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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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geeignet, die Aufregung zu dämpfen. Die Patrioten gaben sich dus Wort
darauf, der Versuch, sie einzuschüchtern, solle verlorene Mühe sein. Hutchinson,
jetzt in London, hetzte den eitlen König ohne Unterlaß gegen die Rebellen
und schilderte die Unterwerfung dieser als eine Leichtigkeit, er versicherte ihm,
Boston stehe ganz allein im Kampfe.

Von allen Orten strömte hingegen Boston, als der beleidigten Unschuld.
Sympathie, Theilnahme, Hülfe zu, Jedermann half und gab, um von der
Stadt die Noth abzulenken, Gelder und ganze Heerden nahmen den Weg
nach ihr hin. Die Kirche stand treulich auf Seite der Bedrängten, die Ent¬
ziehung bürgerlicher Freiheit erschien ihr als die Vorläuferin des Ruines der
religiösen Freiheit. In echter Frömmigkeit Religion und Staatsleben ver¬
bindend, hielt man Fast- und Bußtage mit größter Gewissenhaftigkeit; in
vielen Städten erschien am 1. Juni die Bevölkerung im Trauergewande.

Die Negierung verging sich jetzt in schnöder Weise und voll blinder Ge¬
hässigkeit gegen den Freibrief von Massachusetts, sie concentrirte die ausübende
Gewalt im Gouverneure. Die von diesem neu eingesetzten Beamten wurden
jedoch von den Einwohnern gezwungen, ihre Stellen niederzulegen, sonst waren
sie ihres Lebens nicht sicher, und selbst der Arbeiter, dem der Hunger aus
den Augen stierte, verweigerte Gage und den Kronbeamten seine Arbeits¬
kraft. Ende August sprach ein Convent von Deputirten aus Massachusetts
dem Parlamente jedes Recht ab, auch nur das Kleinste an ihren Gesetzen zu
ändern und verfluchte die Hafenakte sowie eine weitere Verfügung, welche die
Beamten, die Amerikaner tödteten, vor englische und nicht vor amerikani¬
sche Gerichte stellte. Bereits war man einig, Gage's Truppen gewaffnet ent¬
gegen zu treten. Der General lieh am 1. Sept. das Schießpulver für die Pro¬
vinz Massachusetts heimlich wegschaffen, fürchtete aber auch die munitionslose
Bevölkerung, forderte daheim neue Truppen und trat in Verbindung mit den
indianischen Wilden, um sie auf die Besitzungen der Colonisten zu Hetzen. All
diese elenden Maßregeln brachten Hingegen die Colonien mehr und mehr zur
Ueberzeugung, einzig gewaffneter Widerstand könne sie vor dem Krondespo¬
tismus retten, und an den verschiedenen Orten übten sich die Milizen und
zogen dann auf Boston zu -- im Lande schien des Königs Macht begraben,
nur in Boston hatte sie noch eine Stätte, welche Gage zu befestigen begonnen.
Der Convent von Suffolk-County warf der Krone den Fehdehandschuh in
offenster Weise zu. indem er am 9. Sept. erklärte, der Monarch, welcher seinen
Mit dem Volke geschlossenen Vertrag breche, könne keinen Gehorsam mehr er¬
warten. Während dem trat der zweite allgemeine Congreß in Philadelphia
Zusammen, elf Colonien waren vertreten und Peplon Randolph, der ehemalige
Sprecher der Legislatur von Virginien, übernahm das Präsidium. Nach län¬
geren Debatten einigte man sich am 6. Sept. dahin, daß jede Colonie, ob groß


geeignet, die Aufregung zu dämpfen. Die Patrioten gaben sich dus Wort
darauf, der Versuch, sie einzuschüchtern, solle verlorene Mühe sein. Hutchinson,
jetzt in London, hetzte den eitlen König ohne Unterlaß gegen die Rebellen
und schilderte die Unterwerfung dieser als eine Leichtigkeit, er versicherte ihm,
Boston stehe ganz allein im Kampfe.

Von allen Orten strömte hingegen Boston, als der beleidigten Unschuld.
Sympathie, Theilnahme, Hülfe zu, Jedermann half und gab, um von der
Stadt die Noth abzulenken, Gelder und ganze Heerden nahmen den Weg
nach ihr hin. Die Kirche stand treulich auf Seite der Bedrängten, die Ent¬
ziehung bürgerlicher Freiheit erschien ihr als die Vorläuferin des Ruines der
religiösen Freiheit. In echter Frömmigkeit Religion und Staatsleben ver¬
bindend, hielt man Fast- und Bußtage mit größter Gewissenhaftigkeit; in
vielen Städten erschien am 1. Juni die Bevölkerung im Trauergewande.

Die Negierung verging sich jetzt in schnöder Weise und voll blinder Ge¬
hässigkeit gegen den Freibrief von Massachusetts, sie concentrirte die ausübende
Gewalt im Gouverneure. Die von diesem neu eingesetzten Beamten wurden
jedoch von den Einwohnern gezwungen, ihre Stellen niederzulegen, sonst waren
sie ihres Lebens nicht sicher, und selbst der Arbeiter, dem der Hunger aus
den Augen stierte, verweigerte Gage und den Kronbeamten seine Arbeits¬
kraft. Ende August sprach ein Convent von Deputirten aus Massachusetts
dem Parlamente jedes Recht ab, auch nur das Kleinste an ihren Gesetzen zu
ändern und verfluchte die Hafenakte sowie eine weitere Verfügung, welche die
Beamten, die Amerikaner tödteten, vor englische und nicht vor amerikani¬
sche Gerichte stellte. Bereits war man einig, Gage's Truppen gewaffnet ent¬
gegen zu treten. Der General lieh am 1. Sept. das Schießpulver für die Pro¬
vinz Massachusetts heimlich wegschaffen, fürchtete aber auch die munitionslose
Bevölkerung, forderte daheim neue Truppen und trat in Verbindung mit den
indianischen Wilden, um sie auf die Besitzungen der Colonisten zu Hetzen. All
diese elenden Maßregeln brachten Hingegen die Colonien mehr und mehr zur
Ueberzeugung, einzig gewaffneter Widerstand könne sie vor dem Krondespo¬
tismus retten, und an den verschiedenen Orten übten sich die Milizen und
zogen dann auf Boston zu — im Lande schien des Königs Macht begraben,
nur in Boston hatte sie noch eine Stätte, welche Gage zu befestigen begonnen.
Der Convent von Suffolk-County warf der Krone den Fehdehandschuh in
offenster Weise zu. indem er am 9. Sept. erklärte, der Monarch, welcher seinen
Mit dem Volke geschlossenen Vertrag breche, könne keinen Gehorsam mehr er¬
warten. Während dem trat der zweite allgemeine Congreß in Philadelphia
Zusammen, elf Colonien waren vertreten und Peplon Randolph, der ehemalige
Sprecher der Legislatur von Virginien, übernahm das Präsidium. Nach län¬
geren Debatten einigte man sich am 6. Sept. dahin, daß jede Colonie, ob groß


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[0187] geeignet, die Aufregung zu dämpfen. Die Patrioten gaben sich dus Wort darauf, der Versuch, sie einzuschüchtern, solle verlorene Mühe sein. Hutchinson, jetzt in London, hetzte den eitlen König ohne Unterlaß gegen die Rebellen und schilderte die Unterwerfung dieser als eine Leichtigkeit, er versicherte ihm, Boston stehe ganz allein im Kampfe. Von allen Orten strömte hingegen Boston, als der beleidigten Unschuld. Sympathie, Theilnahme, Hülfe zu, Jedermann half und gab, um von der Stadt die Noth abzulenken, Gelder und ganze Heerden nahmen den Weg nach ihr hin. Die Kirche stand treulich auf Seite der Bedrängten, die Ent¬ ziehung bürgerlicher Freiheit erschien ihr als die Vorläuferin des Ruines der religiösen Freiheit. In echter Frömmigkeit Religion und Staatsleben ver¬ bindend, hielt man Fast- und Bußtage mit größter Gewissenhaftigkeit; in vielen Städten erschien am 1. Juni die Bevölkerung im Trauergewande. Die Negierung verging sich jetzt in schnöder Weise und voll blinder Ge¬ hässigkeit gegen den Freibrief von Massachusetts, sie concentrirte die ausübende Gewalt im Gouverneure. Die von diesem neu eingesetzten Beamten wurden jedoch von den Einwohnern gezwungen, ihre Stellen niederzulegen, sonst waren sie ihres Lebens nicht sicher, und selbst der Arbeiter, dem der Hunger aus den Augen stierte, verweigerte Gage und den Kronbeamten seine Arbeits¬ kraft. Ende August sprach ein Convent von Deputirten aus Massachusetts dem Parlamente jedes Recht ab, auch nur das Kleinste an ihren Gesetzen zu ändern und verfluchte die Hafenakte sowie eine weitere Verfügung, welche die Beamten, die Amerikaner tödteten, vor englische und nicht vor amerikani¬ sche Gerichte stellte. Bereits war man einig, Gage's Truppen gewaffnet ent¬ gegen zu treten. Der General lieh am 1. Sept. das Schießpulver für die Pro¬ vinz Massachusetts heimlich wegschaffen, fürchtete aber auch die munitionslose Bevölkerung, forderte daheim neue Truppen und trat in Verbindung mit den indianischen Wilden, um sie auf die Besitzungen der Colonisten zu Hetzen. All diese elenden Maßregeln brachten Hingegen die Colonien mehr und mehr zur Ueberzeugung, einzig gewaffneter Widerstand könne sie vor dem Krondespo¬ tismus retten, und an den verschiedenen Orten übten sich die Milizen und zogen dann auf Boston zu — im Lande schien des Königs Macht begraben, nur in Boston hatte sie noch eine Stätte, welche Gage zu befestigen begonnen. Der Convent von Suffolk-County warf der Krone den Fehdehandschuh in offenster Weise zu. indem er am 9. Sept. erklärte, der Monarch, welcher seinen Mit dem Volke geschlossenen Vertrag breche, könne keinen Gehorsam mehr er¬ warten. Während dem trat der zweite allgemeine Congreß in Philadelphia Zusammen, elf Colonien waren vertreten und Peplon Randolph, der ehemalige Sprecher der Legislatur von Virginien, übernahm das Präsidium. Nach län¬ geren Debatten einigte man sich am 6. Sept. dahin, daß jede Colonie, ob groß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/187>, abgerufen am 27.09.2024.