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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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Messer, der Tornister der Affe, die Trommel das Kalbfell. Im Dresdner
Zeughause stand eine alte große Kanone, welche die Faule Magd hieß,
und wenn der Hornist auf der nahen Wache den Zapfenstreich blies, be-
deutete das:


"Putze mir nicht mit Hammerschlag,
Putze mir nicht mit Sand,
Sonst kommt er, sonst kommt er,
Sonst kommt der Herr Serjant."

Selbst die Bezeichnungen für Schläge und Prügel haben beim Volke
einen komischen Anstrich. Es drischt, wichst oder wallt seine Beleidiger durch.
Es giebt keine Backenstreiche, sondern Ohrfeigen, Maulschellen, Dächlein,
Horbeln. Backpfeifen. Wälschen u. f. w. Es läuft vor dem Stärkern nicht
davon, sondern reißt aus "wie Schafleder", es giebt Fersengeld, es ergreift
das Hasenpanier.

Viele von diesen Aeußerungen des Volkshumors sind aller Wahrschein¬
lichkeit nach Kinder, sicher aber directe Nachkommen der Narrethei. die jene
aristophanische Zeit am Ausgange des Mittelalters mit ihrer ausgelafsnen
Lustigkeit, ihrer Ironie, ihrer Lust an Zerrbildern und Schnurrpfeifereien
erfüllte. Ganz entschieden gehören aber hierher die sogenannten apologischen
Sprichwörter, wo der Volkshumor einen ernsten Spruch oder eine weise Lehre
durch Anhängung eines Beispiels in eine Lächerlichkeit verwandelt oder sonst
durch Verbindung von zwei nicht zu einander passenden Sätzen und Täuschung
der Erwartung, die der vordere erweckt, durch den Hinteren eine komische
Wirkung hervorbringt. Eine große Anzahl von Sprichwörtern dieser Gattung
kommt schon in Schriften vor, die zur Zeit Luther's, also kurz nach dem
Schlüsse des Mittelalters, erschienen. Schon vor 1528 waren Redensarten
im Umlauf wie: "Da liegt es. sagte die Magd, da entfiel ihr das Kind beim
Tanz." Schon bei Sebastian Frank begegnen wir den Scherzworten: "Besser
etwas als nichts, sagte der Wolf, da verschlang er eine Mücke". "Hier stehen
wir Helden, sagte der Frosch zum Schwaben", "Gleich und gleich gesellt sich
gern, sagte der Teufel zum Köhler". "Wer's kann, dem kommt's, sagte der
Schneider, da kriegt' er am Osterabend ein Paar Hosen zu flicken" und "Da
schwimmen wir Aepfel, sagte der Roßdreck zum Apfel, da schwammen sie beide
den Bach hinab." Nicht viel jünger, vermuthlich ebenso alt, werden die
Späße sein: "Zu spät, sagte die Frau, da ging sie der Knecht beim Leichen¬
zug ihres Mannes um die Heirath an", und "Viel Geschrei und wenig Wolle,
sagte der Teufel, da beschor er eine Sau."

Mit dieser Täuschung der Erwartung ist das neckende Räthsel verwandt,
an dem sich die Deutschen wohl gleich ihren Vettern, den Angelsachsen, schon


Messer, der Tornister der Affe, die Trommel das Kalbfell. Im Dresdner
Zeughause stand eine alte große Kanone, welche die Faule Magd hieß,
und wenn der Hornist auf der nahen Wache den Zapfenstreich blies, be-
deutete das:


„Putze mir nicht mit Hammerschlag,
Putze mir nicht mit Sand,
Sonst kommt er, sonst kommt er,
Sonst kommt der Herr Serjant."

Selbst die Bezeichnungen für Schläge und Prügel haben beim Volke
einen komischen Anstrich. Es drischt, wichst oder wallt seine Beleidiger durch.
Es giebt keine Backenstreiche, sondern Ohrfeigen, Maulschellen, Dächlein,
Horbeln. Backpfeifen. Wälschen u. f. w. Es läuft vor dem Stärkern nicht
davon, sondern reißt aus „wie Schafleder", es giebt Fersengeld, es ergreift
das Hasenpanier.

Viele von diesen Aeußerungen des Volkshumors sind aller Wahrschein¬
lichkeit nach Kinder, sicher aber directe Nachkommen der Narrethei. die jene
aristophanische Zeit am Ausgange des Mittelalters mit ihrer ausgelafsnen
Lustigkeit, ihrer Ironie, ihrer Lust an Zerrbildern und Schnurrpfeifereien
erfüllte. Ganz entschieden gehören aber hierher die sogenannten apologischen
Sprichwörter, wo der Volkshumor einen ernsten Spruch oder eine weise Lehre
durch Anhängung eines Beispiels in eine Lächerlichkeit verwandelt oder sonst
durch Verbindung von zwei nicht zu einander passenden Sätzen und Täuschung
der Erwartung, die der vordere erweckt, durch den Hinteren eine komische
Wirkung hervorbringt. Eine große Anzahl von Sprichwörtern dieser Gattung
kommt schon in Schriften vor, die zur Zeit Luther's, also kurz nach dem
Schlüsse des Mittelalters, erschienen. Schon vor 1528 waren Redensarten
im Umlauf wie: „Da liegt es. sagte die Magd, da entfiel ihr das Kind beim
Tanz." Schon bei Sebastian Frank begegnen wir den Scherzworten: „Besser
etwas als nichts, sagte der Wolf, da verschlang er eine Mücke". „Hier stehen
wir Helden, sagte der Frosch zum Schwaben", „Gleich und gleich gesellt sich
gern, sagte der Teufel zum Köhler". „Wer's kann, dem kommt's, sagte der
Schneider, da kriegt' er am Osterabend ein Paar Hosen zu flicken" und „Da
schwimmen wir Aepfel, sagte der Roßdreck zum Apfel, da schwammen sie beide
den Bach hinab." Nicht viel jünger, vermuthlich ebenso alt, werden die
Späße sein: „Zu spät, sagte die Frau, da ging sie der Knecht beim Leichen¬
zug ihres Mannes um die Heirath an", und „Viel Geschrei und wenig Wolle,
sagte der Teufel, da beschor er eine Sau."

Mit dieser Täuschung der Erwartung ist das neckende Räthsel verwandt,
an dem sich die Deutschen wohl gleich ihren Vettern, den Angelsachsen, schon


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[0303] Messer, der Tornister der Affe, die Trommel das Kalbfell. Im Dresdner Zeughause stand eine alte große Kanone, welche die Faule Magd hieß, und wenn der Hornist auf der nahen Wache den Zapfenstreich blies, be- deutete das: „Putze mir nicht mit Hammerschlag, Putze mir nicht mit Sand, Sonst kommt er, sonst kommt er, Sonst kommt der Herr Serjant." Selbst die Bezeichnungen für Schläge und Prügel haben beim Volke einen komischen Anstrich. Es drischt, wichst oder wallt seine Beleidiger durch. Es giebt keine Backenstreiche, sondern Ohrfeigen, Maulschellen, Dächlein, Horbeln. Backpfeifen. Wälschen u. f. w. Es läuft vor dem Stärkern nicht davon, sondern reißt aus „wie Schafleder", es giebt Fersengeld, es ergreift das Hasenpanier. Viele von diesen Aeußerungen des Volkshumors sind aller Wahrschein¬ lichkeit nach Kinder, sicher aber directe Nachkommen der Narrethei. die jene aristophanische Zeit am Ausgange des Mittelalters mit ihrer ausgelafsnen Lustigkeit, ihrer Ironie, ihrer Lust an Zerrbildern und Schnurrpfeifereien erfüllte. Ganz entschieden gehören aber hierher die sogenannten apologischen Sprichwörter, wo der Volkshumor einen ernsten Spruch oder eine weise Lehre durch Anhängung eines Beispiels in eine Lächerlichkeit verwandelt oder sonst durch Verbindung von zwei nicht zu einander passenden Sätzen und Täuschung der Erwartung, die der vordere erweckt, durch den Hinteren eine komische Wirkung hervorbringt. Eine große Anzahl von Sprichwörtern dieser Gattung kommt schon in Schriften vor, die zur Zeit Luther's, also kurz nach dem Schlüsse des Mittelalters, erschienen. Schon vor 1528 waren Redensarten im Umlauf wie: „Da liegt es. sagte die Magd, da entfiel ihr das Kind beim Tanz." Schon bei Sebastian Frank begegnen wir den Scherzworten: „Besser etwas als nichts, sagte der Wolf, da verschlang er eine Mücke". „Hier stehen wir Helden, sagte der Frosch zum Schwaben", „Gleich und gleich gesellt sich gern, sagte der Teufel zum Köhler". „Wer's kann, dem kommt's, sagte der Schneider, da kriegt' er am Osterabend ein Paar Hosen zu flicken" und „Da schwimmen wir Aepfel, sagte der Roßdreck zum Apfel, da schwammen sie beide den Bach hinab." Nicht viel jünger, vermuthlich ebenso alt, werden die Späße sein: „Zu spät, sagte die Frau, da ging sie der Knecht beim Leichen¬ zug ihres Mannes um die Heirath an", und „Viel Geschrei und wenig Wolle, sagte der Teufel, da beschor er eine Sau." Mit dieser Täuschung der Erwartung ist das neckende Räthsel verwandt, an dem sich die Deutschen wohl gleich ihren Vettern, den Angelsachsen, schon

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/303>, abgerufen am 27.09.2024.