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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Kinder beginnt er gewaltige Epopeen, z, B. eine mit dem Titel "(Mus tlo
(Z^t", in der er als kleiner Virgil eine pompöse Verherrlichung seiner
eigenen Familie beabsichtigte. Die Aulay's hatten in der Geschichte Schott¬
lands keine unbedeutende Rolle gespielt und die Ideenassociation zwischen
Aulay und Olaus ist jedenfalls keine gewagtere als ähnliche Geniestreiche
Virgtl's zu viel fragwürdigeren Zwecken. Schon die wenigen Proben, die
uns Trevelyan in sehr diskreter Weise aus jenen ersten dichterischen Versuchen
mittheilt, beweisen zum mindesten, daß der kleine Macaulay bis zu seinem
neunten Jahr ungeheuer viel gelesen haben muß; die mythologischen, histo¬
rischen, heraldischen Anspielungen in diesen auch äußerlich durch ihren correcten
Versbau bemerkenswerthen Fragmenten lassen eine ganz staunenswerthe
Thätigkeit des kleinen Gelehrten vermuthen. Bei der Sorgfalt, mit der
Macaulay später in seiner schriftstellerischen Laufbahn zu Werke ging, ist
eine Bemerkung Trevelyan's über jene Proben jugendlicher Poeterei noch ganz
besonders beachtenswerth. Er schreibt: "Es ist eigenthümlich, daß seine um¬
fangreichen Jugendschriften, die er in den kurzen Mußestunden nach den
Schularbeiten und nach dem Spiel mit seinen Geschwistern in fliegender Eile
verfaßte, nicht allein vollkommen correct bezüglich der Orthographie und der
Grammatik sind, sondern schon dieselbe Durchsichtigkeit des Stiles und die
peinlichste Genauigkeit der Interpunktion aufweisen, wie auch all die kleinen
Handgriffe und Fertigkeiten des literarischen Handwerks, welche seine reisen
Werke auszeichnen." Ein wahres Glück für den frühreifen Wunderknaben
war es, daß seine Aeltern und die Freunde des Hauses ihn in der einsichts¬
vollsten Weise behandelten, keine unnützen Bravaden mit ihm anstellten, ihn
weder ermunterten noch abschreckten, sondern ihn ruhig seinen Weg gehen
ließen und nur dafür sorgten, daß er nicht über das seiner Jugend gesteckte
Ziel zu weit hinausschoß. Seine beste Freundin war die damals schon hoch¬
bejahrte Schriftstellerin Harras Moore, die dem Knaben bei der Auswahl
seiner Lectüre behülfltch war und in dem liebenswürdigsten Briefwechsel mit
dem Wunderkinde stand. Er hat ihr stets das treuste Andenken bewahrt.
Zwischen Vater und Sohn bestand ein Freundschaftsverhältniß seltener Art,
trotz vieler scharfen Gegensätze in der beiderseitigen Sinnes- und Geistesrichtung.
Während Thomas Macaulay die Lateinische Schule in Shelford besuchte,
wechselte er im Alter von dreizehn Jahren mit seinem Vater die staunener¬
regendsten Briefe, in denen alle möglichen Materien abgehandelt wurden. --
Religion, Politik, Literatur, Lebensberuf.

Um das Bild von den seltenen Geistesgaben des großen Schriftstellers
ZU vervollständigen, müssen wir hier seines riesenhaften Gedächtnisses und
seiner Lesefestigkeit Erwähnung thun. Ein kurzer, aber intensiver Blick auf
eine gedruckte Seite genügte ihm, um den Inhalt sich für immer einzuprägen.


Kinder beginnt er gewaltige Epopeen, z, B. eine mit dem Titel „(Mus tlo
(Z^t», in der er als kleiner Virgil eine pompöse Verherrlichung seiner
eigenen Familie beabsichtigte. Die Aulay's hatten in der Geschichte Schott¬
lands keine unbedeutende Rolle gespielt und die Ideenassociation zwischen
Aulay und Olaus ist jedenfalls keine gewagtere als ähnliche Geniestreiche
Virgtl's zu viel fragwürdigeren Zwecken. Schon die wenigen Proben, die
uns Trevelyan in sehr diskreter Weise aus jenen ersten dichterischen Versuchen
mittheilt, beweisen zum mindesten, daß der kleine Macaulay bis zu seinem
neunten Jahr ungeheuer viel gelesen haben muß; die mythologischen, histo¬
rischen, heraldischen Anspielungen in diesen auch äußerlich durch ihren correcten
Versbau bemerkenswerthen Fragmenten lassen eine ganz staunenswerthe
Thätigkeit des kleinen Gelehrten vermuthen. Bei der Sorgfalt, mit der
Macaulay später in seiner schriftstellerischen Laufbahn zu Werke ging, ist
eine Bemerkung Trevelyan's über jene Proben jugendlicher Poeterei noch ganz
besonders beachtenswerth. Er schreibt: „Es ist eigenthümlich, daß seine um¬
fangreichen Jugendschriften, die er in den kurzen Mußestunden nach den
Schularbeiten und nach dem Spiel mit seinen Geschwistern in fliegender Eile
verfaßte, nicht allein vollkommen correct bezüglich der Orthographie und der
Grammatik sind, sondern schon dieselbe Durchsichtigkeit des Stiles und die
peinlichste Genauigkeit der Interpunktion aufweisen, wie auch all die kleinen
Handgriffe und Fertigkeiten des literarischen Handwerks, welche seine reisen
Werke auszeichnen." Ein wahres Glück für den frühreifen Wunderknaben
war es, daß seine Aeltern und die Freunde des Hauses ihn in der einsichts¬
vollsten Weise behandelten, keine unnützen Bravaden mit ihm anstellten, ihn
weder ermunterten noch abschreckten, sondern ihn ruhig seinen Weg gehen
ließen und nur dafür sorgten, daß er nicht über das seiner Jugend gesteckte
Ziel zu weit hinausschoß. Seine beste Freundin war die damals schon hoch¬
bejahrte Schriftstellerin Harras Moore, die dem Knaben bei der Auswahl
seiner Lectüre behülfltch war und in dem liebenswürdigsten Briefwechsel mit
dem Wunderkinde stand. Er hat ihr stets das treuste Andenken bewahrt.
Zwischen Vater und Sohn bestand ein Freundschaftsverhältniß seltener Art,
trotz vieler scharfen Gegensätze in der beiderseitigen Sinnes- und Geistesrichtung.
Während Thomas Macaulay die Lateinische Schule in Shelford besuchte,
wechselte er im Alter von dreizehn Jahren mit seinem Vater die staunener¬
regendsten Briefe, in denen alle möglichen Materien abgehandelt wurden. —
Religion, Politik, Literatur, Lebensberuf.

Um das Bild von den seltenen Geistesgaben des großen Schriftstellers
ZU vervollständigen, müssen wir hier seines riesenhaften Gedächtnisses und
seiner Lesefestigkeit Erwähnung thun. Ein kurzer, aber intensiver Blick auf
eine gedruckte Seite genügte ihm, um den Inhalt sich für immer einzuprägen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/171>, abgerufen am 27.09.2024.