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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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angesehene Männer wegen "Betrugs" bestraft zu sehen, ohne daß diese
Männer bei ihren Standesgenossen, falls diese nicht feige der jetzt geltenden
Richtung wieder mit ihrer Ueberzeugung huldigen, an Ansehen verlieren, ist
eine Frage, die kein Unbefangener ohne Weiteres bejahen wird."

Ich kann mein Erstaunen darüber nicht verhehlen, daß diese Aeußerungen
einer laxe" Moral noch vielfach mit Wohlgefallen reproducirt worden sind.
Es liegt aber gerade im Interesse des redlichen Volksfleißes und der soliden
Industrie, daß ehrliche Unternehmungen nicht mit solchen Auswüchsen
vermengt werden.

Ich schicke voraus, daß ich durchaus nicht in das vage Geschrei gegen
die Gründer einstimme, sondern daß ich die ehrlichen Gründer für eine recht
nützliche Menschenklasse halte, weil sie die Industrie aus dem alten "erfahr¬
nen Geleise auf neue Bahnen treibt und den Anstoß zur Erringung höherer
Stufen giebt. Allein wie in jeder Berufsklasse so giebt es auch unter den
Gründern unehrliche Leute oder, wir wollen lieber sagen, gewissenlose Leute,
die sich nichts daraus machen, ein Gesetz zu übertreten! Gerade die Hand¬
lungsweise dieser Leute aber sucht das bezügliche Börsenorgan zu beschönigen.
Um klar zu machen, daß es sich da nicht um zweifelhafte Dinge handelt,
sondern daß bei den vom Gericht belangten Personen unzweifelhafte Gesetz¬
übertretungen in Frage kommen, wollen wir gleich darauf hinweisen, daß
schon seit der Krisis von 1857 eine ganze Schablone von Kniffen in der
Praxis der unredlichen Gründer sich ausgebildet hat, welche vor der letzten
Krisis gleichsam als gang und gäber Typus vielfach Anwendung fand. Die
hauptsächlichsten dieser Kniffe waren folgende:

Um den Gründergewinn möglichst hoch greifen zu können, suchte man
ihn zu verstecken und bediente sich dazu, wo es nur irgend anging, des be¬
liebten Mittels, die Gründung einer Aktiengesellschaft mit dem Ankauf eines
Gründungsobjektes zu beginnen, wobei die Gründer die Differenz zwischen
dem Kaufpreis und zwischen dem Preis, um welchen sie das Gründungs¬
objekt der Gesellschaft anrechneten, in die eigene Tasche steckten. Wir wollen
nun nicht sagen, daß wir eine solche Manipulation, wenn sie ehrlich und
offen geschieht, ohne Weiteres verurtheilen wollen. Warum sollte ein Ge¬
schäftsmann nicht das Recht haben, eine Fabrik zu kaufen und sie nachher
an eine bestehende oder neu zu begründende Aktiengesellschaft wieder mit
Gewinn zu verkaufen? Aller Handel und alle Handelsvermittlungen geschehen
ja, um Gewinn zu machen. Allein bei einem solchen Geschäfte muß klarer
Wein eingeschenkt werden. Die Aktiengesellschaft darf über den wahren
Werth des Gründerobjektes nicht getäuscht werden. Sie darf nicht durch
Vorspiegelung falscher oder durch Verschweigung vorhandener wahrer That-
sachen dahin gebracht werden, daß sie dem ursprünglichen Eigenthümer


angesehene Männer wegen „Betrugs" bestraft zu sehen, ohne daß diese
Männer bei ihren Standesgenossen, falls diese nicht feige der jetzt geltenden
Richtung wieder mit ihrer Ueberzeugung huldigen, an Ansehen verlieren, ist
eine Frage, die kein Unbefangener ohne Weiteres bejahen wird."

Ich kann mein Erstaunen darüber nicht verhehlen, daß diese Aeußerungen
einer laxe» Moral noch vielfach mit Wohlgefallen reproducirt worden sind.
Es liegt aber gerade im Interesse des redlichen Volksfleißes und der soliden
Industrie, daß ehrliche Unternehmungen nicht mit solchen Auswüchsen
vermengt werden.

Ich schicke voraus, daß ich durchaus nicht in das vage Geschrei gegen
die Gründer einstimme, sondern daß ich die ehrlichen Gründer für eine recht
nützliche Menschenklasse halte, weil sie die Industrie aus dem alten «erfahr¬
nen Geleise auf neue Bahnen treibt und den Anstoß zur Erringung höherer
Stufen giebt. Allein wie in jeder Berufsklasse so giebt es auch unter den
Gründern unehrliche Leute oder, wir wollen lieber sagen, gewissenlose Leute,
die sich nichts daraus machen, ein Gesetz zu übertreten! Gerade die Hand¬
lungsweise dieser Leute aber sucht das bezügliche Börsenorgan zu beschönigen.
Um klar zu machen, daß es sich da nicht um zweifelhafte Dinge handelt,
sondern daß bei den vom Gericht belangten Personen unzweifelhafte Gesetz¬
übertretungen in Frage kommen, wollen wir gleich darauf hinweisen, daß
schon seit der Krisis von 1857 eine ganze Schablone von Kniffen in der
Praxis der unredlichen Gründer sich ausgebildet hat, welche vor der letzten
Krisis gleichsam als gang und gäber Typus vielfach Anwendung fand. Die
hauptsächlichsten dieser Kniffe waren folgende:

Um den Gründergewinn möglichst hoch greifen zu können, suchte man
ihn zu verstecken und bediente sich dazu, wo es nur irgend anging, des be¬
liebten Mittels, die Gründung einer Aktiengesellschaft mit dem Ankauf eines
Gründungsobjektes zu beginnen, wobei die Gründer die Differenz zwischen
dem Kaufpreis und zwischen dem Preis, um welchen sie das Gründungs¬
objekt der Gesellschaft anrechneten, in die eigene Tasche steckten. Wir wollen
nun nicht sagen, daß wir eine solche Manipulation, wenn sie ehrlich und
offen geschieht, ohne Weiteres verurtheilen wollen. Warum sollte ein Ge¬
schäftsmann nicht das Recht haben, eine Fabrik zu kaufen und sie nachher
an eine bestehende oder neu zu begründende Aktiengesellschaft wieder mit
Gewinn zu verkaufen? Aller Handel und alle Handelsvermittlungen geschehen
ja, um Gewinn zu machen. Allein bei einem solchen Geschäfte muß klarer
Wein eingeschenkt werden. Die Aktiengesellschaft darf über den wahren
Werth des Gründerobjektes nicht getäuscht werden. Sie darf nicht durch
Vorspiegelung falscher oder durch Verschweigung vorhandener wahrer That-
sachen dahin gebracht werden, daß sie dem ursprünglichen Eigenthümer


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[0242] angesehene Männer wegen „Betrugs" bestraft zu sehen, ohne daß diese Männer bei ihren Standesgenossen, falls diese nicht feige der jetzt geltenden Richtung wieder mit ihrer Ueberzeugung huldigen, an Ansehen verlieren, ist eine Frage, die kein Unbefangener ohne Weiteres bejahen wird." Ich kann mein Erstaunen darüber nicht verhehlen, daß diese Aeußerungen einer laxe» Moral noch vielfach mit Wohlgefallen reproducirt worden sind. Es liegt aber gerade im Interesse des redlichen Volksfleißes und der soliden Industrie, daß ehrliche Unternehmungen nicht mit solchen Auswüchsen vermengt werden. Ich schicke voraus, daß ich durchaus nicht in das vage Geschrei gegen die Gründer einstimme, sondern daß ich die ehrlichen Gründer für eine recht nützliche Menschenklasse halte, weil sie die Industrie aus dem alten «erfahr¬ nen Geleise auf neue Bahnen treibt und den Anstoß zur Erringung höherer Stufen giebt. Allein wie in jeder Berufsklasse so giebt es auch unter den Gründern unehrliche Leute oder, wir wollen lieber sagen, gewissenlose Leute, die sich nichts daraus machen, ein Gesetz zu übertreten! Gerade die Hand¬ lungsweise dieser Leute aber sucht das bezügliche Börsenorgan zu beschönigen. Um klar zu machen, daß es sich da nicht um zweifelhafte Dinge handelt, sondern daß bei den vom Gericht belangten Personen unzweifelhafte Gesetz¬ übertretungen in Frage kommen, wollen wir gleich darauf hinweisen, daß schon seit der Krisis von 1857 eine ganze Schablone von Kniffen in der Praxis der unredlichen Gründer sich ausgebildet hat, welche vor der letzten Krisis gleichsam als gang und gäber Typus vielfach Anwendung fand. Die hauptsächlichsten dieser Kniffe waren folgende: Um den Gründergewinn möglichst hoch greifen zu können, suchte man ihn zu verstecken und bediente sich dazu, wo es nur irgend anging, des be¬ liebten Mittels, die Gründung einer Aktiengesellschaft mit dem Ankauf eines Gründungsobjektes zu beginnen, wobei die Gründer die Differenz zwischen dem Kaufpreis und zwischen dem Preis, um welchen sie das Gründungs¬ objekt der Gesellschaft anrechneten, in die eigene Tasche steckten. Wir wollen nun nicht sagen, daß wir eine solche Manipulation, wenn sie ehrlich und offen geschieht, ohne Weiteres verurtheilen wollen. Warum sollte ein Ge¬ schäftsmann nicht das Recht haben, eine Fabrik zu kaufen und sie nachher an eine bestehende oder neu zu begründende Aktiengesellschaft wieder mit Gewinn zu verkaufen? Aller Handel und alle Handelsvermittlungen geschehen ja, um Gewinn zu machen. Allein bei einem solchen Geschäfte muß klarer Wein eingeschenkt werden. Die Aktiengesellschaft darf über den wahren Werth des Gründerobjektes nicht getäuscht werden. Sie darf nicht durch Vorspiegelung falscher oder durch Verschweigung vorhandener wahrer That- sachen dahin gebracht werden, daß sie dem ursprünglichen Eigenthümer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/242>, abgerufen am 27.09.2024.