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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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London umher, welche in Newgate oder Tyburn sitzen sollten." Die Thron¬
rede sprach feindselig gegen die Colonien. und der französische Gesandte
Garnier jubelte über die Verblendung des Monarchen, der sich selbst einen
Solitair aus der Krone stahl. Die Lords wie die Gemeinen wiederholten
andächtig alle Drohungen, die Georg gegen Amerika ausstteß, die geringe
Opposition wurde niedergeschrien. Lord Howe hegte warme Sympathie für
Amerika, wie er Franklin auseinandersetzte, und Chatham bewunderte den
Congreß als eine Versammlung wahrer Staatsmänner, aber sie drangen
nicht durch. Der Cabinetsrath vom 12. Jan. 177S trieb den Premierminister
Lord North in den Krieg, beschloß allen Verkehr mit Amerika zu verbieten,
dort aber die Royalisten zu schützen und die "Rebellen" zu Verräthern zu
erklären. Chatham redete am 20. Jan. im Oberhause laut die Sprache der
Versöhnung, während Franklin an der Schranke stand; er beantragte die
sofortige Zurückziehung der Truppen aus Boston und vertheidigte den ener¬
gischen Widerstand Amerikas, während er das Parlament der Willkürlichkett
und des Despotismus zieh. Ruhig sprach er sich dahin aus. "diese echten
Söhne der Erde seien unüberwindlich", und rief: "Es ist nicht die Zurück-
nahme eines Stückes Pergament, was Amerika Ihrem Herzen wieder zu-
führen kann. Sie müssen seine Befürchtungen und seinen Groll entfernen,
dann erst können Sie auf seine Liebe und Dankbarkeit hoffen." Die wunder¬
bare Rede des großen Politikers erinnerte an die schönsten Zeiten griechischer
und römischer Beredtsamkeit und an die Tage, in denen er noch "der große
Commoner" gewesen. Sie traf Georg III. ins Herz, voll Wuth nannte
dieser Chatham "die Posaune des Aufruhrs". Trotz der Opposition Cha-
tham's, Camden's, Shelburne's und Anderer siegten die Feinde Amerikas,
Chatham's Antrag wurde mit 68 gegen 18 Stimmen verworfen. Während
New-Uork treu an der Union fest hielt und alle Bemühungen königlicher
Intrigue es zu gewinnen vereitelte, während die bischöfliche Kirche mit allen
Mitteln religiösen Zwanges und Bedenkens die Krone unterstützte, während
der erste politische Kopf des werdenden Amerika, Alexander Hamilton gegen
das Princip der Besteuerung durch das Parlament seine Feder führte, die
von der heiligsten Ueberzeugung der Menschenrechte genetzt war, überreichte
Chatham am 1. Febr. seine "Vorschläge zu einer aufrichtigen Aussöhnung
und nationalen Uebereinstimmung", die auf den Anträgen des amerikanischen
Congresses beruhten, und fand die erbittertste Stimmung vor, selbst der
sanfte Lord Dartmouth ließ sich völlig von der Regierung leiten. Wuth und
Verblendung reichten sich die Hand, tausend Pfeile wurden auf Chatham
und Franklin, der bewundernd an der Schranke stand, abgeschossen, die ganze
Erbärmlichkeit käuflicher Parlamentsmitglieder trat in ihrer Nacktheit hervor.
Jetzt war der Krieg unvermeidlich, zumal seit beide Häuser am 9. Febr. dem


London umher, welche in Newgate oder Tyburn sitzen sollten." Die Thron¬
rede sprach feindselig gegen die Colonien. und der französische Gesandte
Garnier jubelte über die Verblendung des Monarchen, der sich selbst einen
Solitair aus der Krone stahl. Die Lords wie die Gemeinen wiederholten
andächtig alle Drohungen, die Georg gegen Amerika ausstteß, die geringe
Opposition wurde niedergeschrien. Lord Howe hegte warme Sympathie für
Amerika, wie er Franklin auseinandersetzte, und Chatham bewunderte den
Congreß als eine Versammlung wahrer Staatsmänner, aber sie drangen
nicht durch. Der Cabinetsrath vom 12. Jan. 177S trieb den Premierminister
Lord North in den Krieg, beschloß allen Verkehr mit Amerika zu verbieten,
dort aber die Royalisten zu schützen und die „Rebellen" zu Verräthern zu
erklären. Chatham redete am 20. Jan. im Oberhause laut die Sprache der
Versöhnung, während Franklin an der Schranke stand; er beantragte die
sofortige Zurückziehung der Truppen aus Boston und vertheidigte den ener¬
gischen Widerstand Amerikas, während er das Parlament der Willkürlichkett
und des Despotismus zieh. Ruhig sprach er sich dahin aus. „diese echten
Söhne der Erde seien unüberwindlich", und rief: „Es ist nicht die Zurück-
nahme eines Stückes Pergament, was Amerika Ihrem Herzen wieder zu-
führen kann. Sie müssen seine Befürchtungen und seinen Groll entfernen,
dann erst können Sie auf seine Liebe und Dankbarkeit hoffen." Die wunder¬
bare Rede des großen Politikers erinnerte an die schönsten Zeiten griechischer
und römischer Beredtsamkeit und an die Tage, in denen er noch „der große
Commoner" gewesen. Sie traf Georg III. ins Herz, voll Wuth nannte
dieser Chatham „die Posaune des Aufruhrs". Trotz der Opposition Cha-
tham's, Camden's, Shelburne's und Anderer siegten die Feinde Amerikas,
Chatham's Antrag wurde mit 68 gegen 18 Stimmen verworfen. Während
New-Uork treu an der Union fest hielt und alle Bemühungen königlicher
Intrigue es zu gewinnen vereitelte, während die bischöfliche Kirche mit allen
Mitteln religiösen Zwanges und Bedenkens die Krone unterstützte, während
der erste politische Kopf des werdenden Amerika, Alexander Hamilton gegen
das Princip der Besteuerung durch das Parlament seine Feder führte, die
von der heiligsten Ueberzeugung der Menschenrechte genetzt war, überreichte
Chatham am 1. Febr. seine „Vorschläge zu einer aufrichtigen Aussöhnung
und nationalen Uebereinstimmung", die auf den Anträgen des amerikanischen
Congresses beruhten, und fand die erbittertste Stimmung vor, selbst der
sanfte Lord Dartmouth ließ sich völlig von der Regierung leiten. Wuth und
Verblendung reichten sich die Hand, tausend Pfeile wurden auf Chatham
und Franklin, der bewundernd an der Schranke stand, abgeschossen, die ganze
Erbärmlichkeit käuflicher Parlamentsmitglieder trat in ihrer Nacktheit hervor.
Jetzt war der Krieg unvermeidlich, zumal seit beide Häuser am 9. Febr. dem


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[0189] London umher, welche in Newgate oder Tyburn sitzen sollten." Die Thron¬ rede sprach feindselig gegen die Colonien. und der französische Gesandte Garnier jubelte über die Verblendung des Monarchen, der sich selbst einen Solitair aus der Krone stahl. Die Lords wie die Gemeinen wiederholten andächtig alle Drohungen, die Georg gegen Amerika ausstteß, die geringe Opposition wurde niedergeschrien. Lord Howe hegte warme Sympathie für Amerika, wie er Franklin auseinandersetzte, und Chatham bewunderte den Congreß als eine Versammlung wahrer Staatsmänner, aber sie drangen nicht durch. Der Cabinetsrath vom 12. Jan. 177S trieb den Premierminister Lord North in den Krieg, beschloß allen Verkehr mit Amerika zu verbieten, dort aber die Royalisten zu schützen und die „Rebellen" zu Verräthern zu erklären. Chatham redete am 20. Jan. im Oberhause laut die Sprache der Versöhnung, während Franklin an der Schranke stand; er beantragte die sofortige Zurückziehung der Truppen aus Boston und vertheidigte den ener¬ gischen Widerstand Amerikas, während er das Parlament der Willkürlichkett und des Despotismus zieh. Ruhig sprach er sich dahin aus. „diese echten Söhne der Erde seien unüberwindlich", und rief: „Es ist nicht die Zurück- nahme eines Stückes Pergament, was Amerika Ihrem Herzen wieder zu- führen kann. Sie müssen seine Befürchtungen und seinen Groll entfernen, dann erst können Sie auf seine Liebe und Dankbarkeit hoffen." Die wunder¬ bare Rede des großen Politikers erinnerte an die schönsten Zeiten griechischer und römischer Beredtsamkeit und an die Tage, in denen er noch „der große Commoner" gewesen. Sie traf Georg III. ins Herz, voll Wuth nannte dieser Chatham „die Posaune des Aufruhrs". Trotz der Opposition Cha- tham's, Camden's, Shelburne's und Anderer siegten die Feinde Amerikas, Chatham's Antrag wurde mit 68 gegen 18 Stimmen verworfen. Während New-Uork treu an der Union fest hielt und alle Bemühungen königlicher Intrigue es zu gewinnen vereitelte, während die bischöfliche Kirche mit allen Mitteln religiösen Zwanges und Bedenkens die Krone unterstützte, während der erste politische Kopf des werdenden Amerika, Alexander Hamilton gegen das Princip der Besteuerung durch das Parlament seine Feder führte, die von der heiligsten Ueberzeugung der Menschenrechte genetzt war, überreichte Chatham am 1. Febr. seine „Vorschläge zu einer aufrichtigen Aussöhnung und nationalen Uebereinstimmung", die auf den Anträgen des amerikanischen Congresses beruhten, und fand die erbittertste Stimmung vor, selbst der sanfte Lord Dartmouth ließ sich völlig von der Regierung leiten. Wuth und Verblendung reichten sich die Hand, tausend Pfeile wurden auf Chatham und Franklin, der bewundernd an der Schranke stand, abgeschossen, die ganze Erbärmlichkeit käuflicher Parlamentsmitglieder trat in ihrer Nacktheit hervor. Jetzt war der Krieg unvermeidlich, zumal seit beide Häuser am 9. Febr. dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/189>, abgerufen am 27.09.2024.