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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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Stande, dieselbe zu theilen. Mittel irgend welcher Art kann man am Ende im¬
mer finden. Das ist es nicht, was wir bestreiten. Wir bestreiten aber, daß
die Nothwendigkeit, großen und schwankenden Forderungen des Reichs zu
begegnen, für den preußischen Haushalt ohne Schaden zu verwinden sei, und
noch übler erscheint uns der Einfluß solcher Nothwendigkeit auf die deutsche
Nationalwirthschaft. Denn für diese letztere giebt es wenig Maßregeln, die so
schädlich wirken müssen, als wenn der größte Partikularstaat, also wenn Preußen
genöthigt wird, indirekte Steuern von partikularer Geltung einzuführen. Und doch
wird keine noch so starke Aeußerung der Zuversicht des Herrn Camphausen Jeman¬
den überzeugen können, daß die preußische Finanzverwaltung den wachsenden
Matrikularbeiträgen anders genügen könne, als durch das Mittel der parti¬
kularen indirekten Steuern. Das ist eben der verderbenbringende Fehler der
Matrikularbeiträge, daß sie nur aufzubringen sind durch eine verderbliche
Besteuerung, welcher sich die Einzelstaaten bedienen müssen. Es wäre uns
also viel lieber gewesen, Herr Camphausen hätte jene auch in anderer Be¬
ziehung so unglückliche Rede vom 20. Nov. nicht gehalten, und hätte
dafür in der Rede vom 18. Januar als preußischer Finanzminister erklärt,
der preußische Haushalt vertrage keine weiteren Matrikularbeiträge; das Reich
müsse, um dieselben entbehren zu können, sein System der indirekten Steuern
ohne Verzug ausbilden.

In der Sitzung vom 21. Januar erledigte das Abgeordnetenhaus die
erste Lesung des Staatshaushaltes. Es wurde beschlossen, die zweite Lesung
oder Einzelberathung wie bisher im Plenum auf Grund mündlicher Bericht¬
erstattung über bestimmte Budgetgruppen vorzunehmen, obwohl ein Theil des
Hauses den Wunsch hatte, das Budget diesmal an eine Commission zu ver¬
weisen, damit die für die Dauer des Reichstages bevorstehende Vertagung
des Landtags möglichst erfolgreich für die Arbeiten des letzteren benutzt werde.
In diesem Wunsche fanden sich seltsamerweise zusammen das Centrum, die
Altconservativen und die Freiconservativen. Indessen hat diese zufällige Ueber¬
einstimmung keinen politischen Grund gehabt.

Die Sitzung vom 21. Januar hat durch eine bei der ersten Lesung des
Haushaltes nur zufällig berührte Frage eine gewisse Bedeutung nicht erfreu¬
licher Art erhalten. Die von uns an dieser Stelle niemals belobte Maßregel
der Uebergabe besonderer Verwaltungssonds an die Provinzen hat zu der
Bestimmung des Dotationsgesetzes von 1873 geführt: es sollten die zu über-
Weisenden Fonds am 2. Januar 1876 den Provinzen ausgehändigt, bis da¬
hin auf deren Rechnung verwaltet und zu diesem Zweck zinsbar angelegt
werden. Nun hatte die Staatsregierung diese Fonds in Eisenbahnprioritäten
angelegt und eine Uebersicht der Anlage dem Abgeordnetenhause zugestellt.
Man weiß, wie ungünstig der Cours von Eisenbahnprioritäten sich in neuerer


Stande, dieselbe zu theilen. Mittel irgend welcher Art kann man am Ende im¬
mer finden. Das ist es nicht, was wir bestreiten. Wir bestreiten aber, daß
die Nothwendigkeit, großen und schwankenden Forderungen des Reichs zu
begegnen, für den preußischen Haushalt ohne Schaden zu verwinden sei, und
noch übler erscheint uns der Einfluß solcher Nothwendigkeit auf die deutsche
Nationalwirthschaft. Denn für diese letztere giebt es wenig Maßregeln, die so
schädlich wirken müssen, als wenn der größte Partikularstaat, also wenn Preußen
genöthigt wird, indirekte Steuern von partikularer Geltung einzuführen. Und doch
wird keine noch so starke Aeußerung der Zuversicht des Herrn Camphausen Jeman¬
den überzeugen können, daß die preußische Finanzverwaltung den wachsenden
Matrikularbeiträgen anders genügen könne, als durch das Mittel der parti¬
kularen indirekten Steuern. Das ist eben der verderbenbringende Fehler der
Matrikularbeiträge, daß sie nur aufzubringen sind durch eine verderbliche
Besteuerung, welcher sich die Einzelstaaten bedienen müssen. Es wäre uns
also viel lieber gewesen, Herr Camphausen hätte jene auch in anderer Be¬
ziehung so unglückliche Rede vom 20. Nov. nicht gehalten, und hätte
dafür in der Rede vom 18. Januar als preußischer Finanzminister erklärt,
der preußische Haushalt vertrage keine weiteren Matrikularbeiträge; das Reich
müsse, um dieselben entbehren zu können, sein System der indirekten Steuern
ohne Verzug ausbilden.

In der Sitzung vom 21. Januar erledigte das Abgeordnetenhaus die
erste Lesung des Staatshaushaltes. Es wurde beschlossen, die zweite Lesung
oder Einzelberathung wie bisher im Plenum auf Grund mündlicher Bericht¬
erstattung über bestimmte Budgetgruppen vorzunehmen, obwohl ein Theil des
Hauses den Wunsch hatte, das Budget diesmal an eine Commission zu ver¬
weisen, damit die für die Dauer des Reichstages bevorstehende Vertagung
des Landtags möglichst erfolgreich für die Arbeiten des letzteren benutzt werde.
In diesem Wunsche fanden sich seltsamerweise zusammen das Centrum, die
Altconservativen und die Freiconservativen. Indessen hat diese zufällige Ueber¬
einstimmung keinen politischen Grund gehabt.

Die Sitzung vom 21. Januar hat durch eine bei der ersten Lesung des
Haushaltes nur zufällig berührte Frage eine gewisse Bedeutung nicht erfreu¬
licher Art erhalten. Die von uns an dieser Stelle niemals belobte Maßregel
der Uebergabe besonderer Verwaltungssonds an die Provinzen hat zu der
Bestimmung des Dotationsgesetzes von 1873 geführt: es sollten die zu über-
Weisenden Fonds am 2. Januar 1876 den Provinzen ausgehändigt, bis da¬
hin auf deren Rechnung verwaltet und zu diesem Zweck zinsbar angelegt
werden. Nun hatte die Staatsregierung diese Fonds in Eisenbahnprioritäten
angelegt und eine Uebersicht der Anlage dem Abgeordnetenhause zugestellt.
Man weiß, wie ungünstig der Cours von Eisenbahnprioritäten sich in neuerer


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[0199] Stande, dieselbe zu theilen. Mittel irgend welcher Art kann man am Ende im¬ mer finden. Das ist es nicht, was wir bestreiten. Wir bestreiten aber, daß die Nothwendigkeit, großen und schwankenden Forderungen des Reichs zu begegnen, für den preußischen Haushalt ohne Schaden zu verwinden sei, und noch übler erscheint uns der Einfluß solcher Nothwendigkeit auf die deutsche Nationalwirthschaft. Denn für diese letztere giebt es wenig Maßregeln, die so schädlich wirken müssen, als wenn der größte Partikularstaat, also wenn Preußen genöthigt wird, indirekte Steuern von partikularer Geltung einzuführen. Und doch wird keine noch so starke Aeußerung der Zuversicht des Herrn Camphausen Jeman¬ den überzeugen können, daß die preußische Finanzverwaltung den wachsenden Matrikularbeiträgen anders genügen könne, als durch das Mittel der parti¬ kularen indirekten Steuern. Das ist eben der verderbenbringende Fehler der Matrikularbeiträge, daß sie nur aufzubringen sind durch eine verderbliche Besteuerung, welcher sich die Einzelstaaten bedienen müssen. Es wäre uns also viel lieber gewesen, Herr Camphausen hätte jene auch in anderer Be¬ ziehung so unglückliche Rede vom 20. Nov. nicht gehalten, und hätte dafür in der Rede vom 18. Januar als preußischer Finanzminister erklärt, der preußische Haushalt vertrage keine weiteren Matrikularbeiträge; das Reich müsse, um dieselben entbehren zu können, sein System der indirekten Steuern ohne Verzug ausbilden. In der Sitzung vom 21. Januar erledigte das Abgeordnetenhaus die erste Lesung des Staatshaushaltes. Es wurde beschlossen, die zweite Lesung oder Einzelberathung wie bisher im Plenum auf Grund mündlicher Bericht¬ erstattung über bestimmte Budgetgruppen vorzunehmen, obwohl ein Theil des Hauses den Wunsch hatte, das Budget diesmal an eine Commission zu ver¬ weisen, damit die für die Dauer des Reichstages bevorstehende Vertagung des Landtags möglichst erfolgreich für die Arbeiten des letzteren benutzt werde. In diesem Wunsche fanden sich seltsamerweise zusammen das Centrum, die Altconservativen und die Freiconservativen. Indessen hat diese zufällige Ueber¬ einstimmung keinen politischen Grund gehabt. Die Sitzung vom 21. Januar hat durch eine bei der ersten Lesung des Haushaltes nur zufällig berührte Frage eine gewisse Bedeutung nicht erfreu¬ licher Art erhalten. Die von uns an dieser Stelle niemals belobte Maßregel der Uebergabe besonderer Verwaltungssonds an die Provinzen hat zu der Bestimmung des Dotationsgesetzes von 1873 geführt: es sollten die zu über- Weisenden Fonds am 2. Januar 1876 den Provinzen ausgehändigt, bis da¬ hin auf deren Rechnung verwaltet und zu diesem Zweck zinsbar angelegt werden. Nun hatte die Staatsregierung diese Fonds in Eisenbahnprioritäten angelegt und eine Uebersicht der Anlage dem Abgeordnetenhause zugestellt. Man weiß, wie ungünstig der Cours von Eisenbahnprioritäten sich in neuerer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/199>, abgerufen am 27.09.2024.