingungen überhaupt nur zu erkundigen, ungeachtet dieselben seit zehn Jahren gedruckt sind und jedem darum Nachsuchenden vom Decan zugesandt werden. Erdballen sie auch nur die Hauptbestimmungen: soviel hätte er doch mindestens daraus ersehen müssen, daß bei dem erforder¬ lichen Nachweis eines „Staatsexamens" die Absenzpromotion eines Kaplans wie eines Engländers für uns nahezu in das Gebiet des Unmöglichen ge¬ hört." — „Die sogenannte Absenzpromotion in der althergebrachten und noch bis auf unsre Tage üblichen Weise, d. h. lediglich auf Grund einer schriftlichen Abhandlung, mit oder ohne obligatorischen Druck derselben, be¬ steht bei uns schon seit zehn Jahren nicht mehr. Aber der Form nach be¬ steht sie in der gewiß sehr wesentlich verbesserten und das Hauptbedenken völlig beseitigenden Weise, daß der Candidat, um sie zu erlangen, außer der schriftlichen Arbeit auch den amtlichen Nachweis zu liefern hat, daß er bereits ^n gleichwerthiaes wissenschaftliches Staatsexamen abgelegt und dasselbe wohl bestanden habe. Die Arbeit muß von der Facultät druckwürdig, mithin als Wissenschaft förderlich erkannt werden. Ein Dispens von dem Druck der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/275>, abgerufen am 27.09.2024.