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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Unterhause es den gewiegtesten Rednern gleichthat und das ganze Haus zu
stürmischem Beifall zwang. Darin sind nun einmal die Engländer glücklicher
als die deutschen Parlamentsredner, denen es an jeder methodischen Vor¬
bildung, an jeder ernsten Gelegenheit fehlt, sich für den höchsten Beruf des
Bürgers vorzubereiten. Macaulay sprach, wie er schrieb, -- concis, spiegel-
klar, künstlerisch vollendet; und doch hatte <r späterhin nicht immer aus¬
reichend Zeit, um seine Reden vorher durchzuarbeiten, sondern mußte oft
genug, namentlich in den bewegten Tagen der englischen Reformbill,
dem Hie KtwSug, Kie salta! gehorchen.

Die vier Bände der Trevelyan'schen Biographie Macaulay's sind eine
wahre Erquickung für den Leser; auf jeder Seite tritt einem der tüchtige,
mannhafte und makellose Charakter eines Lieblings der Musen entgegen.
Jeder Zoll ein Gentleman! Besonders wohlthuend wirkt die unermüdliche
Fürsorge für seine Familie, der er die größten und bei seinem berechtigten
Ehrgeiz schwerwiegendsten Opfer zu bringen nie müde wurde. Macaulay's
Briefe an Vater, Mutter und Geschwister sind durchweht von einer Innigkeit
des Gefühls, die wunderbar absticht von der Schroffheit und Unversöhnlich-
keit, die er gegen literarische Mittelmäßigkett oder gar historische Krttiklosig-
keit hervorkehrte. Nach den Biographien so vieler genialen Menschen, die
bei all ihrer Genialität nur zu oft die einfachsten Pflichten eines Mitglieds
der Familie und der Gesellschaft verletzten, thun die Briefe wahrhaft wohl,
welche der mächtig aufstrebende Jüngling an die Seinigen richtet, und in denen
er sich um die geringfügigsten Interessen des elterlichen Hauses so besorgt
zeigt, als gelte es der Erreichung seiner idealsten Pläne.

Am 1. October 1824 besteht er sein Universitätsexamen im ?i-und^-
vollere zu Cambridge, wird zum ,,?öUvw" ernannt, verläßt die ^lag, mator
und widmet sich der juristischen Carriere. Wenige Tage nach seinem Examen
erschien Macaulay's erste größere literarische Arbeit, -- das auch den meisten
deutschen Lesern wohlbekannte meisterliche Essay über Milton, mit welchem
er wie mit einem Schlage der Schöpfer eines ganz neuen wissenschaftlichen
und doch populären Stils für England wurde. Jeffrey. der gefürchtet" Chef-
Redakteur des Edinburgh-Review, damals der Hort des schottischen Whiggismus,
hatte ein scharfes Auge für neu auftauchende Talente. Zunächst mochte ihm
wohl der ganz eigenthümliche Stil imponirt haben, der freilich um ein Be¬
trächtliches von dem damaligen Journal-Jargon abwich, -- denn er schreibt
an den glücklichen jungen Verfasser des Milton-Essays: "Je mehr ich darüber
nachdenke, desto weniger kann ich begreifen, wo Sie diesen Stil aufgegabelt
haben." -- Macaulay's Prosastil ist der Stil des hochgebildeten, ja des ge¬
lehrten Mannes von Welt, der es versteht, seine peinlichen Detailforschungen
selbst dem Leser zu ersparen und ihm nur das bleibende und belehrende


Unterhause es den gewiegtesten Rednern gleichthat und das ganze Haus zu
stürmischem Beifall zwang. Darin sind nun einmal die Engländer glücklicher
als die deutschen Parlamentsredner, denen es an jeder methodischen Vor¬
bildung, an jeder ernsten Gelegenheit fehlt, sich für den höchsten Beruf des
Bürgers vorzubereiten. Macaulay sprach, wie er schrieb, — concis, spiegel-
klar, künstlerisch vollendet; und doch hatte <r späterhin nicht immer aus¬
reichend Zeit, um seine Reden vorher durchzuarbeiten, sondern mußte oft
genug, namentlich in den bewegten Tagen der englischen Reformbill,
dem Hie KtwSug, Kie salta! gehorchen.

Die vier Bände der Trevelyan'schen Biographie Macaulay's sind eine
wahre Erquickung für den Leser; auf jeder Seite tritt einem der tüchtige,
mannhafte und makellose Charakter eines Lieblings der Musen entgegen.
Jeder Zoll ein Gentleman! Besonders wohlthuend wirkt die unermüdliche
Fürsorge für seine Familie, der er die größten und bei seinem berechtigten
Ehrgeiz schwerwiegendsten Opfer zu bringen nie müde wurde. Macaulay's
Briefe an Vater, Mutter und Geschwister sind durchweht von einer Innigkeit
des Gefühls, die wunderbar absticht von der Schroffheit und Unversöhnlich-
keit, die er gegen literarische Mittelmäßigkett oder gar historische Krttiklosig-
keit hervorkehrte. Nach den Biographien so vieler genialen Menschen, die
bei all ihrer Genialität nur zu oft die einfachsten Pflichten eines Mitglieds
der Familie und der Gesellschaft verletzten, thun die Briefe wahrhaft wohl,
welche der mächtig aufstrebende Jüngling an die Seinigen richtet, und in denen
er sich um die geringfügigsten Interessen des elterlichen Hauses so besorgt
zeigt, als gelte es der Erreichung seiner idealsten Pläne.

Am 1. October 1824 besteht er sein Universitätsexamen im ?i-und^-
vollere zu Cambridge, wird zum ,,?öUvw" ernannt, verläßt die ^lag, mator
und widmet sich der juristischen Carriere. Wenige Tage nach seinem Examen
erschien Macaulay's erste größere literarische Arbeit, — das auch den meisten
deutschen Lesern wohlbekannte meisterliche Essay über Milton, mit welchem
er wie mit einem Schlage der Schöpfer eines ganz neuen wissenschaftlichen
und doch populären Stils für England wurde. Jeffrey. der gefürchtet« Chef-
Redakteur des Edinburgh-Review, damals der Hort des schottischen Whiggismus,
hatte ein scharfes Auge für neu auftauchende Talente. Zunächst mochte ihm
wohl der ganz eigenthümliche Stil imponirt haben, der freilich um ein Be¬
trächtliches von dem damaligen Journal-Jargon abwich, — denn er schreibt
an den glücklichen jungen Verfasser des Milton-Essays: „Je mehr ich darüber
nachdenke, desto weniger kann ich begreifen, wo Sie diesen Stil aufgegabelt
haben." — Macaulay's Prosastil ist der Stil des hochgebildeten, ja des ge¬
lehrten Mannes von Welt, der es versteht, seine peinlichen Detailforschungen
selbst dem Leser zu ersparen und ihm nur das bleibende und belehrende


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/173>, abgerufen am 27.09.2024.