Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

mit spöttischer Nachrede zu foppen oder ihnen Spitznamen zu geben, die eine
lächerliche Bedeutung haben, sondern hat sich mit seinem Witze an ganzen
deutschen Stämmen und Landschaften versucht. Von den Schlesiern erzählt
er: Sie hatten vor Zeiten noch keinen Esel gesehen, und als sie nun einmal
einen trafen, hielten sie ihn für einen großen Hasen und schössen ihn, worauf
er zu Zopten gebraten und in Breslau verzehrt wurde. Von den Bewohnern
des Königreichs Sachsen ging früher das Sprichwort: "Meißner sind
Gleißner." Neben der Redensart: "Schlafen wie ein Pommer" kommt
auch: "Trinken wie ein Pommer" vor. Die Hessen sind blind, und es geht
von ihnen die Rede: "Wo Hessen verderben, wer wollte da Nahrung er¬
werben. Auch haben wir den Vers: "Hessenblut thut selten gut," desgleichen
den längeren:


"Das Land zu Hessen
Hat rauhe Berg' und nichts zu essen.
Große Krug und sauren Wein.
Wer möcht' im Land zu Hessen sein?
Wenn die Schlehen und Holzäpfel mißrathen,
Haben sie nichts zu sieden und zu braten."

In Ostfriesland heißt Feeling, d. t. Westphale, ungefähr soviel wie
Schildbürger, und ein Reim sagt von dem Lande der rothen Erde: "schlecht
Logiment und lange Meil', schlimm Bier und Schweinekeul giebt's aller
Orten in Westphalen." Die Schleswiger betrachten die Juden als dumm
und erzählen ihnen allerlei alberne Streiche nach. Jndischer Tabak ist soviel
wie Kneller, jüdischer Branntwein heißt bei ihnen der Fusel. Früher sagte
man dem Norden der cimbrischen Halbinsel nach, der Süden bekäme von ihm
nur: "Magere Hefte, sorte Polle, taufte Praeste," d. h. Magere Pferde,
schwarze Töpfe und dänische Pfaffen. Die Schwaben endlich werden erst mit
vierzig Jahren gescheidt, und ein Spottvers auf sie lautet: "Schwaben und
böses Geld führt der Teufel in alle Welt."

Ein saftiges Sprüchlein über ihre Herkunft findet sich in Sigmund
Meisterlin's Augsburger Chronik in folgenden Reimen:


"Doch ist ein Sprichwort,
Die Swaben seien von hohem Stamm ,
Sie schaiß ain Naier ab amen Paum
Nieder auf die Erden bei dem Nein."

Sehr verschrien waren vor Alters auch die Bayern, die für thöricht,
geizig, trunksüchtig und gefräßig galten, und von deren Thorheit ein Ge¬
schichtchen von fünf Eselssüßen, die sie "über Meer" gebracht, im Umlaufe war.


mit spöttischer Nachrede zu foppen oder ihnen Spitznamen zu geben, die eine
lächerliche Bedeutung haben, sondern hat sich mit seinem Witze an ganzen
deutschen Stämmen und Landschaften versucht. Von den Schlesiern erzählt
er: Sie hatten vor Zeiten noch keinen Esel gesehen, und als sie nun einmal
einen trafen, hielten sie ihn für einen großen Hasen und schössen ihn, worauf
er zu Zopten gebraten und in Breslau verzehrt wurde. Von den Bewohnern
des Königreichs Sachsen ging früher das Sprichwort: „Meißner sind
Gleißner." Neben der Redensart: „Schlafen wie ein Pommer" kommt
auch: „Trinken wie ein Pommer" vor. Die Hessen sind blind, und es geht
von ihnen die Rede: „Wo Hessen verderben, wer wollte da Nahrung er¬
werben. Auch haben wir den Vers: „Hessenblut thut selten gut," desgleichen
den längeren:


„Das Land zu Hessen
Hat rauhe Berg' und nichts zu essen.
Große Krug und sauren Wein.
Wer möcht' im Land zu Hessen sein?
Wenn die Schlehen und Holzäpfel mißrathen,
Haben sie nichts zu sieden und zu braten."

In Ostfriesland heißt Feeling, d. t. Westphale, ungefähr soviel wie
Schildbürger, und ein Reim sagt von dem Lande der rothen Erde: „schlecht
Logiment und lange Meil', schlimm Bier und Schweinekeul giebt's aller
Orten in Westphalen." Die Schleswiger betrachten die Juden als dumm
und erzählen ihnen allerlei alberne Streiche nach. Jndischer Tabak ist soviel
wie Kneller, jüdischer Branntwein heißt bei ihnen der Fusel. Früher sagte
man dem Norden der cimbrischen Halbinsel nach, der Süden bekäme von ihm
nur: „Magere Hefte, sorte Polle, taufte Praeste," d. h. Magere Pferde,
schwarze Töpfe und dänische Pfaffen. Die Schwaben endlich werden erst mit
vierzig Jahren gescheidt, und ein Spottvers auf sie lautet: „Schwaben und
böses Geld führt der Teufel in alle Welt."

Ein saftiges Sprüchlein über ihre Herkunft findet sich in Sigmund
Meisterlin's Augsburger Chronik in folgenden Reimen:


„Doch ist ein Sprichwort,
Die Swaben seien von hohem Stamm ,
Sie schaiß ain Naier ab amen Paum
Nieder auf die Erden bei dem Nein."

Sehr verschrien waren vor Alters auch die Bayern, die für thöricht,
geizig, trunksüchtig und gefräßig galten, und von deren Thorheit ein Ge¬
schichtchen von fünf Eselssüßen, die sie „über Meer" gebracht, im Umlaufe war.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0312" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135365"/>
          <p xml:id="ID_874" prev="#ID_873"> mit spöttischer Nachrede zu foppen oder ihnen Spitznamen zu geben, die eine<lb/>
lächerliche Bedeutung haben, sondern hat sich mit seinem Witze an ganzen<lb/>
deutschen Stämmen und Landschaften versucht. Von den Schlesiern erzählt<lb/>
er: Sie hatten vor Zeiten noch keinen Esel gesehen, und als sie nun einmal<lb/>
einen trafen, hielten sie ihn für einen großen Hasen und schössen ihn, worauf<lb/>
er zu Zopten gebraten und in Breslau verzehrt wurde. Von den Bewohnern<lb/>
des Königreichs Sachsen ging früher das Sprichwort: &#x201E;Meißner sind<lb/>
Gleißner." Neben der Redensart: &#x201E;Schlafen wie ein Pommer" kommt<lb/>
auch: &#x201E;Trinken wie ein Pommer" vor. Die Hessen sind blind, und es geht<lb/>
von ihnen die Rede: &#x201E;Wo Hessen verderben, wer wollte da Nahrung er¬<lb/>
werben. Auch haben wir den Vers: &#x201E;Hessenblut thut selten gut," desgleichen<lb/>
den längeren:</p><lb/>
          <quote> &#x201E;Das Land zu Hessen<lb/>
Hat rauhe Berg' und nichts zu essen.<lb/>
Große Krug und sauren Wein.<lb/>
Wer möcht' im Land zu Hessen sein?<lb/>
Wenn die Schlehen und Holzäpfel mißrathen,<lb/>
Haben sie nichts zu sieden und zu braten."</quote><lb/>
          <p xml:id="ID_875"> In Ostfriesland heißt Feeling, d. t. Westphale, ungefähr soviel wie<lb/>
Schildbürger, und ein Reim sagt von dem Lande der rothen Erde: &#x201E;schlecht<lb/>
Logiment und lange Meil', schlimm Bier und Schweinekeul giebt's aller<lb/>
Orten in Westphalen." Die Schleswiger betrachten die Juden als dumm<lb/>
und erzählen ihnen allerlei alberne Streiche nach. Jndischer Tabak ist soviel<lb/>
wie Kneller, jüdischer Branntwein heißt bei ihnen der Fusel. Früher sagte<lb/>
man dem Norden der cimbrischen Halbinsel nach, der Süden bekäme von ihm<lb/>
nur: &#x201E;Magere Hefte, sorte Polle, taufte Praeste," d. h. Magere Pferde,<lb/>
schwarze Töpfe und dänische Pfaffen. Die Schwaben endlich werden erst mit<lb/>
vierzig Jahren gescheidt, und ein Spottvers auf sie lautet: &#x201E;Schwaben und<lb/>
böses Geld führt der Teufel in alle Welt."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_876"> Ein saftiges Sprüchlein über ihre Herkunft findet sich in Sigmund<lb/>
Meisterlin's Augsburger Chronik in folgenden Reimen:</p><lb/>
          <quote> &#x201E;Doch ist ein Sprichwort,<lb/>
Die Swaben seien von hohem Stamm ,<lb/>
Sie schaiß ain Naier ab amen Paum<lb/>
Nieder auf die Erden bei dem Nein."</quote><lb/>
          <p xml:id="ID_877" next="#ID_878"> Sehr verschrien waren vor Alters auch die Bayern, die für thöricht,<lb/>
geizig, trunksüchtig und gefräßig galten, und von deren Thorheit ein Ge¬<lb/>
schichtchen von fünf Eselssüßen, die sie &#x201E;über Meer" gebracht, im Umlaufe war.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0312] mit spöttischer Nachrede zu foppen oder ihnen Spitznamen zu geben, die eine lächerliche Bedeutung haben, sondern hat sich mit seinem Witze an ganzen deutschen Stämmen und Landschaften versucht. Von den Schlesiern erzählt er: Sie hatten vor Zeiten noch keinen Esel gesehen, und als sie nun einmal einen trafen, hielten sie ihn für einen großen Hasen und schössen ihn, worauf er zu Zopten gebraten und in Breslau verzehrt wurde. Von den Bewohnern des Königreichs Sachsen ging früher das Sprichwort: „Meißner sind Gleißner." Neben der Redensart: „Schlafen wie ein Pommer" kommt auch: „Trinken wie ein Pommer" vor. Die Hessen sind blind, und es geht von ihnen die Rede: „Wo Hessen verderben, wer wollte da Nahrung er¬ werben. Auch haben wir den Vers: „Hessenblut thut selten gut," desgleichen den längeren: „Das Land zu Hessen Hat rauhe Berg' und nichts zu essen. Große Krug und sauren Wein. Wer möcht' im Land zu Hessen sein? Wenn die Schlehen und Holzäpfel mißrathen, Haben sie nichts zu sieden und zu braten." In Ostfriesland heißt Feeling, d. t. Westphale, ungefähr soviel wie Schildbürger, und ein Reim sagt von dem Lande der rothen Erde: „schlecht Logiment und lange Meil', schlimm Bier und Schweinekeul giebt's aller Orten in Westphalen." Die Schleswiger betrachten die Juden als dumm und erzählen ihnen allerlei alberne Streiche nach. Jndischer Tabak ist soviel wie Kneller, jüdischer Branntwein heißt bei ihnen der Fusel. Früher sagte man dem Norden der cimbrischen Halbinsel nach, der Süden bekäme von ihm nur: „Magere Hefte, sorte Polle, taufte Praeste," d. h. Magere Pferde, schwarze Töpfe und dänische Pfaffen. Die Schwaben endlich werden erst mit vierzig Jahren gescheidt, und ein Spottvers auf sie lautet: „Schwaben und böses Geld führt der Teufel in alle Welt." Ein saftiges Sprüchlein über ihre Herkunft findet sich in Sigmund Meisterlin's Augsburger Chronik in folgenden Reimen: „Doch ist ein Sprichwort, Die Swaben seien von hohem Stamm , Sie schaiß ain Naier ab amen Paum Nieder auf die Erden bei dem Nein." Sehr verschrien waren vor Alters auch die Bayern, die für thöricht, geizig, trunksüchtig und gefräßig galten, und von deren Thorheit ein Ge¬ schichtchen von fünf Eselssüßen, die sie „über Meer" gebracht, im Umlaufe war.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/312
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/312>, abgerufen am 27.09.2024.