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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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unbehaglicher, aber auch die Washington's, der Alles erst aus dem Rohen, ja
aus dem Nichts sich schaffen mußte, war eine solche, daß gigantische Kraft
und leidenschaftliche Ruhe dazu gehörten, solchen Aufgaben zu genügen. Der
Congreß erlaubte zwar Anwerbungen von Truppen, vermied aber jeden ener¬
gischen Schritt, weil er auf günstigen Erfolg der Petition, deren Schicksal
ich oben bereits berührt, rechnete. Darum legte er auch den Vorschlag einer
Conföderation, den der geniale Franklin den 21. Juli einreichte, bei Seite,
die in ihm erstrebte Unabhängigkeitserklärung suchte er ja ängstlich zu ver¬
meiden, obgleich jetzt Georgia den bisherigen Beschlüssen der zwölf Colonien
beigetreten war und so dreizehn Glieder sich verbunden hatten, um dem Des¬
potismus des Hauptes zu widerstehen. Nur wenige Männer, vor Allem
Franklin, John und Samuel Adams, sahen, daß der alte Friede für ewig
dahin sei, die anderen Congreßdeputirten zitterten vor dem unheilbaren Bruche,
lebten zu sehr in den schönen Reminicenzen der Tage, da Mutter und Kind
einträchtig einen Pfad gewandelt, als daß sie schon das Band hätten zer¬
reißen mögen. Atzt aber kam die Nachricht nach Amerika, in welch schnöder
Weise Georg die bittenden Unterthanen vom Fuße des Thrones zurückge¬
stoßen, und selbst den Blinden mußten die Schuppen von den Augen fallen,
dieser Monarch wollte keine Aussöhnung, eitel und hartköpfig verspielte er
lieber eine Krone als daß er einige Verordnungen zurücknahm. Mit Recht
durfte Jefferson sagen, "alle Umstände beweisen, daß er der bitterste Feind ist,
den wir haben." Georg's Proklamation schlug nicht nur Amerika, sondern
auch seinen Wortführern in England wie Chatham, Shelburne, Camden,
Barre u. A. ins Angesicht, Hochverrath ward allen Verfechtern Amerikas
zum Vorwurfe gemacht, und aus den Zeilen klangen die Beile des Viktors
wieder -- ungeschickter konnte kein Aktenstück abgefaßt sein, als eben dieses
vom 23. August datirte. Vergennes jubelte auf, denn er sah auf dem An¬
tlitze des Königs von England die Freude sich spiegeln, wenn er daran dachte,
wie er Amerika verwüsten wollte, und Georg stand mit solchen Rachegedanken
nicht allein. Rochfort sprach von der Einäscherung Bostons. Jetzt wurde'
an Gage's Stelle Howe Commandant in Boston, der König nahm han-
növerische Truppen in Sold, und während Frankreich durch Emissaire sich
heimlich Amerika näherte und öffentlich solche Annäherung leugnete, fand
Georg den Erbprinzen von Hessen - Cassel bereit, ihm Truppen zu vermiethen.
Machte hingegen vergebliche Versuche in gleicher Richtung bei den General¬
staaten und in Rußland. Am 26. Oktober eröffnete Georg das Parlament,
vergebens hatte Grafton ihn versöhnlicher zu stimmen gesucht -- in schroffem
eisigen Tone beschuldigte er die "Rebellen", sie trachteten nach der Gründung
eines unabhängigen Reiches, empfahl gegen sie Vermehrung des Heeres und
der Flotte und versicherte, auswärtiger Beistand sei ihm freundlichst ange-


Grcnzboten III. 1876. 29

unbehaglicher, aber auch die Washington's, der Alles erst aus dem Rohen, ja
aus dem Nichts sich schaffen mußte, war eine solche, daß gigantische Kraft
und leidenschaftliche Ruhe dazu gehörten, solchen Aufgaben zu genügen. Der
Congreß erlaubte zwar Anwerbungen von Truppen, vermied aber jeden ener¬
gischen Schritt, weil er auf günstigen Erfolg der Petition, deren Schicksal
ich oben bereits berührt, rechnete. Darum legte er auch den Vorschlag einer
Conföderation, den der geniale Franklin den 21. Juli einreichte, bei Seite,
die in ihm erstrebte Unabhängigkeitserklärung suchte er ja ängstlich zu ver¬
meiden, obgleich jetzt Georgia den bisherigen Beschlüssen der zwölf Colonien
beigetreten war und so dreizehn Glieder sich verbunden hatten, um dem Des¬
potismus des Hauptes zu widerstehen. Nur wenige Männer, vor Allem
Franklin, John und Samuel Adams, sahen, daß der alte Friede für ewig
dahin sei, die anderen Congreßdeputirten zitterten vor dem unheilbaren Bruche,
lebten zu sehr in den schönen Reminicenzen der Tage, da Mutter und Kind
einträchtig einen Pfad gewandelt, als daß sie schon das Band hätten zer¬
reißen mögen. Atzt aber kam die Nachricht nach Amerika, in welch schnöder
Weise Georg die bittenden Unterthanen vom Fuße des Thrones zurückge¬
stoßen, und selbst den Blinden mußten die Schuppen von den Augen fallen,
dieser Monarch wollte keine Aussöhnung, eitel und hartköpfig verspielte er
lieber eine Krone als daß er einige Verordnungen zurücknahm. Mit Recht
durfte Jefferson sagen, „alle Umstände beweisen, daß er der bitterste Feind ist,
den wir haben." Georg's Proklamation schlug nicht nur Amerika, sondern
auch seinen Wortführern in England wie Chatham, Shelburne, Camden,
Barre u. A. ins Angesicht, Hochverrath ward allen Verfechtern Amerikas
zum Vorwurfe gemacht, und aus den Zeilen klangen die Beile des Viktors
wieder — ungeschickter konnte kein Aktenstück abgefaßt sein, als eben dieses
vom 23. August datirte. Vergennes jubelte auf, denn er sah auf dem An¬
tlitze des Königs von England die Freude sich spiegeln, wenn er daran dachte,
wie er Amerika verwüsten wollte, und Georg stand mit solchen Rachegedanken
nicht allein. Rochfort sprach von der Einäscherung Bostons. Jetzt wurde'
an Gage's Stelle Howe Commandant in Boston, der König nahm han-
növerische Truppen in Sold, und während Frankreich durch Emissaire sich
heimlich Amerika näherte und öffentlich solche Annäherung leugnete, fand
Georg den Erbprinzen von Hessen - Cassel bereit, ihm Truppen zu vermiethen.
Machte hingegen vergebliche Versuche in gleicher Richtung bei den General¬
staaten und in Rußland. Am 26. Oktober eröffnete Georg das Parlament,
vergebens hatte Grafton ihn versöhnlicher zu stimmen gesucht — in schroffem
eisigen Tone beschuldigte er die „Rebellen", sie trachteten nach der Gründung
eines unabhängigen Reiches, empfahl gegen sie Vermehrung des Heeres und
der Flotte und versicherte, auswärtiger Beistand sei ihm freundlichst ange-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/233>, abgerufen am 27.09.2024.