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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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fang ist gemacht, uns von allen Berliner Affairen*) los zu machen, ich werde
mich zu nichts persuadiren lassen, denn durch das Advoeatenmäßige Verfahren
habe ich mehr eingebüßt als genutzt, es liegt klar vor Augen, daß alle Autoren
und juristische Grillen in der jetzigen verkehrten Welt nichts mehr helfen." --

Aber nicht so schnell, wie Ernst August wünschte, ging alles von Statten.
Wenn er auch abgestellt hatte, daß die Acten schubkarrenweise in sein Schloß
geschafft wurden, in den Collegien auf Zfach gebrochenen Bogen die Eingänge,
daneben die Beschlüsse des Collegiums gesetzt, die er nur durch sein placet zu
bestätigen hatte, so war er doch mit dem Eisenacher Geschäftsgange noch lange
nicht zufrieden. Er behauptete, er sei in einem Vierteljahr nicht vor die
Thür gekommen, während er Jenaische und Weimarische Sachen, 180 an der
Zahl, in einem Tage bewältigt habe. "Wir haben bei Euch eine solche Con-
fusion gefunden, deren Ihr Euch insgesammt, wir sagen mit gutem Bedacht,
insgesammt -- nicht rühmen dürft. Wir werden dem ein schnelles Ende
machen und Euch lernen, daß sich der Capitän nach dem Major richten muß.
Wir wollen nicht von den Collegien mit so vielen unnöthigen Anfragen be¬
lästigt werden, denn zu Parteisachen, welche jurs, xrivatvrum concerniren, sind
unsere Landescollegien gesetzt, und nur wo Verbesserungen unserer Landes-
revenuen im Spiele sind, und wo Sachen "verdunkelt" sind, von denen wollen
wir als Landesfürst allerdings wissen." --

Eine Folge war, daß er streng anordnete, alle Processe binnen 4 Wochen
tod zu machen. Das bequeme ZuHausarbeiten war verpönt, wie sehr Gärtner
vorstellig wurde, daß die Beschlüsse vom Studium der Acten abhängig wären,
die unmöglich in collegialen Sitzungen tractirt werden könnten. Schwäger
und Söhne sollten aus nahliegenden Gründen nicht mehr Mitglieder eines
Collegs sein, und er machte gar kein Hehl daraus, daß er dieser Wirthschaft
gegenüber einige geschickte Minister und einen bahnen Präsidenten und zwei
Vicekanzler brauche. Er zog nicht den Adel vor, denn das liegt doch außer allem
Streit, schrieb er, daß sich die bürgerlichen besser appliciren. Natürlich war
v. Gärtner dem entgegen, die Präsidenten und Vicekanzlers. schrieb er, seynd
eben nicht aller Orten gewohnt fleißig zu arbeiten, von der Wahl banges ab;
ich halte vielmehr von der Wahl geschickter und arbeitsamer Hofräthe, die lernt
man kennen und macht nachher "Ca pi" draus. Auch von den juristischen
Entgegnungen gescheitster Leute machte er kein Rühmens, und wenn jene auch
noch so gut sind, setzte er naiv hinzu, es kommt eben auf des Lesers
Gemüthsdisposition an, wenn sie etwas wirken sollen. Mehr und mehr ent¬
wickelte sich aus diesem kleinen Meinungsaustausch der schärfere Gegensatz.
Gärtner remonstrirte gegen Strafdictate, da die Schuld nicht erwiesen sei,



") Zur Erklärung dienen S. 490 ff.

fang ist gemacht, uns von allen Berliner Affairen*) los zu machen, ich werde
mich zu nichts persuadiren lassen, denn durch das Advoeatenmäßige Verfahren
habe ich mehr eingebüßt als genutzt, es liegt klar vor Augen, daß alle Autoren
und juristische Grillen in der jetzigen verkehrten Welt nichts mehr helfen." —

Aber nicht so schnell, wie Ernst August wünschte, ging alles von Statten.
Wenn er auch abgestellt hatte, daß die Acten schubkarrenweise in sein Schloß
geschafft wurden, in den Collegien auf Zfach gebrochenen Bogen die Eingänge,
daneben die Beschlüsse des Collegiums gesetzt, die er nur durch sein placet zu
bestätigen hatte, so war er doch mit dem Eisenacher Geschäftsgange noch lange
nicht zufrieden. Er behauptete, er sei in einem Vierteljahr nicht vor die
Thür gekommen, während er Jenaische und Weimarische Sachen, 180 an der
Zahl, in einem Tage bewältigt habe. „Wir haben bei Euch eine solche Con-
fusion gefunden, deren Ihr Euch insgesammt, wir sagen mit gutem Bedacht,
insgesammt — nicht rühmen dürft. Wir werden dem ein schnelles Ende
machen und Euch lernen, daß sich der Capitän nach dem Major richten muß.
Wir wollen nicht von den Collegien mit so vielen unnöthigen Anfragen be¬
lästigt werden, denn zu Parteisachen, welche jurs, xrivatvrum concerniren, sind
unsere Landescollegien gesetzt, und nur wo Verbesserungen unserer Landes-
revenuen im Spiele sind, und wo Sachen „verdunkelt" sind, von denen wollen
wir als Landesfürst allerdings wissen." —

Eine Folge war, daß er streng anordnete, alle Processe binnen 4 Wochen
tod zu machen. Das bequeme ZuHausarbeiten war verpönt, wie sehr Gärtner
vorstellig wurde, daß die Beschlüsse vom Studium der Acten abhängig wären,
die unmöglich in collegialen Sitzungen tractirt werden könnten. Schwäger
und Söhne sollten aus nahliegenden Gründen nicht mehr Mitglieder eines
Collegs sein, und er machte gar kein Hehl daraus, daß er dieser Wirthschaft
gegenüber einige geschickte Minister und einen bahnen Präsidenten und zwei
Vicekanzler brauche. Er zog nicht den Adel vor, denn das liegt doch außer allem
Streit, schrieb er, daß sich die bürgerlichen besser appliciren. Natürlich war
v. Gärtner dem entgegen, die Präsidenten und Vicekanzlers. schrieb er, seynd
eben nicht aller Orten gewohnt fleißig zu arbeiten, von der Wahl banges ab;
ich halte vielmehr von der Wahl geschickter und arbeitsamer Hofräthe, die lernt
man kennen und macht nachher „Ca pi" draus. Auch von den juristischen
Entgegnungen gescheitster Leute machte er kein Rühmens, und wenn jene auch
noch so gut sind, setzte er naiv hinzu, es kommt eben auf des Lesers
Gemüthsdisposition an, wenn sie etwas wirken sollen. Mehr und mehr ent¬
wickelte sich aus diesem kleinen Meinungsaustausch der schärfere Gegensatz.
Gärtner remonstrirte gegen Strafdictate, da die Schuld nicht erwiesen sei,



") Zur Erklärung dienen S. 490 ff.
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[0496] fang ist gemacht, uns von allen Berliner Affairen*) los zu machen, ich werde mich zu nichts persuadiren lassen, denn durch das Advoeatenmäßige Verfahren habe ich mehr eingebüßt als genutzt, es liegt klar vor Augen, daß alle Autoren und juristische Grillen in der jetzigen verkehrten Welt nichts mehr helfen." — Aber nicht so schnell, wie Ernst August wünschte, ging alles von Statten. Wenn er auch abgestellt hatte, daß die Acten schubkarrenweise in sein Schloß geschafft wurden, in den Collegien auf Zfach gebrochenen Bogen die Eingänge, daneben die Beschlüsse des Collegiums gesetzt, die er nur durch sein placet zu bestätigen hatte, so war er doch mit dem Eisenacher Geschäftsgange noch lange nicht zufrieden. Er behauptete, er sei in einem Vierteljahr nicht vor die Thür gekommen, während er Jenaische und Weimarische Sachen, 180 an der Zahl, in einem Tage bewältigt habe. „Wir haben bei Euch eine solche Con- fusion gefunden, deren Ihr Euch insgesammt, wir sagen mit gutem Bedacht, insgesammt — nicht rühmen dürft. Wir werden dem ein schnelles Ende machen und Euch lernen, daß sich der Capitän nach dem Major richten muß. Wir wollen nicht von den Collegien mit so vielen unnöthigen Anfragen be¬ lästigt werden, denn zu Parteisachen, welche jurs, xrivatvrum concerniren, sind unsere Landescollegien gesetzt, und nur wo Verbesserungen unserer Landes- revenuen im Spiele sind, und wo Sachen „verdunkelt" sind, von denen wollen wir als Landesfürst allerdings wissen." — Eine Folge war, daß er streng anordnete, alle Processe binnen 4 Wochen tod zu machen. Das bequeme ZuHausarbeiten war verpönt, wie sehr Gärtner vorstellig wurde, daß die Beschlüsse vom Studium der Acten abhängig wären, die unmöglich in collegialen Sitzungen tractirt werden könnten. Schwäger und Söhne sollten aus nahliegenden Gründen nicht mehr Mitglieder eines Collegs sein, und er machte gar kein Hehl daraus, daß er dieser Wirthschaft gegenüber einige geschickte Minister und einen bahnen Präsidenten und zwei Vicekanzler brauche. Er zog nicht den Adel vor, denn das liegt doch außer allem Streit, schrieb er, daß sich die bürgerlichen besser appliciren. Natürlich war v. Gärtner dem entgegen, die Präsidenten und Vicekanzlers. schrieb er, seynd eben nicht aller Orten gewohnt fleißig zu arbeiten, von der Wahl banges ab; ich halte vielmehr von der Wahl geschickter und arbeitsamer Hofräthe, die lernt man kennen und macht nachher „Ca pi" draus. Auch von den juristischen Entgegnungen gescheitster Leute machte er kein Rühmens, und wenn jene auch noch so gut sind, setzte er naiv hinzu, es kommt eben auf des Lesers Gemüthsdisposition an, wenn sie etwas wirken sollen. Mehr und mehr ent¬ wickelte sich aus diesem kleinen Meinungsaustausch der schärfere Gegensatz. Gärtner remonstrirte gegen Strafdictate, da die Schuld nicht erwiesen sei, ") Zur Erklärung dienen S. 490 ff.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/496>, abgerufen am 27.09.2024.