Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

vernachlässigt. Eine Klosterschule erstand; unermüdlich schrieben und malten die
t'rutres litterati ihre schönen Handschriften, während die tratres illiterati Meißel
und Schnitzmesiec führten oder die Hörigen und Knechte des Gutes regierten.
Denn schon war aus der kleinen Zelle ein ausgedehnter Gebäudecomplex, ein
"Wabenban geistlicher Bienen" geworden, darin jeder Theil seine sorgfältig
bemeßne Bestimmung hatte, auf der einen Seite die in der Clausur begriffenen
Gebäude: die Kirche, das eigentliche Kloster, die Abtswohnung, auf der
andern das Kastengebäude (Vorrathshaus), die Schaffnern, das Hospital,
das Freudenhaus, der Meierhof u. s. w. Alle Fäden einer weitläufigen
Gutsverwaltung liefen hier zusammen. Trotz seiner abgeschiedenen Lage aber
konnte das Stift schon seines weltlichen Besitzes wegen den Reichs- und
Landesangelegenheiten unmöglich fern bleiben. Im Kampfe zwischen Staat
und Kirche stand es -- wie erklärlich -- bei der päpstlichen Partei; deshalb
ward es 1078 von königlichen Schaaren fast völlig zerstört. Trotzdem hielten
unter Heinrich V. die Admonter Mönche den vor dem Kaiser flüchtigen Erz-
vischof Konrad I. von Salzburg monatelang in den Klüften des "Gehäuses"
verborgen. Dann begleitete Abt Jsenrik als streitbarer Kirchenfürst Kaiser
Friedrich Rothbart nach dem heiligen Lande, fand aber unterwegs seinen
Tod. Als dann der Enkel Barbarossa's Friedrich II. 1236 nach Steiermark
und Oesterreich kam, um seinen Gegner Herzog Friedrich den streitbaren
zu stürzen, da verweilte er auch in Admonr und bestätigte bereitwillig die
Rechte und Güter des Stifts, das sich diese Befestigung seiner Stellung in
diesen unsicheren Zeitläufen vorschauend erbat.

In der That folgte bald eine Periode voller Verwirrung. Im Jahre
1246 starb Friedrich der Streitbare von Oesterreich in Steiermark gegen die
Magyaren den Heldentod; für seine Lande brach damit eine Zeit der Un¬
sicherheit und Zerrüttung herein, die erst mit der definitiven Erwerbung durch
die Habsburger (1278) ihr Ende fand. Dazu loderte seit 1239 im Reiche
der Bürgerkrieg zwischen Kaiser und Papst, und der Tod vollends Friedrich's
II. stürzte Alles in unabsehbare Verwirrung. Und wie jede staatliche Fügung
sich zu lösen schien, so erlebte Deutschland einen plötzlichen Rückgang in Ge¬
sittung und Bildung. Wüste Raub- und Fehdelust beherrschte den Adel,
jede Hand hob sich gegen die andere. Da vergaß auch der Clerus seine hohe
Bestimmung; schimpfliche Unwissenheit brach auch in den hervorragendsten
Klöstern herein, aller Orten rissen jäh die Bande geistlicher Zucht. So auch
in Admont. Die Heereszüge König Ottokar's II. von Böhmen, der seit 1280
Oesterreich, seit 1260 Steiermark beherrschte, erschöpften die Mittel des Stifts,
eine Hungersnoth im Ermsthale zwang 1261 den Abt Friedrich, mit seinem
ganzen Convente nach Salzburg auszuwandern; seinen Nachfolger Ulrich ver-


vernachlässigt. Eine Klosterschule erstand; unermüdlich schrieben und malten die
t'rutres litterati ihre schönen Handschriften, während die tratres illiterati Meißel
und Schnitzmesiec führten oder die Hörigen und Knechte des Gutes regierten.
Denn schon war aus der kleinen Zelle ein ausgedehnter Gebäudecomplex, ein
„Wabenban geistlicher Bienen" geworden, darin jeder Theil seine sorgfältig
bemeßne Bestimmung hatte, auf der einen Seite die in der Clausur begriffenen
Gebäude: die Kirche, das eigentliche Kloster, die Abtswohnung, auf der
andern das Kastengebäude (Vorrathshaus), die Schaffnern, das Hospital,
das Freudenhaus, der Meierhof u. s. w. Alle Fäden einer weitläufigen
Gutsverwaltung liefen hier zusammen. Trotz seiner abgeschiedenen Lage aber
konnte das Stift schon seines weltlichen Besitzes wegen den Reichs- und
Landesangelegenheiten unmöglich fern bleiben. Im Kampfe zwischen Staat
und Kirche stand es — wie erklärlich — bei der päpstlichen Partei; deshalb
ward es 1078 von königlichen Schaaren fast völlig zerstört. Trotzdem hielten
unter Heinrich V. die Admonter Mönche den vor dem Kaiser flüchtigen Erz-
vischof Konrad I. von Salzburg monatelang in den Klüften des „Gehäuses"
verborgen. Dann begleitete Abt Jsenrik als streitbarer Kirchenfürst Kaiser
Friedrich Rothbart nach dem heiligen Lande, fand aber unterwegs seinen
Tod. Als dann der Enkel Barbarossa's Friedrich II. 1236 nach Steiermark
und Oesterreich kam, um seinen Gegner Herzog Friedrich den streitbaren
zu stürzen, da verweilte er auch in Admonr und bestätigte bereitwillig die
Rechte und Güter des Stifts, das sich diese Befestigung seiner Stellung in
diesen unsicheren Zeitläufen vorschauend erbat.

In der That folgte bald eine Periode voller Verwirrung. Im Jahre
1246 starb Friedrich der Streitbare von Oesterreich in Steiermark gegen die
Magyaren den Heldentod; für seine Lande brach damit eine Zeit der Un¬
sicherheit und Zerrüttung herein, die erst mit der definitiven Erwerbung durch
die Habsburger (1278) ihr Ende fand. Dazu loderte seit 1239 im Reiche
der Bürgerkrieg zwischen Kaiser und Papst, und der Tod vollends Friedrich's
II. stürzte Alles in unabsehbare Verwirrung. Und wie jede staatliche Fügung
sich zu lösen schien, so erlebte Deutschland einen plötzlichen Rückgang in Ge¬
sittung und Bildung. Wüste Raub- und Fehdelust beherrschte den Adel,
jede Hand hob sich gegen die andere. Da vergaß auch der Clerus seine hohe
Bestimmung; schimpfliche Unwissenheit brach auch in den hervorragendsten
Klöstern herein, aller Orten rissen jäh die Bande geistlicher Zucht. So auch
in Admont. Die Heereszüge König Ottokar's II. von Böhmen, der seit 1280
Oesterreich, seit 1260 Steiermark beherrschte, erschöpften die Mittel des Stifts,
eine Hungersnoth im Ermsthale zwang 1261 den Abt Friedrich, mit seinem
ganzen Convente nach Salzburg auszuwandern; seinen Nachfolger Ulrich ver-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0221" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136332"/>
          <p xml:id="ID_538" prev="#ID_537"> vernachlässigt. Eine Klosterschule erstand; unermüdlich schrieben und malten die<lb/>
t'rutres litterati ihre schönen Handschriften, während die tratres illiterati Meißel<lb/>
und Schnitzmesiec führten oder die Hörigen und Knechte des Gutes regierten.<lb/>
Denn schon war aus der kleinen Zelle ein ausgedehnter Gebäudecomplex, ein<lb/>
&#x201E;Wabenban geistlicher Bienen" geworden, darin jeder Theil seine sorgfältig<lb/>
bemeßne Bestimmung hatte, auf der einen Seite die in der Clausur begriffenen<lb/>
Gebäude: die Kirche, das eigentliche Kloster, die Abtswohnung, auf der<lb/>
andern das Kastengebäude (Vorrathshaus), die Schaffnern, das Hospital,<lb/>
das Freudenhaus, der Meierhof u. s. w. Alle Fäden einer weitläufigen<lb/>
Gutsverwaltung liefen hier zusammen. Trotz seiner abgeschiedenen Lage aber<lb/>
konnte das Stift schon seines weltlichen Besitzes wegen den Reichs- und<lb/>
Landesangelegenheiten unmöglich fern bleiben. Im Kampfe zwischen Staat<lb/>
und Kirche stand es &#x2014; wie erklärlich &#x2014; bei der päpstlichen Partei; deshalb<lb/>
ward es 1078 von königlichen Schaaren fast völlig zerstört. Trotzdem hielten<lb/>
unter Heinrich V. die Admonter Mönche den vor dem Kaiser flüchtigen Erz-<lb/>
vischof Konrad I. von Salzburg monatelang in den Klüften des &#x201E;Gehäuses"<lb/>
verborgen. Dann begleitete Abt Jsenrik als streitbarer Kirchenfürst Kaiser<lb/>
Friedrich Rothbart nach dem heiligen Lande, fand aber unterwegs seinen<lb/>
Tod. Als dann der Enkel Barbarossa's Friedrich II. 1236 nach Steiermark<lb/>
und Oesterreich kam, um seinen Gegner Herzog Friedrich den streitbaren<lb/>
zu stürzen, da verweilte er auch in Admonr und bestätigte bereitwillig die<lb/>
Rechte und Güter des Stifts, das sich diese Befestigung seiner Stellung in<lb/>
diesen unsicheren Zeitläufen vorschauend erbat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_539" next="#ID_540"> In der That folgte bald eine Periode voller Verwirrung. Im Jahre<lb/>
1246 starb Friedrich der Streitbare von Oesterreich in Steiermark gegen die<lb/>
Magyaren den Heldentod; für seine Lande brach damit eine Zeit der Un¬<lb/>
sicherheit und Zerrüttung herein, die erst mit der definitiven Erwerbung durch<lb/>
die Habsburger (1278) ihr Ende fand. Dazu loderte seit 1239 im Reiche<lb/>
der Bürgerkrieg zwischen Kaiser und Papst, und der Tod vollends Friedrich's<lb/>
II. stürzte Alles in unabsehbare Verwirrung. Und wie jede staatliche Fügung<lb/>
sich zu lösen schien, so erlebte Deutschland einen plötzlichen Rückgang in Ge¬<lb/>
sittung und Bildung. Wüste Raub- und Fehdelust beherrschte den Adel,<lb/>
jede Hand hob sich gegen die andere. Da vergaß auch der Clerus seine hohe<lb/>
Bestimmung; schimpfliche Unwissenheit brach auch in den hervorragendsten<lb/>
Klöstern herein, aller Orten rissen jäh die Bande geistlicher Zucht. So auch<lb/>
in Admont. Die Heereszüge König Ottokar's II. von Böhmen, der seit 1280<lb/>
Oesterreich, seit 1260 Steiermark beherrschte, erschöpften die Mittel des Stifts,<lb/>
eine Hungersnoth im Ermsthale zwang 1261 den Abt Friedrich, mit seinem<lb/>
ganzen Convente nach Salzburg auszuwandern; seinen Nachfolger Ulrich ver-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0221] vernachlässigt. Eine Klosterschule erstand; unermüdlich schrieben und malten die t'rutres litterati ihre schönen Handschriften, während die tratres illiterati Meißel und Schnitzmesiec führten oder die Hörigen und Knechte des Gutes regierten. Denn schon war aus der kleinen Zelle ein ausgedehnter Gebäudecomplex, ein „Wabenban geistlicher Bienen" geworden, darin jeder Theil seine sorgfältig bemeßne Bestimmung hatte, auf der einen Seite die in der Clausur begriffenen Gebäude: die Kirche, das eigentliche Kloster, die Abtswohnung, auf der andern das Kastengebäude (Vorrathshaus), die Schaffnern, das Hospital, das Freudenhaus, der Meierhof u. s. w. Alle Fäden einer weitläufigen Gutsverwaltung liefen hier zusammen. Trotz seiner abgeschiedenen Lage aber konnte das Stift schon seines weltlichen Besitzes wegen den Reichs- und Landesangelegenheiten unmöglich fern bleiben. Im Kampfe zwischen Staat und Kirche stand es — wie erklärlich — bei der päpstlichen Partei; deshalb ward es 1078 von königlichen Schaaren fast völlig zerstört. Trotzdem hielten unter Heinrich V. die Admonter Mönche den vor dem Kaiser flüchtigen Erz- vischof Konrad I. von Salzburg monatelang in den Klüften des „Gehäuses" verborgen. Dann begleitete Abt Jsenrik als streitbarer Kirchenfürst Kaiser Friedrich Rothbart nach dem heiligen Lande, fand aber unterwegs seinen Tod. Als dann der Enkel Barbarossa's Friedrich II. 1236 nach Steiermark und Oesterreich kam, um seinen Gegner Herzog Friedrich den streitbaren zu stürzen, da verweilte er auch in Admonr und bestätigte bereitwillig die Rechte und Güter des Stifts, das sich diese Befestigung seiner Stellung in diesen unsicheren Zeitläufen vorschauend erbat. In der That folgte bald eine Periode voller Verwirrung. Im Jahre 1246 starb Friedrich der Streitbare von Oesterreich in Steiermark gegen die Magyaren den Heldentod; für seine Lande brach damit eine Zeit der Un¬ sicherheit und Zerrüttung herein, die erst mit der definitiven Erwerbung durch die Habsburger (1278) ihr Ende fand. Dazu loderte seit 1239 im Reiche der Bürgerkrieg zwischen Kaiser und Papst, und der Tod vollends Friedrich's II. stürzte Alles in unabsehbare Verwirrung. Und wie jede staatliche Fügung sich zu lösen schien, so erlebte Deutschland einen plötzlichen Rückgang in Ge¬ sittung und Bildung. Wüste Raub- und Fehdelust beherrschte den Adel, jede Hand hob sich gegen die andere. Da vergaß auch der Clerus seine hohe Bestimmung; schimpfliche Unwissenheit brach auch in den hervorragendsten Klöstern herein, aller Orten rissen jäh die Bande geistlicher Zucht. So auch in Admont. Die Heereszüge König Ottokar's II. von Böhmen, der seit 1280 Oesterreich, seit 1260 Steiermark beherrschte, erschöpften die Mittel des Stifts, eine Hungersnoth im Ermsthale zwang 1261 den Abt Friedrich, mit seinem ganzen Convente nach Salzburg auszuwandern; seinen Nachfolger Ulrich ver-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/221
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/221>, abgerufen am 27.09.2024.