Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Monaten Gefängniß und 3000 Mark Geldbuße verurtheilt worden sind.
Anfang 1872 hatten die Gebrüder Wrede mit einem Gründer-Consortium
einen Vertrag über den Verkauf ihrer Fabrik zu 1,100,000 Thlr. abgeschlossen
mit der Klausel, daß in diesem Kaufpreis eine Proviston von 180,000 für
die Gründer inbegriffen sein solle, aber nicht mehr, um das Geschäft lebens¬
fähig zu erhalten. In Wirklichkeit wurde aber die Fabrik zum Preis von
1.250,000 Thlr. an die Aktiengesellschaft verkauft, den Aktionären aber der
Umstand verheimlicht, daß das Gründungsobjekt mit 300,000 Thlr. über
seinen Werth angerechnet worden, wodurch von vorneherein die Rentabilität
des Geschäftes untergraben worden war.

Ein zweiter unreeller Brauch sowohl in Deutschland als in Oesterreich,
der aber in Letzterem nicht so strafbar ist als im Ersteren, weil er keinem be¬
stimmten Paragraphen des Gesetzes widerspricht, war der, die Zeichnung des
Aktienkapitals nur zu fingiren und die Gesellschaft mit möglichst günstigen
Bedingungen für die Gründer und unter möglichster Ausschließung aller
öffentlichen Kritik zu constatiren und dann erst die Aktien zu möglichst hohen
Preisen und unter der Hand an den Mann zu bringen. In Oesterreich, wo
das Gesetz die Einzahlung des Aktienkapitals nicht als unerläßliche Bedingung
der Constituirung hinstellt, läßt sich die fingirte Einzahlung mit dem Grunde
vertheidigen, daß sie Sache des Credits sei, und daß sie geschäftlich ganz gut
als geschehen angesehen werden könne, wenn notorisch zahlungsfähige Häuser
und Banken als Schuldner in Büchern figuriren. Anders verhält es sich
aber in Deutschland, wo das Aktiengesetz ausdrücklich die volle Einzahlung
verlangt. Die Einrede des Vertheidigers bei dem Prozesse der Rheinischen
Effeetenbank, welcher behauptet, das Gesetz habe unter Zahlung nicht die
Baarzahlung verstanden, und die Zahlung könne daher auch durch Crediti-
rung ersetzt werden, ist nichts als eine Sophisterei.

Bei manchen Anstalten war die fictive Einzahlung des Aktienkapitals,
-- gewissermaßen eine fictive Errichtung der Gesellschaft selbst. Denn es
wurden Gesellschaften formell ins Leben geführt, deren Aktionäre, Direktoren,
Verwaltungs- oder Aufsichtsräthe nur die Gründer selbst waren, und die Be¬
hörden waren leider in der Zeit der Ueberspeculation häufig so leichtfertig,
daß sie den Nachweis der Einzahlung des Aktienkapitals für geliefert be¬
trachteten, wenn einer oder mehrere Gründer durch ihre Bücher den Empfang
bestätigten.

Uns ist auch aus früheren Krisen kein Fall bekannt, in welchem solches
Treiben mit größerer Rücksichtslosigkeit in Scene gesetzt worden wäre, als
bei der Rheinischen Effeetenbank in Köln. Die dem Bankerott nahe, von
Gustav Horn, einem jungen Mann von 24 Jahren geleitete Bankfirma Horn
und Odenthal hat im September 1872 mit vier andern Häusern vor Notar


Monaten Gefängniß und 3000 Mark Geldbuße verurtheilt worden sind.
Anfang 1872 hatten die Gebrüder Wrede mit einem Gründer-Consortium
einen Vertrag über den Verkauf ihrer Fabrik zu 1,100,000 Thlr. abgeschlossen
mit der Klausel, daß in diesem Kaufpreis eine Proviston von 180,000 für
die Gründer inbegriffen sein solle, aber nicht mehr, um das Geschäft lebens¬
fähig zu erhalten. In Wirklichkeit wurde aber die Fabrik zum Preis von
1.250,000 Thlr. an die Aktiengesellschaft verkauft, den Aktionären aber der
Umstand verheimlicht, daß das Gründungsobjekt mit 300,000 Thlr. über
seinen Werth angerechnet worden, wodurch von vorneherein die Rentabilität
des Geschäftes untergraben worden war.

Ein zweiter unreeller Brauch sowohl in Deutschland als in Oesterreich,
der aber in Letzterem nicht so strafbar ist als im Ersteren, weil er keinem be¬
stimmten Paragraphen des Gesetzes widerspricht, war der, die Zeichnung des
Aktienkapitals nur zu fingiren und die Gesellschaft mit möglichst günstigen
Bedingungen für die Gründer und unter möglichster Ausschließung aller
öffentlichen Kritik zu constatiren und dann erst die Aktien zu möglichst hohen
Preisen und unter der Hand an den Mann zu bringen. In Oesterreich, wo
das Gesetz die Einzahlung des Aktienkapitals nicht als unerläßliche Bedingung
der Constituirung hinstellt, läßt sich die fingirte Einzahlung mit dem Grunde
vertheidigen, daß sie Sache des Credits sei, und daß sie geschäftlich ganz gut
als geschehen angesehen werden könne, wenn notorisch zahlungsfähige Häuser
und Banken als Schuldner in Büchern figuriren. Anders verhält es sich
aber in Deutschland, wo das Aktiengesetz ausdrücklich die volle Einzahlung
verlangt. Die Einrede des Vertheidigers bei dem Prozesse der Rheinischen
Effeetenbank, welcher behauptet, das Gesetz habe unter Zahlung nicht die
Baarzahlung verstanden, und die Zahlung könne daher auch durch Crediti-
rung ersetzt werden, ist nichts als eine Sophisterei.

Bei manchen Anstalten war die fictive Einzahlung des Aktienkapitals,
— gewissermaßen eine fictive Errichtung der Gesellschaft selbst. Denn es
wurden Gesellschaften formell ins Leben geführt, deren Aktionäre, Direktoren,
Verwaltungs- oder Aufsichtsräthe nur die Gründer selbst waren, und die Be¬
hörden waren leider in der Zeit der Ueberspeculation häufig so leichtfertig,
daß sie den Nachweis der Einzahlung des Aktienkapitals für geliefert be¬
trachteten, wenn einer oder mehrere Gründer durch ihre Bücher den Empfang
bestätigten.

Uns ist auch aus früheren Krisen kein Fall bekannt, in welchem solches
Treiben mit größerer Rücksichtslosigkeit in Scene gesetzt worden wäre, als
bei der Rheinischen Effeetenbank in Köln. Die dem Bankerott nahe, von
Gustav Horn, einem jungen Mann von 24 Jahren geleitete Bankfirma Horn
und Odenthal hat im September 1872 mit vier andern Häusern vor Notar


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0244" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136355"/>
          <p xml:id="ID_603" prev="#ID_602"> Monaten Gefängniß und 3000 Mark Geldbuße verurtheilt worden sind.<lb/>
Anfang 1872 hatten die Gebrüder Wrede mit einem Gründer-Consortium<lb/>
einen Vertrag über den Verkauf ihrer Fabrik zu 1,100,000 Thlr. abgeschlossen<lb/>
mit der Klausel, daß in diesem Kaufpreis eine Proviston von 180,000 für<lb/>
die Gründer inbegriffen sein solle, aber nicht mehr, um das Geschäft lebens¬<lb/>
fähig zu erhalten. In Wirklichkeit wurde aber die Fabrik zum Preis von<lb/>
1.250,000 Thlr. an die Aktiengesellschaft verkauft, den Aktionären aber der<lb/>
Umstand verheimlicht, daß das Gründungsobjekt mit 300,000 Thlr. über<lb/>
seinen Werth angerechnet worden, wodurch von vorneherein die Rentabilität<lb/>
des Geschäftes untergraben worden war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_604"> Ein zweiter unreeller Brauch sowohl in Deutschland als in Oesterreich,<lb/>
der aber in Letzterem nicht so strafbar ist als im Ersteren, weil er keinem be¬<lb/>
stimmten Paragraphen des Gesetzes widerspricht, war der, die Zeichnung des<lb/>
Aktienkapitals nur zu fingiren und die Gesellschaft mit möglichst günstigen<lb/>
Bedingungen für die Gründer und unter möglichster Ausschließung aller<lb/>
öffentlichen Kritik zu constatiren und dann erst die Aktien zu möglichst hohen<lb/>
Preisen und unter der Hand an den Mann zu bringen. In Oesterreich, wo<lb/>
das Gesetz die Einzahlung des Aktienkapitals nicht als unerläßliche Bedingung<lb/>
der Constituirung hinstellt, läßt sich die fingirte Einzahlung mit dem Grunde<lb/>
vertheidigen, daß sie Sache des Credits sei, und daß sie geschäftlich ganz gut<lb/>
als geschehen angesehen werden könne, wenn notorisch zahlungsfähige Häuser<lb/>
und Banken als Schuldner in Büchern figuriren. Anders verhält es sich<lb/>
aber in Deutschland, wo das Aktiengesetz ausdrücklich die volle Einzahlung<lb/>
verlangt. Die Einrede des Vertheidigers bei dem Prozesse der Rheinischen<lb/>
Effeetenbank, welcher behauptet, das Gesetz habe unter Zahlung nicht die<lb/>
Baarzahlung verstanden, und die Zahlung könne daher auch durch Crediti-<lb/>
rung ersetzt werden, ist nichts als eine Sophisterei.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_605"> Bei manchen Anstalten war die fictive Einzahlung des Aktienkapitals,<lb/>
&#x2014; gewissermaßen eine fictive Errichtung der Gesellschaft selbst. Denn es<lb/>
wurden Gesellschaften formell ins Leben geführt, deren Aktionäre, Direktoren,<lb/>
Verwaltungs- oder Aufsichtsräthe nur die Gründer selbst waren, und die Be¬<lb/>
hörden waren leider in der Zeit der Ueberspeculation häufig so leichtfertig,<lb/>
daß sie den Nachweis der Einzahlung des Aktienkapitals für geliefert be¬<lb/>
trachteten, wenn einer oder mehrere Gründer durch ihre Bücher den Empfang<lb/>
bestätigten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_606" next="#ID_607"> Uns ist auch aus früheren Krisen kein Fall bekannt, in welchem solches<lb/>
Treiben mit größerer Rücksichtslosigkeit in Scene gesetzt worden wäre, als<lb/>
bei der Rheinischen Effeetenbank in Köln. Die dem Bankerott nahe, von<lb/>
Gustav Horn, einem jungen Mann von 24 Jahren geleitete Bankfirma Horn<lb/>
und Odenthal hat im September 1872 mit vier andern Häusern vor Notar</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0244] Monaten Gefängniß und 3000 Mark Geldbuße verurtheilt worden sind. Anfang 1872 hatten die Gebrüder Wrede mit einem Gründer-Consortium einen Vertrag über den Verkauf ihrer Fabrik zu 1,100,000 Thlr. abgeschlossen mit der Klausel, daß in diesem Kaufpreis eine Proviston von 180,000 für die Gründer inbegriffen sein solle, aber nicht mehr, um das Geschäft lebens¬ fähig zu erhalten. In Wirklichkeit wurde aber die Fabrik zum Preis von 1.250,000 Thlr. an die Aktiengesellschaft verkauft, den Aktionären aber der Umstand verheimlicht, daß das Gründungsobjekt mit 300,000 Thlr. über seinen Werth angerechnet worden, wodurch von vorneherein die Rentabilität des Geschäftes untergraben worden war. Ein zweiter unreeller Brauch sowohl in Deutschland als in Oesterreich, der aber in Letzterem nicht so strafbar ist als im Ersteren, weil er keinem be¬ stimmten Paragraphen des Gesetzes widerspricht, war der, die Zeichnung des Aktienkapitals nur zu fingiren und die Gesellschaft mit möglichst günstigen Bedingungen für die Gründer und unter möglichster Ausschließung aller öffentlichen Kritik zu constatiren und dann erst die Aktien zu möglichst hohen Preisen und unter der Hand an den Mann zu bringen. In Oesterreich, wo das Gesetz die Einzahlung des Aktienkapitals nicht als unerläßliche Bedingung der Constituirung hinstellt, läßt sich die fingirte Einzahlung mit dem Grunde vertheidigen, daß sie Sache des Credits sei, und daß sie geschäftlich ganz gut als geschehen angesehen werden könne, wenn notorisch zahlungsfähige Häuser und Banken als Schuldner in Büchern figuriren. Anders verhält es sich aber in Deutschland, wo das Aktiengesetz ausdrücklich die volle Einzahlung verlangt. Die Einrede des Vertheidigers bei dem Prozesse der Rheinischen Effeetenbank, welcher behauptet, das Gesetz habe unter Zahlung nicht die Baarzahlung verstanden, und die Zahlung könne daher auch durch Crediti- rung ersetzt werden, ist nichts als eine Sophisterei. Bei manchen Anstalten war die fictive Einzahlung des Aktienkapitals, — gewissermaßen eine fictive Errichtung der Gesellschaft selbst. Denn es wurden Gesellschaften formell ins Leben geführt, deren Aktionäre, Direktoren, Verwaltungs- oder Aufsichtsräthe nur die Gründer selbst waren, und die Be¬ hörden waren leider in der Zeit der Ueberspeculation häufig so leichtfertig, daß sie den Nachweis der Einzahlung des Aktienkapitals für geliefert be¬ trachteten, wenn einer oder mehrere Gründer durch ihre Bücher den Empfang bestätigten. Uns ist auch aus früheren Krisen kein Fall bekannt, in welchem solches Treiben mit größerer Rücksichtslosigkeit in Scene gesetzt worden wäre, als bei der Rheinischen Effeetenbank in Köln. Die dem Bankerott nahe, von Gustav Horn, einem jungen Mann von 24 Jahren geleitete Bankfirma Horn und Odenthal hat im September 1872 mit vier andern Häusern vor Notar

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/244
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/244>, abgerufen am 27.09.2024.