Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.bezeichneten, oder solche, die einen prächtigen Klang hatten, bei. Der ängst¬ Das Sprichwort: "Es gehen viele Straßen nach Darbstätt und Mangel¬ Auch gewisse Kleidungsstücke, Speisen und Getränke haben vom Volks¬ bezeichneten, oder solche, die einen prächtigen Klang hatten, bei. Der ängst¬ Das Sprichwort: „Es gehen viele Straßen nach Darbstätt und Mangel¬ Auch gewisse Kleidungsstücke, Speisen und Getränke haben vom Volks¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0302" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135355"/> <p xml:id="ID_844" prev="#ID_843"> bezeichneten, oder solche, die einen prächtigen Klang hatten, bei. Der ängst¬<lb/> liche Levi wurde zum grimmigen Löwen, der Kohn zum Hahn, andere nann¬<lb/> ten sich Oppenheimer oder Gumbinner, wieder andere glänzten fortan als<lb/> Rubinstein oder Goldstängel. Die armen kleinen Mauschel aber, welche ihre<lb/> Namen aus der Hand des Herrn Amtmanns nehmen mußten, fuhren dabei<lb/> mitunter recht übel. Podex und Blauhut (ein Spitzname des Teufels) waren<lb/> lange noch nicht die schlimmsten Titel, welche dessen Laune ihnen und ihrer<lb/> Nachkommenschaft anhing.</p><lb/> <p xml:id="ID_845"> Das Sprichwort: „Es gehen viele Straßen nach Darbstätt und Mangel¬<lb/> burg" erinnert an die Zeit, wo die Narrengilde der würtemberger Bauern<lb/> ihr Hungerberg, ihr Festhalten und ihr Bettelrein hatte, wo Hans Sachs<lb/> von einem Gauchsberg, als dem Orte, wo alle Dummheiten herkamen, wußte,<lb/> und wo man ein Land Narragonien, ein Thorenhofen, ein Grillenberg, ein<lb/> Tumbenrein, ein Dummerstätt und noch ein Dutzend anderer erdichteter<lb/> Narrenstädte kannte. Auch thatsächlich vorhandene Oertlichkeiten bekamen<lb/> vom Volkswitze wunderliche Benennungen. Ein unsauberes Sackgäßchen in<lb/> Hannover heißt der goldne Winkel, eins in Dresden führte den Namen Todte-<lb/> Hühner-Gasse, eine Straße in Hildesheim wurde die krumme Rothwurst ge¬<lb/> tauft. Ein Wirthshaus bei Altona nannte sich jedenfalls nicht selbst Dum¬<lb/> merjan, die Orte Vegesack bei Bremen und Leerbeutel in Schlesien danken<lb/> ihre Namen unzweifelhaft Schenken, die im Gerüche der Prellerei standen.</p><lb/> <p xml:id="ID_846" next="#ID_847"> Auch gewisse Kleidungsstücke, Speisen und Getränke haben vom Volks¬<lb/> humor Spitznamen bekommen. Wir erinnern an den dreieckigen Hut, der in<lb/> Mitteldeutschland Dreimaster, in Schwaben Wolkenstecher, in Ostfriesland<lb/> Pust de Lamp ut heißt, an den runden, den wir Ofenrohr, an den Frack,<lb/> den wir Schwalbenschwanz, an aufrechtstehende Halskragen, die wir Vater¬<lb/> mörder nennen. In Dresden bäckt man Arme Ritter — „in Elendsfett"<lb/> setzt der Bolkswitz hinzu — in Leipzig Wetzsteine und Strumpfsohlen, in Frei-<lb/> berg Bauernhasen, in Holstein ein Gebäck, welches — von der Nonne seinen<lb/> hier unaussprechlichen Namen herleitet. In Oesterreich giebt's Pfaffenschnitzel<lb/> und Bubenschenkel. Der Hering heißt in Sachsen Schneiderkarpfen, der Trut-<lb/> hahn wohl allenthalben der Consistorialvogel. Das Wasser ist „Gänsewein";<lb/> das Bier erhielt in den verschiedenen Städten verschiedene Namen, unter denen<lb/> sich recht komische befanden; schlechter Wein wird Kutscher, Wendewein,<lb/> Strumpfwein, Fahnenwein und Dreimännerwein gescholten, Bezeichnungen,<lb/> an die sich spöttische Anekdoten knüpfen. England hat einige achtzig Aus¬<lb/> drücke für den Zustand des Betrunkenseins, unser Deutschland, wie wir von<lb/> Lichtenberg und Firmenich nicht ohne Stolz erfahren, noch ein paar Dutzend<lb/> mehr. Auch das Waffenhandwerk hat derartige humoristische Benennungen<lb/> seiner Werkzeuge. Die Flinte heißt der Kuhfuß, das Seitengewehr das KSse-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0302]
bezeichneten, oder solche, die einen prächtigen Klang hatten, bei. Der ängst¬
liche Levi wurde zum grimmigen Löwen, der Kohn zum Hahn, andere nann¬
ten sich Oppenheimer oder Gumbinner, wieder andere glänzten fortan als
Rubinstein oder Goldstängel. Die armen kleinen Mauschel aber, welche ihre
Namen aus der Hand des Herrn Amtmanns nehmen mußten, fuhren dabei
mitunter recht übel. Podex und Blauhut (ein Spitzname des Teufels) waren
lange noch nicht die schlimmsten Titel, welche dessen Laune ihnen und ihrer
Nachkommenschaft anhing.
Das Sprichwort: „Es gehen viele Straßen nach Darbstätt und Mangel¬
burg" erinnert an die Zeit, wo die Narrengilde der würtemberger Bauern
ihr Hungerberg, ihr Festhalten und ihr Bettelrein hatte, wo Hans Sachs
von einem Gauchsberg, als dem Orte, wo alle Dummheiten herkamen, wußte,
und wo man ein Land Narragonien, ein Thorenhofen, ein Grillenberg, ein
Tumbenrein, ein Dummerstätt und noch ein Dutzend anderer erdichteter
Narrenstädte kannte. Auch thatsächlich vorhandene Oertlichkeiten bekamen
vom Volkswitze wunderliche Benennungen. Ein unsauberes Sackgäßchen in
Hannover heißt der goldne Winkel, eins in Dresden führte den Namen Todte-
Hühner-Gasse, eine Straße in Hildesheim wurde die krumme Rothwurst ge¬
tauft. Ein Wirthshaus bei Altona nannte sich jedenfalls nicht selbst Dum¬
merjan, die Orte Vegesack bei Bremen und Leerbeutel in Schlesien danken
ihre Namen unzweifelhaft Schenken, die im Gerüche der Prellerei standen.
Auch gewisse Kleidungsstücke, Speisen und Getränke haben vom Volks¬
humor Spitznamen bekommen. Wir erinnern an den dreieckigen Hut, der in
Mitteldeutschland Dreimaster, in Schwaben Wolkenstecher, in Ostfriesland
Pust de Lamp ut heißt, an den runden, den wir Ofenrohr, an den Frack,
den wir Schwalbenschwanz, an aufrechtstehende Halskragen, die wir Vater¬
mörder nennen. In Dresden bäckt man Arme Ritter — „in Elendsfett"
setzt der Bolkswitz hinzu — in Leipzig Wetzsteine und Strumpfsohlen, in Frei-
berg Bauernhasen, in Holstein ein Gebäck, welches — von der Nonne seinen
hier unaussprechlichen Namen herleitet. In Oesterreich giebt's Pfaffenschnitzel
und Bubenschenkel. Der Hering heißt in Sachsen Schneiderkarpfen, der Trut-
hahn wohl allenthalben der Consistorialvogel. Das Wasser ist „Gänsewein";
das Bier erhielt in den verschiedenen Städten verschiedene Namen, unter denen
sich recht komische befanden; schlechter Wein wird Kutscher, Wendewein,
Strumpfwein, Fahnenwein und Dreimännerwein gescholten, Bezeichnungen,
an die sich spöttische Anekdoten knüpfen. England hat einige achtzig Aus¬
drücke für den Zustand des Betrunkenseins, unser Deutschland, wie wir von
Lichtenberg und Firmenich nicht ohne Stolz erfahren, noch ein paar Dutzend
mehr. Auch das Waffenhandwerk hat derartige humoristische Benennungen
seiner Werkzeuge. Die Flinte heißt der Kuhfuß, das Seitengewehr das KSse-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |