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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Postens als Vice-Generalpostmeister, wies in schärfsten Tone die Beschwerden
und Petitionen von Massachusetts zurück, gab Hutchinson und Oliver ein
Vertrauensvotum. Nachdem man derart Gift und Galle über den ruhig mit
überlegener Miene dreinschauenden Franklin ausgegossen, glaubte man genug
für die Unsterblichkeit gethan zu haben. Gage sagte dem Könige, mit vier
Regimentern könne man Boston beugen. Der Lordkanzler Thurlow rief aus:
"Die Amerikaner sind Lastthiere, sie sind dazu geboren, mit Steuern belegt
zu werden."

Massachusetts, am nächsten vom Zorne Englands bedroht, schritt auf
der Bahn passiven Widerstandes vor, es bewog die Richter, von der Legis¬
latur und nicht von der Krone Sold zu nehmen und suspendirte den Ober¬
richter Oliver, als er sich weigerte; es machte überdies kleine Ankäufe an
Pulver und Geschütz und mahnte an die Nothwendigkeit, daß ein allgemeiner
Congreß zusammentrete. Samuel Adams sprach nochmals die Hoffnung aus
eine Versöhnung zwischen England und seinen Colonien aus, die auf gleicher
Freiheit basirt wäre, aber der geistvolle Staatsweise glaubte nicht daran.

In England war die öffentliche Stimmung den leidenschaftlichen Schritten
des Ministeriums, Parlaments und Königs sehr günstig, weil der National¬
dünkel in Thätigkeit war; der Brite sagte sich, es sei eine Frechheit des
Colonisten Opposition gegen ihn zu wagen, und Lord North gewann sein
Spiel. Er schlug am 14. März 1774 vor, vorerst den Hafen von Boston zu
schließen. Fast allgemein stimmte man ihm zu. Van bestärkte ihn mit dem
Ausspruche: "vslönäa, est Oai-tnaM." Das Unterhaus nahm die Hafenbill
am 26. März an. Regten sich auch in England einige Stimmen, die für die
Unabhängigkeit Amerikas eintraten, wie der Dekan Tucker und John Cart-
wright, so war doch die große Masse entschieden gegen Amerika und jubelte
der Hafenbill zu. Als diese im Oberhause aus einiges Zaudern stieß, erklärte
sich Lord Mansfield energisch dafür und errang abermals den Sieg, wie vor
acht Jahren; rasch stimmte Georg III. bei. Obwohl sich noch Manche, voran
Rose Füller, für Aufhebung des Theezolles aussprachen und darin den einzigen
Weg zur Aussöhnung sahen, obwohl Edmund Burke sie in einer unvergleich¬
lichen Rede am 19. April unterstützte, blieb der Theezoll in Kraft bestehen. Um
aber der englischen Autorität Geltung bei den "Rebellen" zu verschaffen,
wurde Gage nicht nur als Obercommandant sondern auch, an Hutchinson's
Stelle, als Statthalter von Massachusetts mit vier Regimentern abgeschickt;
ihm war als Erstes die Schließung des Bostoner Hafens anbefohlen.
Während in den Colonien höchste Eintracht herrschte, die Correspondenz-
Comites unermüdlich arbeiteten, dem Thee nach Vorbild Bostons in New-
Aork und anderwärts der Wassertod bereitet wurde, drangen weitere Zwangs¬
bills gegen die Amerikaner im Parlamente durch. Die Wahl des Senats


Grenzboten III. 1876. 23

Postens als Vice-Generalpostmeister, wies in schärfsten Tone die Beschwerden
und Petitionen von Massachusetts zurück, gab Hutchinson und Oliver ein
Vertrauensvotum. Nachdem man derart Gift und Galle über den ruhig mit
überlegener Miene dreinschauenden Franklin ausgegossen, glaubte man genug
für die Unsterblichkeit gethan zu haben. Gage sagte dem Könige, mit vier
Regimentern könne man Boston beugen. Der Lordkanzler Thurlow rief aus:
»Die Amerikaner sind Lastthiere, sie sind dazu geboren, mit Steuern belegt
zu werden."

Massachusetts, am nächsten vom Zorne Englands bedroht, schritt auf
der Bahn passiven Widerstandes vor, es bewog die Richter, von der Legis¬
latur und nicht von der Krone Sold zu nehmen und suspendirte den Ober¬
richter Oliver, als er sich weigerte; es machte überdies kleine Ankäufe an
Pulver und Geschütz und mahnte an die Nothwendigkeit, daß ein allgemeiner
Congreß zusammentrete. Samuel Adams sprach nochmals die Hoffnung aus
eine Versöhnung zwischen England und seinen Colonien aus, die auf gleicher
Freiheit basirt wäre, aber der geistvolle Staatsweise glaubte nicht daran.

In England war die öffentliche Stimmung den leidenschaftlichen Schritten
des Ministeriums, Parlaments und Königs sehr günstig, weil der National¬
dünkel in Thätigkeit war; der Brite sagte sich, es sei eine Frechheit des
Colonisten Opposition gegen ihn zu wagen, und Lord North gewann sein
Spiel. Er schlug am 14. März 1774 vor, vorerst den Hafen von Boston zu
schließen. Fast allgemein stimmte man ihm zu. Van bestärkte ihn mit dem
Ausspruche: „vslönäa, est Oai-tnaM.» Das Unterhaus nahm die Hafenbill
am 26. März an. Regten sich auch in England einige Stimmen, die für die
Unabhängigkeit Amerikas eintraten, wie der Dekan Tucker und John Cart-
wright, so war doch die große Masse entschieden gegen Amerika und jubelte
der Hafenbill zu. Als diese im Oberhause aus einiges Zaudern stieß, erklärte
sich Lord Mansfield energisch dafür und errang abermals den Sieg, wie vor
acht Jahren; rasch stimmte Georg III. bei. Obwohl sich noch Manche, voran
Rose Füller, für Aufhebung des Theezolles aussprachen und darin den einzigen
Weg zur Aussöhnung sahen, obwohl Edmund Burke sie in einer unvergleich¬
lichen Rede am 19. April unterstützte, blieb der Theezoll in Kraft bestehen. Um
aber der englischen Autorität Geltung bei den „Rebellen" zu verschaffen,
wurde Gage nicht nur als Obercommandant sondern auch, an Hutchinson's
Stelle, als Statthalter von Massachusetts mit vier Regimentern abgeschickt;
ihm war als Erstes die Schließung des Bostoner Hafens anbefohlen.
Während in den Colonien höchste Eintracht herrschte, die Correspondenz-
Comites unermüdlich arbeiteten, dem Thee nach Vorbild Bostons in New-
Aork und anderwärts der Wassertod bereitet wurde, drangen weitere Zwangs¬
bills gegen die Amerikaner im Parlamente durch. Die Wahl des Senats


Grenzboten III. 1876. 23
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[0185] Postens als Vice-Generalpostmeister, wies in schärfsten Tone die Beschwerden und Petitionen von Massachusetts zurück, gab Hutchinson und Oliver ein Vertrauensvotum. Nachdem man derart Gift und Galle über den ruhig mit überlegener Miene dreinschauenden Franklin ausgegossen, glaubte man genug für die Unsterblichkeit gethan zu haben. Gage sagte dem Könige, mit vier Regimentern könne man Boston beugen. Der Lordkanzler Thurlow rief aus: »Die Amerikaner sind Lastthiere, sie sind dazu geboren, mit Steuern belegt zu werden." Massachusetts, am nächsten vom Zorne Englands bedroht, schritt auf der Bahn passiven Widerstandes vor, es bewog die Richter, von der Legis¬ latur und nicht von der Krone Sold zu nehmen und suspendirte den Ober¬ richter Oliver, als er sich weigerte; es machte überdies kleine Ankäufe an Pulver und Geschütz und mahnte an die Nothwendigkeit, daß ein allgemeiner Congreß zusammentrete. Samuel Adams sprach nochmals die Hoffnung aus eine Versöhnung zwischen England und seinen Colonien aus, die auf gleicher Freiheit basirt wäre, aber der geistvolle Staatsweise glaubte nicht daran. In England war die öffentliche Stimmung den leidenschaftlichen Schritten des Ministeriums, Parlaments und Königs sehr günstig, weil der National¬ dünkel in Thätigkeit war; der Brite sagte sich, es sei eine Frechheit des Colonisten Opposition gegen ihn zu wagen, und Lord North gewann sein Spiel. Er schlug am 14. März 1774 vor, vorerst den Hafen von Boston zu schließen. Fast allgemein stimmte man ihm zu. Van bestärkte ihn mit dem Ausspruche: „vslönäa, est Oai-tnaM.» Das Unterhaus nahm die Hafenbill am 26. März an. Regten sich auch in England einige Stimmen, die für die Unabhängigkeit Amerikas eintraten, wie der Dekan Tucker und John Cart- wright, so war doch die große Masse entschieden gegen Amerika und jubelte der Hafenbill zu. Als diese im Oberhause aus einiges Zaudern stieß, erklärte sich Lord Mansfield energisch dafür und errang abermals den Sieg, wie vor acht Jahren; rasch stimmte Georg III. bei. Obwohl sich noch Manche, voran Rose Füller, für Aufhebung des Theezolles aussprachen und darin den einzigen Weg zur Aussöhnung sahen, obwohl Edmund Burke sie in einer unvergleich¬ lichen Rede am 19. April unterstützte, blieb der Theezoll in Kraft bestehen. Um aber der englischen Autorität Geltung bei den „Rebellen" zu verschaffen, wurde Gage nicht nur als Obercommandant sondern auch, an Hutchinson's Stelle, als Statthalter von Massachusetts mit vier Regimentern abgeschickt; ihm war als Erstes die Schließung des Bostoner Hafens anbefohlen. Während in den Colonien höchste Eintracht herrschte, die Correspondenz- Comites unermüdlich arbeiteten, dem Thee nach Vorbild Bostons in New- Aork und anderwärts der Wassertod bereitet wurde, drangen weitere Zwangs¬ bills gegen die Amerikaner im Parlamente durch. Die Wahl des Senats Grenzboten III. 1876. 23

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/185>, abgerufen am 27.09.2024.