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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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Generale einzufinden, unter ihnen auch der Großfürst. Alle traten zugleich
beim Feldmarschall ein. Der Feldmarschall hielt seine Schritte inne. machte
eine Verbeugung, blinzelte mit den Augen und schien seine Gedanken sam¬
meln zu wollen. Nach einem kurzen Schweigen maß er plötzlich Alle mit
seinem schnellen feurigen Blick und hob mit feierlicher kräftiger Stimme zu
sprechen an:

"Korsakow ist geschlagen und hinter den Rhein zurückgeworfen. Hohe ist
verschollen und sein Corps zerstreut! Jellachich und Linken haben uns im
Stich gelassen. Unser ganzer Plan ist vereitelt! . . . ."

Diese unglückliche Wendung dem Wiener Kabinet zur Last legend, zählte
der Feldmarschall mit kurzen aber scharfen Ausdrücken alle Ränke auf, welche
er seit seiner Ankunft in Italien von den Oestreichern zu erdulden hatte und
führte als einen Beweis der zweideutigen Politik des Baron Thugut an,
wie sehr er sich bemüht, die Russen aus Italien zu entfernen und den Erz¬
herzog Karl zu dessen vorzeitigen Abzüge aus der Schweiz zu veranlassen,
wodurch die Niederlage Korsakow's unvermeidlich geworden sei. "Wenn wir,
sprach er, nicht in Taverne S Tage verloren hätten, so wäre den Unglücks-
fällen, die uns betroffen, vorgebeugt worden und Massen" hätte nicht jene
Siege errungen, zu welchen ihm durch die hinterlistige Politik eines verbün¬
deten Cabinets der Weg gebahnt wurde."

Je länger Suworow sprach, desto größer wurde seine Aufregung. Er
nannte das Benehmen des östreichischen Ministers geradezu Treulosigkeit und
Verrath und fuhr dann fort:

"Wir befinden uns jetzt mitten im Gebirge und sind von einem über¬
legenen Feinde ringsum eingeschlossen? Zurückgehen -- ist schimpflich; ich
bin noch nie zurückgewichen. Vorwärts nach Schwyz ist unmöglich: Massen"
hat über 60000 Mann, wir deren kaum 20000; zudem sind wir ohne
Proviant, ohne Munition, ohne Artillerie .... Von Niemandem können
wir Hülfe erwarten .... Wir stehen am Rande des Verderbens!"

Suworow konnte, als er diese inhaltsschweren Worte sprach, den Aus¬
bruch seines Unwillens, seines Schmerzes und seiner inneren Aufregung kaum
mehr zurückhalten. Seine Erbitterung, sein Kummer hatte den höchsten Grad
erreicht. Jeder der Anwesenden fühlte dies mit durch. --

"Jetzt bleibt mir nur die einzige Hoffnung auf den allmächtigen Gott
und auf die Tapferkeit und Selbstverleugnung meiner Truppen. Wir sind
Russen! Gott mit uns!"

Wie ein elektrischer Funke durchzuckten diese Worte sämmtliche Anwesende.
Suworow fuhr fort:

"Rettet die Ehre Rußlands und seines Czaren! Rettet den Sohn unsers
Kaisers!"


Generale einzufinden, unter ihnen auch der Großfürst. Alle traten zugleich
beim Feldmarschall ein. Der Feldmarschall hielt seine Schritte inne. machte
eine Verbeugung, blinzelte mit den Augen und schien seine Gedanken sam¬
meln zu wollen. Nach einem kurzen Schweigen maß er plötzlich Alle mit
seinem schnellen feurigen Blick und hob mit feierlicher kräftiger Stimme zu
sprechen an:

„Korsakow ist geschlagen und hinter den Rhein zurückgeworfen. Hohe ist
verschollen und sein Corps zerstreut! Jellachich und Linken haben uns im
Stich gelassen. Unser ganzer Plan ist vereitelt! . . . ."

Diese unglückliche Wendung dem Wiener Kabinet zur Last legend, zählte
der Feldmarschall mit kurzen aber scharfen Ausdrücken alle Ränke auf, welche
er seit seiner Ankunft in Italien von den Oestreichern zu erdulden hatte und
führte als einen Beweis der zweideutigen Politik des Baron Thugut an,
wie sehr er sich bemüht, die Russen aus Italien zu entfernen und den Erz¬
herzog Karl zu dessen vorzeitigen Abzüge aus der Schweiz zu veranlassen,
wodurch die Niederlage Korsakow's unvermeidlich geworden sei. „Wenn wir,
sprach er, nicht in Taverne S Tage verloren hätten, so wäre den Unglücks-
fällen, die uns betroffen, vorgebeugt worden und Massen« hätte nicht jene
Siege errungen, zu welchen ihm durch die hinterlistige Politik eines verbün¬
deten Cabinets der Weg gebahnt wurde."

Je länger Suworow sprach, desto größer wurde seine Aufregung. Er
nannte das Benehmen des östreichischen Ministers geradezu Treulosigkeit und
Verrath und fuhr dann fort:

„Wir befinden uns jetzt mitten im Gebirge und sind von einem über¬
legenen Feinde ringsum eingeschlossen? Zurückgehen — ist schimpflich; ich
bin noch nie zurückgewichen. Vorwärts nach Schwyz ist unmöglich: Massen»
hat über 60000 Mann, wir deren kaum 20000; zudem sind wir ohne
Proviant, ohne Munition, ohne Artillerie .... Von Niemandem können
wir Hülfe erwarten .... Wir stehen am Rande des Verderbens!"

Suworow konnte, als er diese inhaltsschweren Worte sprach, den Aus¬
bruch seines Unwillens, seines Schmerzes und seiner inneren Aufregung kaum
mehr zurückhalten. Seine Erbitterung, sein Kummer hatte den höchsten Grad
erreicht. Jeder der Anwesenden fühlte dies mit durch. —

„Jetzt bleibt mir nur die einzige Hoffnung auf den allmächtigen Gott
und auf die Tapferkeit und Selbstverleugnung meiner Truppen. Wir sind
Russen! Gott mit uns!"

Wie ein elektrischer Funke durchzuckten diese Worte sämmtliche Anwesende.
Suworow fuhr fort:

„Rettet die Ehre Rußlands und seines Czaren! Rettet den Sohn unsers
Kaisers!"


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[0416] Generale einzufinden, unter ihnen auch der Großfürst. Alle traten zugleich beim Feldmarschall ein. Der Feldmarschall hielt seine Schritte inne. machte eine Verbeugung, blinzelte mit den Augen und schien seine Gedanken sam¬ meln zu wollen. Nach einem kurzen Schweigen maß er plötzlich Alle mit seinem schnellen feurigen Blick und hob mit feierlicher kräftiger Stimme zu sprechen an: „Korsakow ist geschlagen und hinter den Rhein zurückgeworfen. Hohe ist verschollen und sein Corps zerstreut! Jellachich und Linken haben uns im Stich gelassen. Unser ganzer Plan ist vereitelt! . . . ." Diese unglückliche Wendung dem Wiener Kabinet zur Last legend, zählte der Feldmarschall mit kurzen aber scharfen Ausdrücken alle Ränke auf, welche er seit seiner Ankunft in Italien von den Oestreichern zu erdulden hatte und führte als einen Beweis der zweideutigen Politik des Baron Thugut an, wie sehr er sich bemüht, die Russen aus Italien zu entfernen und den Erz¬ herzog Karl zu dessen vorzeitigen Abzüge aus der Schweiz zu veranlassen, wodurch die Niederlage Korsakow's unvermeidlich geworden sei. „Wenn wir, sprach er, nicht in Taverne S Tage verloren hätten, so wäre den Unglücks- fällen, die uns betroffen, vorgebeugt worden und Massen« hätte nicht jene Siege errungen, zu welchen ihm durch die hinterlistige Politik eines verbün¬ deten Cabinets der Weg gebahnt wurde." Je länger Suworow sprach, desto größer wurde seine Aufregung. Er nannte das Benehmen des östreichischen Ministers geradezu Treulosigkeit und Verrath und fuhr dann fort: „Wir befinden uns jetzt mitten im Gebirge und sind von einem über¬ legenen Feinde ringsum eingeschlossen? Zurückgehen — ist schimpflich; ich bin noch nie zurückgewichen. Vorwärts nach Schwyz ist unmöglich: Massen» hat über 60000 Mann, wir deren kaum 20000; zudem sind wir ohne Proviant, ohne Munition, ohne Artillerie .... Von Niemandem können wir Hülfe erwarten .... Wir stehen am Rande des Verderbens!" Suworow konnte, als er diese inhaltsschweren Worte sprach, den Aus¬ bruch seines Unwillens, seines Schmerzes und seiner inneren Aufregung kaum mehr zurückhalten. Seine Erbitterung, sein Kummer hatte den höchsten Grad erreicht. Jeder der Anwesenden fühlte dies mit durch. — „Jetzt bleibt mir nur die einzige Hoffnung auf den allmächtigen Gott und auf die Tapferkeit und Selbstverleugnung meiner Truppen. Wir sind Russen! Gott mit uns!" Wie ein elektrischer Funke durchzuckten diese Worte sämmtliche Anwesende. Suworow fuhr fort: „Rettet die Ehre Rußlands und seines Czaren! Rettet den Sohn unsers Kaisers!"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/416>, abgerufen am 27.09.2024.