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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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Sprecher des Repräsentantenhauses, Herr I. G. Blaine, der ebenfalls ein
Candidat für das Präsidentenamt ist, Herrn Grant in der Schul- und Kirchen¬
frage, wie bereits angedeutet, ein Paroli geboten, indem er am 14. Dezember
v. I. im Repräsentantenhause ein Amendement zur Bundeskonstitution ein¬
brachte, welches -- milder als Grant's desfallsige Propositionen -- bestimmt,
"daß kein Unionsstaat irgend ein Gesetz in Bezug auf die Religion oder
irgend ein Verbot der freien Religionsübung erlassen soll, und daß keine
durch Besteuerung in irgend einem Staate zum Unterhalte der öffentlichen
Schulen erhobenen oder aus irgend einem für die Schulen errichteten öffent¬
lichen Fond gezogenen Gelder, oder irgend ein öffentliches Grundstück, welches
zur Schuldotation bestimmt ist, jemals unter die Kontrolle irgend einer Reli¬
gionssekte kommen soll, und daß kein Geld und kein so gewidmetes Grund¬
stück unter Religionssekten oder ähnliche Corporationen vertheilt werden soll."
Wie die "New-Uork Tribune" meint, hat das von Blaine proponirte Amen¬
dement viele Aussicht, angenommen zu werden.

Charakteristisch für die Zurüstungen in Betreff der Präsidentenwahl ist
übrigens auch der Umstand, daß sich wieder, nach Art des frühern Knownothing-
Ordens, Geheimbündnisse gebildet haben, welche mit einer antikatholischen
Richtung Einfluß auf den Präsidentenwahlkampf zu gewinnen suchen. So
circulirte kürzlich durch die amerikanische Tagespresse ein Brief von Hrn. John
I. Foft er, Redacteur des "Newark Courier," datirt vom 9. November v. I.,
in welchem der Ex-Sprecher Blaine dringend aufgefordert wurde, Mitglied eines
solchen "geheimen Antisekten-Ordens" (Secret arti-ssetariau oräer) zu werden,
da Präsident Grant einem solchen bereits angehört. Herr Foster constatirt,
daß solche Orden hervorgerufen seien in New-Jersey, in Ohio und anderen
Unionsstaaten, und zwar durch die Wühlereien der römischkatholischen Kirche
gegen das Frei-Schulwesen und andere freisinnige Institutionen der nord¬
amerikanischen Union, Mitglieder dieser Orden seien aber nicht nur Anhänger
der republikanischen, sondern auch der demokratischen Partei. Die Existenz
solcher Geheimorden ist demnach kaum mehr zu bezweifeln; ob die Wirksamkeit
derselben aber eine wohlthätige für das Gemeinwesen sein wird, das ist eine
andere Frage. Es treten deshalb auch bereits verschiedene einflußreiche Organe
gegen diese Orden auf. So sagt z. B. die "New-Uorker Staats-Zeitung" vom
18. December v. I.: "Das Volk hat ein Recht zu verlangen, daß Diejenigen,
die sich um sein Vertrauen bewerben, ihm klaren Wein einschenken. Ist die
Einmischung der Politik in die religiösen Angelegenheiten und umgekehrt die
Einmischung der Kirche in die Politik an sich schon ein Uebel, so wird sie
doppelt gefährlich, wenn sie durch das Mittel geheimer Gesellschaften voll¬
zogen wird. Ehrliche Bestrebungen haben die Oeffentlichkeit nicht zu scheuen.
Wer da meint, im Geheimen politisch wirken zu müssen, dem folgt das Miß-


Sprecher des Repräsentantenhauses, Herr I. G. Blaine, der ebenfalls ein
Candidat für das Präsidentenamt ist, Herrn Grant in der Schul- und Kirchen¬
frage, wie bereits angedeutet, ein Paroli geboten, indem er am 14. Dezember
v. I. im Repräsentantenhause ein Amendement zur Bundeskonstitution ein¬
brachte, welches — milder als Grant's desfallsige Propositionen — bestimmt,
„daß kein Unionsstaat irgend ein Gesetz in Bezug auf die Religion oder
irgend ein Verbot der freien Religionsübung erlassen soll, und daß keine
durch Besteuerung in irgend einem Staate zum Unterhalte der öffentlichen
Schulen erhobenen oder aus irgend einem für die Schulen errichteten öffent¬
lichen Fond gezogenen Gelder, oder irgend ein öffentliches Grundstück, welches
zur Schuldotation bestimmt ist, jemals unter die Kontrolle irgend einer Reli¬
gionssekte kommen soll, und daß kein Geld und kein so gewidmetes Grund¬
stück unter Religionssekten oder ähnliche Corporationen vertheilt werden soll."
Wie die „New-Uork Tribune" meint, hat das von Blaine proponirte Amen¬
dement viele Aussicht, angenommen zu werden.

Charakteristisch für die Zurüstungen in Betreff der Präsidentenwahl ist
übrigens auch der Umstand, daß sich wieder, nach Art des frühern Knownothing-
Ordens, Geheimbündnisse gebildet haben, welche mit einer antikatholischen
Richtung Einfluß auf den Präsidentenwahlkampf zu gewinnen suchen. So
circulirte kürzlich durch die amerikanische Tagespresse ein Brief von Hrn. John
I. Foft er, Redacteur des „Newark Courier," datirt vom 9. November v. I.,
in welchem der Ex-Sprecher Blaine dringend aufgefordert wurde, Mitglied eines
solchen „geheimen Antisekten-Ordens" (Secret arti-ssetariau oräer) zu werden,
da Präsident Grant einem solchen bereits angehört. Herr Foster constatirt,
daß solche Orden hervorgerufen seien in New-Jersey, in Ohio und anderen
Unionsstaaten, und zwar durch die Wühlereien der römischkatholischen Kirche
gegen das Frei-Schulwesen und andere freisinnige Institutionen der nord¬
amerikanischen Union, Mitglieder dieser Orden seien aber nicht nur Anhänger
der republikanischen, sondern auch der demokratischen Partei. Die Existenz
solcher Geheimorden ist demnach kaum mehr zu bezweifeln; ob die Wirksamkeit
derselben aber eine wohlthätige für das Gemeinwesen sein wird, das ist eine
andere Frage. Es treten deshalb auch bereits verschiedene einflußreiche Organe
gegen diese Orden auf. So sagt z. B. die „New-Uorker Staats-Zeitung" vom
18. December v. I.: „Das Volk hat ein Recht zu verlangen, daß Diejenigen,
die sich um sein Vertrauen bewerben, ihm klaren Wein einschenken. Ist die
Einmischung der Politik in die religiösen Angelegenheiten und umgekehrt die
Einmischung der Kirche in die Politik an sich schon ein Uebel, so wird sie
doppelt gefährlich, wenn sie durch das Mittel geheimer Gesellschaften voll¬
zogen wird. Ehrliche Bestrebungen haben die Oeffentlichkeit nicht zu scheuen.
Wer da meint, im Geheimen politisch wirken zu müssen, dem folgt das Miß-


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[0166] Sprecher des Repräsentantenhauses, Herr I. G. Blaine, der ebenfalls ein Candidat für das Präsidentenamt ist, Herrn Grant in der Schul- und Kirchen¬ frage, wie bereits angedeutet, ein Paroli geboten, indem er am 14. Dezember v. I. im Repräsentantenhause ein Amendement zur Bundeskonstitution ein¬ brachte, welches — milder als Grant's desfallsige Propositionen — bestimmt, „daß kein Unionsstaat irgend ein Gesetz in Bezug auf die Religion oder irgend ein Verbot der freien Religionsübung erlassen soll, und daß keine durch Besteuerung in irgend einem Staate zum Unterhalte der öffentlichen Schulen erhobenen oder aus irgend einem für die Schulen errichteten öffent¬ lichen Fond gezogenen Gelder, oder irgend ein öffentliches Grundstück, welches zur Schuldotation bestimmt ist, jemals unter die Kontrolle irgend einer Reli¬ gionssekte kommen soll, und daß kein Geld und kein so gewidmetes Grund¬ stück unter Religionssekten oder ähnliche Corporationen vertheilt werden soll." Wie die „New-Uork Tribune" meint, hat das von Blaine proponirte Amen¬ dement viele Aussicht, angenommen zu werden. Charakteristisch für die Zurüstungen in Betreff der Präsidentenwahl ist übrigens auch der Umstand, daß sich wieder, nach Art des frühern Knownothing- Ordens, Geheimbündnisse gebildet haben, welche mit einer antikatholischen Richtung Einfluß auf den Präsidentenwahlkampf zu gewinnen suchen. So circulirte kürzlich durch die amerikanische Tagespresse ein Brief von Hrn. John I. Foft er, Redacteur des „Newark Courier," datirt vom 9. November v. I., in welchem der Ex-Sprecher Blaine dringend aufgefordert wurde, Mitglied eines solchen „geheimen Antisekten-Ordens" (Secret arti-ssetariau oräer) zu werden, da Präsident Grant einem solchen bereits angehört. Herr Foster constatirt, daß solche Orden hervorgerufen seien in New-Jersey, in Ohio und anderen Unionsstaaten, und zwar durch die Wühlereien der römischkatholischen Kirche gegen das Frei-Schulwesen und andere freisinnige Institutionen der nord¬ amerikanischen Union, Mitglieder dieser Orden seien aber nicht nur Anhänger der republikanischen, sondern auch der demokratischen Partei. Die Existenz solcher Geheimorden ist demnach kaum mehr zu bezweifeln; ob die Wirksamkeit derselben aber eine wohlthätige für das Gemeinwesen sein wird, das ist eine andere Frage. Es treten deshalb auch bereits verschiedene einflußreiche Organe gegen diese Orden auf. So sagt z. B. die „New-Uorker Staats-Zeitung" vom 18. December v. I.: „Das Volk hat ein Recht zu verlangen, daß Diejenigen, die sich um sein Vertrauen bewerben, ihm klaren Wein einschenken. Ist die Einmischung der Politik in die religiösen Angelegenheiten und umgekehrt die Einmischung der Kirche in die Politik an sich schon ein Uebel, so wird sie doppelt gefährlich, wenn sie durch das Mittel geheimer Gesellschaften voll¬ zogen wird. Ehrliche Bestrebungen haben die Oeffentlichkeit nicht zu scheuen. Wer da meint, im Geheimen politisch wirken zu müssen, dem folgt das Miß-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/166>, abgerufen am 27.09.2024.