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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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geber nach Ebert behauptet, nur noch drei Exemplare, von denen eins sich in
der Pariser, eines in der ehemals Crevennaschen und eins in der Xenouard-
schen Bibliothek befindet. Nach Thomas Campanella scheint die Schrift zu¬
erst 1S98 in Deutschland gedruckt und 1S38 entstanden zu sein. Sicher ist,
daß die Behauptung theologischer Kritiker, das kleine Buch sei erst im sieben-
zehnten Jahrhundert im Druck erschienen, aus der Luft gegriffen ist. Die "drei
Betrüger" des Verfassers sind Moses, Christus und Muhamed, aber der Text
behandelt nur den ersten, indem er eine Anzahl von Behauptungen in der
Genesis als nicht stichhaltig nachzuweisen versucht. Ueber wenige Schriften
der Vorzeit sind so viele Vermuthungen aufgestellt worden. Nach Johann
Braut sollte sie in Krakau. nach Andern in Ungarn oder Italien als Ueber¬
setzung eines in Frankreich irgendwo aufbewahrten alten arabischen Originals
erschienen sein. Wilhelm Postel gedenkt ihrer als eines "l'racka.tus as tribus
xropketis" und nennt als Verfasser den von Calvin auf den Scheiterhaufen ge¬
schickten spanischen Arzt Michael Servet. Der Kapuziner Joly versichert im dritten
Bande seiner "Conferenzen über die Mysterien", daß der Hugenot Nicolaus
Barnaud 1612 wegen Verfertigung dieser Abhandlung von den drei Be¬
trügern excommunieirt worden sei. Johann Müller erzählt in seinem "Be¬
siegten Atheismus" von einem gewissen Nachtigal, derselbe habe sie 1614 im
Haag herausgegeben und sei deshalb mit Ausweisung bestraft worden. Nach
Mosheim hätte sie, wie erwähnt, Friedrich der Zweite geschrieben, und zwar
mit Hülfe seines Kanzlers de Vineis, doch erklärt sich letzterer im ersten
Buche seiner Briefe entschieden gegen die Anschauung, welche der Schrift
ihre Grundgedanken eingegeben hat. Wieder nach Andern hätte Averroös,
Peter Arelim oder Pomponatius das schlimme Pamphlet verbrochen. Heinrich
Ernst will es dem obengenannten Postel zugeschrieben wissen. Der Urheber
sollte ferner Cäsar Vanint. der 1619 zu Toulouse, oder Ryswik, der 16l2 zu
Rom als Ketzer den Feuertod erlitt, oder Macchiavelli sein. Wieder andere
Schriftsteller ließen den alten Humoristen Rabelais oder Erasmus oder gar
Milton, der doch erst 1608 geboren wurde, das ketzerische Büchlein geschrieben
haben. Noch Andere nannten einen Muhamedaner Merula oder den Philo¬
sophen Giordano Bruno als Verfasser. Nach Campanella wäre es Muret
oder Franz Poggio, nach Browne Bernhard Ochin, nach Maresius Johann
Boecacio. Nach dem Stil zu urtheilen, muß der Verfasser in der Zeit der
Renaissance gelebt haben. Schließlich darf man unsere Schrift nicht mit
andern verwechseln, welche denselben Titel tragen, aber ganz andere "Be¬
trüger" im Auge haben, und deren der Herausgeber im Vorworte eine
Anzahl nennt.




Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum in Leipzig.
Verlag von F. L. Hrrvig in Leipzig. -- Druck von Hüthel ". Herrmann in Leipzig.

geber nach Ebert behauptet, nur noch drei Exemplare, von denen eins sich in
der Pariser, eines in der ehemals Crevennaschen und eins in der Xenouard-
schen Bibliothek befindet. Nach Thomas Campanella scheint die Schrift zu¬
erst 1S98 in Deutschland gedruckt und 1S38 entstanden zu sein. Sicher ist,
daß die Behauptung theologischer Kritiker, das kleine Buch sei erst im sieben-
zehnten Jahrhundert im Druck erschienen, aus der Luft gegriffen ist. Die „drei
Betrüger" des Verfassers sind Moses, Christus und Muhamed, aber der Text
behandelt nur den ersten, indem er eine Anzahl von Behauptungen in der
Genesis als nicht stichhaltig nachzuweisen versucht. Ueber wenige Schriften
der Vorzeit sind so viele Vermuthungen aufgestellt worden. Nach Johann
Braut sollte sie in Krakau. nach Andern in Ungarn oder Italien als Ueber¬
setzung eines in Frankreich irgendwo aufbewahrten alten arabischen Originals
erschienen sein. Wilhelm Postel gedenkt ihrer als eines „l'racka.tus as tribus
xropketis" und nennt als Verfasser den von Calvin auf den Scheiterhaufen ge¬
schickten spanischen Arzt Michael Servet. Der Kapuziner Joly versichert im dritten
Bande seiner „Conferenzen über die Mysterien", daß der Hugenot Nicolaus
Barnaud 1612 wegen Verfertigung dieser Abhandlung von den drei Be¬
trügern excommunieirt worden sei. Johann Müller erzählt in seinem „Be¬
siegten Atheismus" von einem gewissen Nachtigal, derselbe habe sie 1614 im
Haag herausgegeben und sei deshalb mit Ausweisung bestraft worden. Nach
Mosheim hätte sie, wie erwähnt, Friedrich der Zweite geschrieben, und zwar
mit Hülfe seines Kanzlers de Vineis, doch erklärt sich letzterer im ersten
Buche seiner Briefe entschieden gegen die Anschauung, welche der Schrift
ihre Grundgedanken eingegeben hat. Wieder nach Andern hätte Averroös,
Peter Arelim oder Pomponatius das schlimme Pamphlet verbrochen. Heinrich
Ernst will es dem obengenannten Postel zugeschrieben wissen. Der Urheber
sollte ferner Cäsar Vanint. der 1619 zu Toulouse, oder Ryswik, der 16l2 zu
Rom als Ketzer den Feuertod erlitt, oder Macchiavelli sein. Wieder andere
Schriftsteller ließen den alten Humoristen Rabelais oder Erasmus oder gar
Milton, der doch erst 1608 geboren wurde, das ketzerische Büchlein geschrieben
haben. Noch Andere nannten einen Muhamedaner Merula oder den Philo¬
sophen Giordano Bruno als Verfasser. Nach Campanella wäre es Muret
oder Franz Poggio, nach Browne Bernhard Ochin, nach Maresius Johann
Boecacio. Nach dem Stil zu urtheilen, muß der Verfasser in der Zeit der
Renaissance gelebt haben. Schließlich darf man unsere Schrift nicht mit
andern verwechseln, welche denselben Titel tragen, aber ganz andere „Be¬
trüger" im Auge haben, und deren der Herausgeber im Vorworte eine
Anzahl nennt.




Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum in Leipzig.
Verlag von F. L. Hrrvig in Leipzig. — Druck von Hüthel «. Herrmann in Leipzig.
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[0248] geber nach Ebert behauptet, nur noch drei Exemplare, von denen eins sich in der Pariser, eines in der ehemals Crevennaschen und eins in der Xenouard- schen Bibliothek befindet. Nach Thomas Campanella scheint die Schrift zu¬ erst 1S98 in Deutschland gedruckt und 1S38 entstanden zu sein. Sicher ist, daß die Behauptung theologischer Kritiker, das kleine Buch sei erst im sieben- zehnten Jahrhundert im Druck erschienen, aus der Luft gegriffen ist. Die „drei Betrüger" des Verfassers sind Moses, Christus und Muhamed, aber der Text behandelt nur den ersten, indem er eine Anzahl von Behauptungen in der Genesis als nicht stichhaltig nachzuweisen versucht. Ueber wenige Schriften der Vorzeit sind so viele Vermuthungen aufgestellt worden. Nach Johann Braut sollte sie in Krakau. nach Andern in Ungarn oder Italien als Ueber¬ setzung eines in Frankreich irgendwo aufbewahrten alten arabischen Originals erschienen sein. Wilhelm Postel gedenkt ihrer als eines „l'racka.tus as tribus xropketis" und nennt als Verfasser den von Calvin auf den Scheiterhaufen ge¬ schickten spanischen Arzt Michael Servet. Der Kapuziner Joly versichert im dritten Bande seiner „Conferenzen über die Mysterien", daß der Hugenot Nicolaus Barnaud 1612 wegen Verfertigung dieser Abhandlung von den drei Be¬ trügern excommunieirt worden sei. Johann Müller erzählt in seinem „Be¬ siegten Atheismus" von einem gewissen Nachtigal, derselbe habe sie 1614 im Haag herausgegeben und sei deshalb mit Ausweisung bestraft worden. Nach Mosheim hätte sie, wie erwähnt, Friedrich der Zweite geschrieben, und zwar mit Hülfe seines Kanzlers de Vineis, doch erklärt sich letzterer im ersten Buche seiner Briefe entschieden gegen die Anschauung, welche der Schrift ihre Grundgedanken eingegeben hat. Wieder nach Andern hätte Averroös, Peter Arelim oder Pomponatius das schlimme Pamphlet verbrochen. Heinrich Ernst will es dem obengenannten Postel zugeschrieben wissen. Der Urheber sollte ferner Cäsar Vanint. der 1619 zu Toulouse, oder Ryswik, der 16l2 zu Rom als Ketzer den Feuertod erlitt, oder Macchiavelli sein. Wieder andere Schriftsteller ließen den alten Humoristen Rabelais oder Erasmus oder gar Milton, der doch erst 1608 geboren wurde, das ketzerische Büchlein geschrieben haben. Noch Andere nannten einen Muhamedaner Merula oder den Philo¬ sophen Giordano Bruno als Verfasser. Nach Campanella wäre es Muret oder Franz Poggio, nach Browne Bernhard Ochin, nach Maresius Johann Boecacio. Nach dem Stil zu urtheilen, muß der Verfasser in der Zeit der Renaissance gelebt haben. Schließlich darf man unsere Schrift nicht mit andern verwechseln, welche denselben Titel tragen, aber ganz andere „Be¬ trüger" im Auge haben, und deren der Herausgeber im Vorworte eine Anzahl nennt. Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum in Leipzig. Verlag von F. L. Hrrvig in Leipzig. — Druck von Hüthel «. Herrmann in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/248>, abgerufen am 27.09.2024.