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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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warnte vor dem Heraufbeschwören neuer Processe, die doch der Herr ausge¬
sprochenen Masse nicht wolle. Daß Gärtner schließlich anführte, das Angeord.
rede werde einen Stachel in seinem Gewissen zurücklassen, weil er unter
Gott stehe und vielleicht noch kurze Zeit zu leben habe, und Rede und
Antwort von seiner Amtsführung geben müsse, konnte den Fürsten nicht
zur Aenderung seiner Meinung bestimmen, er ertheilte einem andern die
nöthigen Weisungen, damit Gärtner in seinem Gewissen sich beruhigen
könne.

Leider verschärften sich mehr und mehr zwischen Herrn und Diener die
Gegensätze, da Gärtner in der Allodialsache offen aussprach, mit derselben
nichts mehr zu schaffen haben zu wollen. Das sah nicht allein die Weima-
rische Regierung als einen ziemlich "harten Periodus" und gegen den
Respect Serenessimi laufend an, sondern auch Ernst August verwies ihm dies
in härtester Weise. "Wenn es uns nicht wenig befremdet, daß Ihr Euch
erkühnt, solcher unüberlegter, unanständiger Expression höchst strafbar zu be¬
dienen, so verweisen wir, obwohl Ursache genug, um Euch die hierüber ge¬
schöpfte Ungnade empfinden zu lassen, Euch vor dies Mal Eure allzu kühn
herausgenommene Freiheit nachdrücklich und ernstlich mit der Verwarnung,
dergleichen bei unausbleiblicher harter Ahndung zu enthalten, uns allenthalben
als ein Diener, der in unseren Brod steht, den gebührenden Respect zu er¬
zeigen, gestalten Ihr gewiß glauben könnt, daß wir uns nach der in Eisenach
eingerissen gewesenen Mode, da man dem Herrn wohl die Thüre vor der Nase
zu und die Briefschaften vor die Füße geworfen, nicht tractiren lasse. Wir
haben auch so lange in der Welt gelebt und durch genügsame Erfahrung und
manch schlaflose Nacht gelernt, wie ein großer Herr regieren und seine Actionen
einrichten soll, daß wir also keinen Lehrmeister mehr brauchen, und wenn
Ihr so QÄUtaill ins Gelage hinein schreibt, Ihr wollet mit der Eisenacher
Testamentssache nichts mehr zu thun haben, so versichern wir Euch, daß es
uns an Mitteln, den Diener bei seiner Schuldigkeit und Subordination zu
erhalten, nicht fehlt. Und was Ihr schließlich wegen des Herrn Göckel er¬
wähnt, daß wir demselben gleichsam eine Abbitte thun sollen, so können wir
nicht unberührt lassen, daß Göckel unser Diener und Landeskind, eines All-
stedter Bauernsohn ist, von dem wir uns nicht trotzen lassen, sondern ihn
als eine bloße Schreiber-Betze, wofern er sein äevoir nicht exact thun wird,
gewiß zur Raison zu bringen wissen. Uebrigens werden wir uns und euch viel
avs,Qtags stiften, wenn Ihr Eure allzu große Präcipitanz in inoäeratioll und
die Renitenz in Gehorsam verwandeln könnt. An dem geschieht unser Wille."

Gärtner bat ab; in der kurzen Zeit, die ihm noch zu leben und das
Interesse seines Herrn in zuvorkommender Weise zu vertreten vergönnt war,
suchte er in milderen Formen sich zu bewegen. Ich darf nicht expliciren, schrieb


Ärenjtwtm l. 1876. 62

warnte vor dem Heraufbeschwören neuer Processe, die doch der Herr ausge¬
sprochenen Masse nicht wolle. Daß Gärtner schließlich anführte, das Angeord.
rede werde einen Stachel in seinem Gewissen zurücklassen, weil er unter
Gott stehe und vielleicht noch kurze Zeit zu leben habe, und Rede und
Antwort von seiner Amtsführung geben müsse, konnte den Fürsten nicht
zur Aenderung seiner Meinung bestimmen, er ertheilte einem andern die
nöthigen Weisungen, damit Gärtner in seinem Gewissen sich beruhigen
könne.

Leider verschärften sich mehr und mehr zwischen Herrn und Diener die
Gegensätze, da Gärtner in der Allodialsache offen aussprach, mit derselben
nichts mehr zu schaffen haben zu wollen. Das sah nicht allein die Weima-
rische Regierung als einen ziemlich „harten Periodus" und gegen den
Respect Serenessimi laufend an, sondern auch Ernst August verwies ihm dies
in härtester Weise. „Wenn es uns nicht wenig befremdet, daß Ihr Euch
erkühnt, solcher unüberlegter, unanständiger Expression höchst strafbar zu be¬
dienen, so verweisen wir, obwohl Ursache genug, um Euch die hierüber ge¬
schöpfte Ungnade empfinden zu lassen, Euch vor dies Mal Eure allzu kühn
herausgenommene Freiheit nachdrücklich und ernstlich mit der Verwarnung,
dergleichen bei unausbleiblicher harter Ahndung zu enthalten, uns allenthalben
als ein Diener, der in unseren Brod steht, den gebührenden Respect zu er¬
zeigen, gestalten Ihr gewiß glauben könnt, daß wir uns nach der in Eisenach
eingerissen gewesenen Mode, da man dem Herrn wohl die Thüre vor der Nase
zu und die Briefschaften vor die Füße geworfen, nicht tractiren lasse. Wir
haben auch so lange in der Welt gelebt und durch genügsame Erfahrung und
manch schlaflose Nacht gelernt, wie ein großer Herr regieren und seine Actionen
einrichten soll, daß wir also keinen Lehrmeister mehr brauchen, und wenn
Ihr so QÄUtaill ins Gelage hinein schreibt, Ihr wollet mit der Eisenacher
Testamentssache nichts mehr zu thun haben, so versichern wir Euch, daß es
uns an Mitteln, den Diener bei seiner Schuldigkeit und Subordination zu
erhalten, nicht fehlt. Und was Ihr schließlich wegen des Herrn Göckel er¬
wähnt, daß wir demselben gleichsam eine Abbitte thun sollen, so können wir
nicht unberührt lassen, daß Göckel unser Diener und Landeskind, eines All-
stedter Bauernsohn ist, von dem wir uns nicht trotzen lassen, sondern ihn
als eine bloße Schreiber-Betze, wofern er sein äevoir nicht exact thun wird,
gewiß zur Raison zu bringen wissen. Uebrigens werden wir uns und euch viel
avs,Qtags stiften, wenn Ihr Eure allzu große Präcipitanz in inoäeratioll und
die Renitenz in Gehorsam verwandeln könnt. An dem geschieht unser Wille."

Gärtner bat ab; in der kurzen Zeit, die ihm noch zu leben und das
Interesse seines Herrn in zuvorkommender Weise zu vertreten vergönnt war,
suchte er in milderen Formen sich zu bewegen. Ich darf nicht expliciren, schrieb


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[0497] warnte vor dem Heraufbeschwören neuer Processe, die doch der Herr ausge¬ sprochenen Masse nicht wolle. Daß Gärtner schließlich anführte, das Angeord. rede werde einen Stachel in seinem Gewissen zurücklassen, weil er unter Gott stehe und vielleicht noch kurze Zeit zu leben habe, und Rede und Antwort von seiner Amtsführung geben müsse, konnte den Fürsten nicht zur Aenderung seiner Meinung bestimmen, er ertheilte einem andern die nöthigen Weisungen, damit Gärtner in seinem Gewissen sich beruhigen könne. Leider verschärften sich mehr und mehr zwischen Herrn und Diener die Gegensätze, da Gärtner in der Allodialsache offen aussprach, mit derselben nichts mehr zu schaffen haben zu wollen. Das sah nicht allein die Weima- rische Regierung als einen ziemlich „harten Periodus" und gegen den Respect Serenessimi laufend an, sondern auch Ernst August verwies ihm dies in härtester Weise. „Wenn es uns nicht wenig befremdet, daß Ihr Euch erkühnt, solcher unüberlegter, unanständiger Expression höchst strafbar zu be¬ dienen, so verweisen wir, obwohl Ursache genug, um Euch die hierüber ge¬ schöpfte Ungnade empfinden zu lassen, Euch vor dies Mal Eure allzu kühn herausgenommene Freiheit nachdrücklich und ernstlich mit der Verwarnung, dergleichen bei unausbleiblicher harter Ahndung zu enthalten, uns allenthalben als ein Diener, der in unseren Brod steht, den gebührenden Respect zu er¬ zeigen, gestalten Ihr gewiß glauben könnt, daß wir uns nach der in Eisenach eingerissen gewesenen Mode, da man dem Herrn wohl die Thüre vor der Nase zu und die Briefschaften vor die Füße geworfen, nicht tractiren lasse. Wir haben auch so lange in der Welt gelebt und durch genügsame Erfahrung und manch schlaflose Nacht gelernt, wie ein großer Herr regieren und seine Actionen einrichten soll, daß wir also keinen Lehrmeister mehr brauchen, und wenn Ihr so QÄUtaill ins Gelage hinein schreibt, Ihr wollet mit der Eisenacher Testamentssache nichts mehr zu thun haben, so versichern wir Euch, daß es uns an Mitteln, den Diener bei seiner Schuldigkeit und Subordination zu erhalten, nicht fehlt. Und was Ihr schließlich wegen des Herrn Göckel er¬ wähnt, daß wir demselben gleichsam eine Abbitte thun sollen, so können wir nicht unberührt lassen, daß Göckel unser Diener und Landeskind, eines All- stedter Bauernsohn ist, von dem wir uns nicht trotzen lassen, sondern ihn als eine bloße Schreiber-Betze, wofern er sein äevoir nicht exact thun wird, gewiß zur Raison zu bringen wissen. Uebrigens werden wir uns und euch viel avs,Qtags stiften, wenn Ihr Eure allzu große Präcipitanz in inoäeratioll und die Renitenz in Gehorsam verwandeln könnt. An dem geschieht unser Wille." Gärtner bat ab; in der kurzen Zeit, die ihm noch zu leben und das Interesse seines Herrn in zuvorkommender Weise zu vertreten vergönnt war, suchte er in milderen Formen sich zu bewegen. Ich darf nicht expliciren, schrieb Ärenjtwtm l. 1876. 62

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/497>, abgerufen am 27.09.2024.