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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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und Geräthe, sowie Feuerschloßflinten schmiedet. In Ober- und Unter-Tuzla
gewinnt man jährlich etwa 1000 Centner Salz, indem man mittelst Eimern
Salzsoole aus den Brunnen schöpft und unmittelbar darauf in Kesseln
siedet. Die Erzeugungskosten würden hier den Werth des gewonnenen
Salzes übersteigen, wenn man das Brennmaterial nicht umsonst aus den
Staatswaldungen entnehmen könnte. Die letzteren liefern auch den zahl¬
reichen Bretmühlm nichts kostendes Holz. Endlich ist zu erwähnen, daß
Bosnien zwei gut eingerichtete Wassermühlen, eine in der Trappisteneolonie
von Banjaluka und eine in Serajewo, und drei Bierbrauereien hat, von denen
sich eine in Serajewo. eine in Banjaluka und die dritte und beste im Städtchen
Liwno befindet.

Die Bevölkerung beträgt nach der letzten Zählung 1,339,179 Seelen,
unter denen 842.000 Muhamedaner, 680,000 Griechisch-Orthodoxe. 215.640
Römische Katholiken, 18,000 Zigeuner und 3639 Juden sind. Für Schulen
ist unter den Christen in den letzten Jahren Einiges geschehen. In den
türkischen Schulen lernen die Kinder fast nur Lesen und Schreiben. Die
Muslime bilden zwar das herrschende Element und sind beinahe die aus¬
schließlichen Besitzer des unbeweglichen Eigenthumes, fühlen sich aber nicht
mehr so wohl wie früher, da die Abgaben fortwährend auch für sie gestiegen
sind und die Aermeren unter ihnen jetzt kaum in besseren Verhältnissen als
die Christen leben. Ihre Kultur kann man darnach beurtheilen, daß nur in
Serajewo eine kleine Druckerei besteht, und daß diese nur amtliche Formulare
und das Blättchen "Bosra" druckt, welches das einzige Journal für das
ganze Mlajet ist, wöchentlich einmal, einen mittelgroßen Bogen stark, auf der
einen Seite türkisch, auf der andern serbisch, erscheint und fast nur amtliche
Publicationen enthält.

Der Handel Bosniens steht auf der niedrigsten Stufe und kann sich
nicht heben, da ihm hierzu alle Vorbedingungen fehlen. Das Volk kämpft
mit dem Elende, und selbst die Reichsten empfinden kein Bedürfniß nach
civilisirter Behaglichkeit. Die Kaufleute sind noch so ungebildet, daß nur ein
paar Orthodoxe es mit einer geregelten Buchführung versuchen, und daß man
den Vortheil eines öfteren Umsatzes des Kapitals nicht kennt, sondern aus
dem einmaligen Umsätze den größtmöglichen Gewinn zu ziehen sucht. Es
fehlt jedes Wechsel- und Geldinstitut, und es herrscht, vorzüglich weil die
Ausfuhr gering ist, Knappheit des Geldes. Die Verkehrswege sind so
mangelhaft, daß der Frachtsatz -- der beispielsweise von Brood bis Serajewo,
eine Strecke von 22 deutschen Meilen, nur in trockner Sommerszeit 3, sonst
aber stets mehr und bisweilen 6 Gulden für den Zollcentner beträgt -- den
Werth mancher Waare übersteigt. Es besteht eine 102 Kilometer lange Eisen¬
bahnstrecke zwischen Banjaluka und der Grenzstation Dobrlin; sie ist aber


und Geräthe, sowie Feuerschloßflinten schmiedet. In Ober- und Unter-Tuzla
gewinnt man jährlich etwa 1000 Centner Salz, indem man mittelst Eimern
Salzsoole aus den Brunnen schöpft und unmittelbar darauf in Kesseln
siedet. Die Erzeugungskosten würden hier den Werth des gewonnenen
Salzes übersteigen, wenn man das Brennmaterial nicht umsonst aus den
Staatswaldungen entnehmen könnte. Die letzteren liefern auch den zahl¬
reichen Bretmühlm nichts kostendes Holz. Endlich ist zu erwähnen, daß
Bosnien zwei gut eingerichtete Wassermühlen, eine in der Trappisteneolonie
von Banjaluka und eine in Serajewo, und drei Bierbrauereien hat, von denen
sich eine in Serajewo. eine in Banjaluka und die dritte und beste im Städtchen
Liwno befindet.

Die Bevölkerung beträgt nach der letzten Zählung 1,339,179 Seelen,
unter denen 842.000 Muhamedaner, 680,000 Griechisch-Orthodoxe. 215.640
Römische Katholiken, 18,000 Zigeuner und 3639 Juden sind. Für Schulen
ist unter den Christen in den letzten Jahren Einiges geschehen. In den
türkischen Schulen lernen die Kinder fast nur Lesen und Schreiben. Die
Muslime bilden zwar das herrschende Element und sind beinahe die aus¬
schließlichen Besitzer des unbeweglichen Eigenthumes, fühlen sich aber nicht
mehr so wohl wie früher, da die Abgaben fortwährend auch für sie gestiegen
sind und die Aermeren unter ihnen jetzt kaum in besseren Verhältnissen als
die Christen leben. Ihre Kultur kann man darnach beurtheilen, daß nur in
Serajewo eine kleine Druckerei besteht, und daß diese nur amtliche Formulare
und das Blättchen „Bosra" druckt, welches das einzige Journal für das
ganze Mlajet ist, wöchentlich einmal, einen mittelgroßen Bogen stark, auf der
einen Seite türkisch, auf der andern serbisch, erscheint und fast nur amtliche
Publicationen enthält.

Der Handel Bosniens steht auf der niedrigsten Stufe und kann sich
nicht heben, da ihm hierzu alle Vorbedingungen fehlen. Das Volk kämpft
mit dem Elende, und selbst die Reichsten empfinden kein Bedürfniß nach
civilisirter Behaglichkeit. Die Kaufleute sind noch so ungebildet, daß nur ein
paar Orthodoxe es mit einer geregelten Buchführung versuchen, und daß man
den Vortheil eines öfteren Umsatzes des Kapitals nicht kennt, sondern aus
dem einmaligen Umsätze den größtmöglichen Gewinn zu ziehen sucht. Es
fehlt jedes Wechsel- und Geldinstitut, und es herrscht, vorzüglich weil die
Ausfuhr gering ist, Knappheit des Geldes. Die Verkehrswege sind so
mangelhaft, daß der Frachtsatz — der beispielsweise von Brood bis Serajewo,
eine Strecke von 22 deutschen Meilen, nur in trockner Sommerszeit 3, sonst
aber stets mehr und bisweilen 6 Gulden für den Zollcentner beträgt — den
Werth mancher Waare übersteigt. Es besteht eine 102 Kilometer lange Eisen¬
bahnstrecke zwischen Banjaluka und der Grenzstation Dobrlin; sie ist aber


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/148>, abgerufen am 27.09.2024.