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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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10,000 Einwohner zählt. Mostar, die Hauptstadt der Herzegowina, soll nun
9000 Einwohner haben. Fast alle größeren Orte des Vilajets sind mit
Festungswerken umgeben, die indeß modernen Geschützen nur kurze Zeit wider¬
stehen können.

Die Herzegowina wurde 1483 als Sandschuk Hersek mit dem Paschalik
Bosnien vereinigt, 1832 als selbständiges Wesirlik abgetrennt und 1863
wieder mit Bosnien verbunden. 1875 sind die Districte Soltscha, Bowin,
Pvpowa. Trebinje, Zaboschi. Benama, Piwa und Niksitsch unter dem Namen
Gatschko zu einem besondern Mutessariflik (Provinz) erhoben worden. Das
Areal der Herzegowina beträgt 263 Quadratmeilen, ihre Bevölkerung beläuft
sich auf 239,672 Seelen. Davon gehören 118,320 der griechisch-othodoxen
und 36,378 der römisch-katholischen Kirche an, 83,070 sind Muhamedaner.
An Getreide erzeugt das Land ungefähr 50 Millionen Oka, die aber den
Bedarf nicht decken. Der Viehstand beträgt 66,000 Stück Hornvieh, wo¬
runter circa 60,000 Schafe und Ziegen, und 16,000 Stück Zugvieh. Die
Einfuhr, die hauptsächlich aus Kleiderstoffen. Getreide und Kaffee besteht, hat
einen Werth von 2,622.000, die Ausfuhr, nur Vieh und Häute, einen Werth
von 1,755.000 Mark.

Die Herzegowina macht den kleineren Theil der unter dem Namen Bosna-
Hersek zusammengefaßten türkischen Großprovinz aus und ist, wenn auch
Bergland wie Bosnien und Serbien, dennoch von beiden wesentlich verschieden.
Während die Höhen und Hänge in Bosnien größtentheils noch im Schmucke
grüner Wälder prangen und reich bewässerte TlMer üppigen Graswuchs
zeigen, sind die Berge der Herzegowina öde und kahl. Auch der Temperatur¬
unterschied beider Landschaften ist bedeutend. Bosnien hat ein überwiegend
feuchtes und im Winter ziemlich rauhes Klima, die Herzegowina dagegen ist
im Sommer rauh, und die Luft ist trocken. Die Narenta. der Hauptfluß
des Landes, theilt dasselbe in zwei Hälften. Noch bestimmter und auf kürzerer,
weil directerer Linie sind diese beiden Hälften durch die Kunststraße geschieden,
welche, an der böhmischen Grenze bei Konjitza beginnend und Mostar, wo
sie auf die Narenta stößt, berührend, diesen Fluß entlang nach Metkowitsch,
jenseits der Grenze Dalmatiens führt. Auf dieser Straße, der besten in der
ganzen Provinz, hat in der Herzegowina kein andrer Punkt eine auch nur
annähernd gleiche Bedeutung wie Mostar. Abgesehen von seiner centralen
Lage in der Mitte der Straßenlinie, d. h. gleich weit entfernt von der böh¬
mischen wie von der dalmatinischen Grenze, ist es der Mittelpunkt der Ver¬
bindungswege des Landes. In einer weiten Ebene zu beiden Seiten der
Narenta gelegen, ist diese Stadt der Knoten einer Menge von Straßen, von
denen mehrere allerdings nur den Namen von Saumpfaden beanspruchen
können. Dieser Umstand macht Mostar und die erwähnte Kunststraße an


10,000 Einwohner zählt. Mostar, die Hauptstadt der Herzegowina, soll nun
9000 Einwohner haben. Fast alle größeren Orte des Vilajets sind mit
Festungswerken umgeben, die indeß modernen Geschützen nur kurze Zeit wider¬
stehen können.

Die Herzegowina wurde 1483 als Sandschuk Hersek mit dem Paschalik
Bosnien vereinigt, 1832 als selbständiges Wesirlik abgetrennt und 1863
wieder mit Bosnien verbunden. 1875 sind die Districte Soltscha, Bowin,
Pvpowa. Trebinje, Zaboschi. Benama, Piwa und Niksitsch unter dem Namen
Gatschko zu einem besondern Mutessariflik (Provinz) erhoben worden. Das
Areal der Herzegowina beträgt 263 Quadratmeilen, ihre Bevölkerung beläuft
sich auf 239,672 Seelen. Davon gehören 118,320 der griechisch-othodoxen
und 36,378 der römisch-katholischen Kirche an, 83,070 sind Muhamedaner.
An Getreide erzeugt das Land ungefähr 50 Millionen Oka, die aber den
Bedarf nicht decken. Der Viehstand beträgt 66,000 Stück Hornvieh, wo¬
runter circa 60,000 Schafe und Ziegen, und 16,000 Stück Zugvieh. Die
Einfuhr, die hauptsächlich aus Kleiderstoffen. Getreide und Kaffee besteht, hat
einen Werth von 2,622.000, die Ausfuhr, nur Vieh und Häute, einen Werth
von 1,755.000 Mark.

Die Herzegowina macht den kleineren Theil der unter dem Namen Bosna-
Hersek zusammengefaßten türkischen Großprovinz aus und ist, wenn auch
Bergland wie Bosnien und Serbien, dennoch von beiden wesentlich verschieden.
Während die Höhen und Hänge in Bosnien größtentheils noch im Schmucke
grüner Wälder prangen und reich bewässerte TlMer üppigen Graswuchs
zeigen, sind die Berge der Herzegowina öde und kahl. Auch der Temperatur¬
unterschied beider Landschaften ist bedeutend. Bosnien hat ein überwiegend
feuchtes und im Winter ziemlich rauhes Klima, die Herzegowina dagegen ist
im Sommer rauh, und die Luft ist trocken. Die Narenta. der Hauptfluß
des Landes, theilt dasselbe in zwei Hälften. Noch bestimmter und auf kürzerer,
weil directerer Linie sind diese beiden Hälften durch die Kunststraße geschieden,
welche, an der böhmischen Grenze bei Konjitza beginnend und Mostar, wo
sie auf die Narenta stößt, berührend, diesen Fluß entlang nach Metkowitsch,
jenseits der Grenze Dalmatiens führt. Auf dieser Straße, der besten in der
ganzen Provinz, hat in der Herzegowina kein andrer Punkt eine auch nur
annähernd gleiche Bedeutung wie Mostar. Abgesehen von seiner centralen
Lage in der Mitte der Straßenlinie, d. h. gleich weit entfernt von der böh¬
mischen wie von der dalmatinischen Grenze, ist es der Mittelpunkt der Ver¬
bindungswege des Landes. In einer weiten Ebene zu beiden Seiten der
Narenta gelegen, ist diese Stadt der Knoten einer Menge von Straßen, von
denen mehrere allerdings nur den Namen von Saumpfaden beanspruchen
können. Dieser Umstand macht Mostar und die erwähnte Kunststraße an


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/151>, abgerufen am 27.09.2024.