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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Briefe schreibt, dann weil die Postgebühren sehr hoch sind, und schließlich,
weil keine Sicherheit geboten ist, daß Briefe oder andere Sendungen richtig
an ihre Adresse gelangen. Die PostVerbindung mit dem Auslande unter¬
halten die österreichisch-ungarischen Consularcouriere, welche wöchentlich einmal
abgehen und außer amtlichen Schriftstücken auch die Privatcorrespondenz der
hier verweilenden Angehörigen Oesterreichs und Ungarns befördern. Solche
Consular-Postkawassen gehen zwischen Trebinje und Ragusa, Mostar und
Metkowitsch, Liwno und Sign, Banjaluka und Gradiska, Serajewo und
Brood hin und her. Die Telegraphenverbindung wird im Innern des Landes
durch türkische, mit dem Auslande aber durch internationale Telegraphen¬
stationen unterhalten. Die ersteren telegraphiren nur türkisch, der inter¬
nationale Telegraphenverkehr hat Bureaux in Serajewo, Türkisch-Brood,
Banjaluka, Mostar, Wischegrad, Sjenitscha und Gradiska.

Das Paßwesen wird mit ziemlicher Strenge gehandhabt. Jeder Fremde
muß, wenn er das Innere des Vilajets bereisen will, einen mit dem Visum
eines türkischen Gesandten oder Consuls versehenen Paß besitzen, wozu er
nach Überschreitung der Grenze noch eine türkisch abgefaßte Reiselegitimation
bekommt, indem die Behörden im Binnenlande in der Regel keine andere
Sprache als die türkische verstehen. Nur die auf acht Tage gültigen
Grenzverkehrs-Certificate sind von dem türkischen Paßvisum befreit.

Unter den geschilderten Verhältnissen versteht es sich von selbst, daß der
Handel ganz und gar darniederliegt, und daß die Handelshäuser in Oesterreich-
Ungarn den Credit, den sie den Kaufleuten Bosniens gewährten, in den
letzten Jahren mehr und mehr eingeschränkt und theilweise ganz eingestellt
haben. Das ganze Vilajet bietet den nördlichen und westlichen Nachbarn
bis auf Weiteres nur sehr zweifelhafte Vortheile, indem bei der mißlichen
Lage des Landes und bei dem unreellen Wesen vieler böhmischen Händler die
erhofften Gewinne durch die voraussichtlichen Verluste aufgewogen werden
können. Aus demselben Grunde hat es auch kein einziger ausländischer
Industrieller in Bosnien dahin gebracht, sich behaupten und gedeihen
zu können.

Von den Städten Bosniens ist zunächst Serajewo, türkisch Bosra Serai,
zu nennen, eine Stadt von etwa 70,000 Einwohnern, die auf einem hohen,
von waldigen Bergen eingeschlossnen Plateau, nicht weit von der Migliazza,
einem Ueberflusse der Bosra, liegt. Zwölf Fuß dicke Mauern umgeben die
Stadt, die überdies in ihrem obern Theile von kleinen Forts vertheidigt
wird. Sie ist der Sitz vieler Gewerbe und der Mittelpunkt des Handels
von ganz Bosnien sowie des Transitverkehrs zwischen Salonik und Janina.
Die zweitgrößte Stadt ist Zwornik mit 14,000 Einwohnern, an Größe die
dritte ist Banjaluka, welches 13,000, die vierte endlich ist Trebinje, welches


Briefe schreibt, dann weil die Postgebühren sehr hoch sind, und schließlich,
weil keine Sicherheit geboten ist, daß Briefe oder andere Sendungen richtig
an ihre Adresse gelangen. Die PostVerbindung mit dem Auslande unter¬
halten die österreichisch-ungarischen Consularcouriere, welche wöchentlich einmal
abgehen und außer amtlichen Schriftstücken auch die Privatcorrespondenz der
hier verweilenden Angehörigen Oesterreichs und Ungarns befördern. Solche
Consular-Postkawassen gehen zwischen Trebinje und Ragusa, Mostar und
Metkowitsch, Liwno und Sign, Banjaluka und Gradiska, Serajewo und
Brood hin und her. Die Telegraphenverbindung wird im Innern des Landes
durch türkische, mit dem Auslande aber durch internationale Telegraphen¬
stationen unterhalten. Die ersteren telegraphiren nur türkisch, der inter¬
nationale Telegraphenverkehr hat Bureaux in Serajewo, Türkisch-Brood,
Banjaluka, Mostar, Wischegrad, Sjenitscha und Gradiska.

Das Paßwesen wird mit ziemlicher Strenge gehandhabt. Jeder Fremde
muß, wenn er das Innere des Vilajets bereisen will, einen mit dem Visum
eines türkischen Gesandten oder Consuls versehenen Paß besitzen, wozu er
nach Überschreitung der Grenze noch eine türkisch abgefaßte Reiselegitimation
bekommt, indem die Behörden im Binnenlande in der Regel keine andere
Sprache als die türkische verstehen. Nur die auf acht Tage gültigen
Grenzverkehrs-Certificate sind von dem türkischen Paßvisum befreit.

Unter den geschilderten Verhältnissen versteht es sich von selbst, daß der
Handel ganz und gar darniederliegt, und daß die Handelshäuser in Oesterreich-
Ungarn den Credit, den sie den Kaufleuten Bosniens gewährten, in den
letzten Jahren mehr und mehr eingeschränkt und theilweise ganz eingestellt
haben. Das ganze Vilajet bietet den nördlichen und westlichen Nachbarn
bis auf Weiteres nur sehr zweifelhafte Vortheile, indem bei der mißlichen
Lage des Landes und bei dem unreellen Wesen vieler böhmischen Händler die
erhofften Gewinne durch die voraussichtlichen Verluste aufgewogen werden
können. Aus demselben Grunde hat es auch kein einziger ausländischer
Industrieller in Bosnien dahin gebracht, sich behaupten und gedeihen
zu können.

Von den Städten Bosniens ist zunächst Serajewo, türkisch Bosra Serai,
zu nennen, eine Stadt von etwa 70,000 Einwohnern, die auf einem hohen,
von waldigen Bergen eingeschlossnen Plateau, nicht weit von der Migliazza,
einem Ueberflusse der Bosra, liegt. Zwölf Fuß dicke Mauern umgeben die
Stadt, die überdies in ihrem obern Theile von kleinen Forts vertheidigt
wird. Sie ist der Sitz vieler Gewerbe und der Mittelpunkt des Handels
von ganz Bosnien sowie des Transitverkehrs zwischen Salonik und Janina.
Die zweitgrößte Stadt ist Zwornik mit 14,000 Einwohnern, an Größe die
dritte ist Banjaluka, welches 13,000, die vierte endlich ist Trebinje, welches


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/150>, abgerufen am 27.09.2024.