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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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Rene zurückweichen. sondern ihm entgegengehn, vorerst aber Befehl ertheilen,
daß diese Nacht noch Nancy gestürmt werde.

Doch am Abend desselben Tages fing Karl schon an. verlassen zu wer¬
den. Graf Campo-Basso war bereits seit langer Zeit mit Louis XI. und mit
dem Herzoge von Lothringen in verrätherischer Verbindung. Schon früher
hatte er sich bereit erklärt. Karl den Kühnen zu ermorden. Jetzt brach er
mit 2 Söhnen und 180 Lanzen Lombarden in aller Stille auf und ritt nach
Se. Nikolas. Bald sah man die Thürme, auf deren Spitzen Rene Laternen
hatte anbringen lassen, um den Belagerten in Nancy seine Ankunft zu
signalisiren. und bald stieß man auf die Vorhut des lothringischen Heeres.
Da riß Campo-Basso die rothe Schärpe von der Schulter und das Andreas¬
kreuz von Rock und Fähnlein und heftete lothringische Feldzeichen auf. Er
wurde zu Rene' geführt, erklärte wegen schimpflicher Behandlung seitens Karl's
^ den Lothringern übertreten zu wollen, und verlangte zum Lohn die Wieder¬
einsetzung in die ihm vormals durch Karl Rene' von Anjou geschenkte Herr¬
schaft Commercy. Gern ging der Herzog darauf ein; da aber die Schweizer
fich weigerten mit einem Meineidigen zu Felde zu ziehn, so verabredete
Campo-Basso 'mit Rene, daß er die Meurthe-Brücke bei Bouxieres aux Dames
unterwärts Nancy besetzen werde, in der Absicht den Burgundern, falls sie.
wie er hoffe, geschlagen würden, die Rückzugslinie nach Luxemburg zu ver.
sperren und vornehme Gefangene zu machen. Welch ein Lösegeld war hier
in verdienen, wenn man am Ende gar den Herzog selber fing! -- "Das war
°'n Lampersch (lombardisch) Tückli!" meint Schilling, der Berner Chronist.

Nicht so strenge als gegen Campo-Basso zeigten sich übrigens die Schwei¬
zer gegen eigene Landsleute, die sich in ähnlichem Falle befanden wie jener.
Zwei Eidgenossen, die in Karl's Heer dienten, kamen herüber und boten
gegen die Zusicherung künftiger Straflosigkeit ihre Dienste als sichere Weg¬
weiser an, und sie wurden angenommen.

Der 5. Januar war ein häßlicher Wintertag. Beharrend auf seinem
Entschluß, dem Feinde entgegenzurücken, hatte Karl den Sturm auf die
Stadt doch aufgegeben. Nur ein heftiges Geschützfeuer sollte seinen Aufbruch
!Ur Schlacht verdecken. Geringe Macht blieb unter den Vögten von Henne-
Sau und Brabant vor Nancy zurück.*)

Von den 20,000 Mann, die Karl nach und nach vor Nancy vereinigt
"°habt. waren kaum noch 10.000 übrig, so sehr hatten Krankheit und Deser-
"ein die Reihen gelichtet. Es mögen etwa 4000 Reiter und. einschließlich
nach der neuesten Kriegsordnung abgesessen fechtenden nommes ä'armes.



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Grenzboten l, 1876.

Rene zurückweichen. sondern ihm entgegengehn, vorerst aber Befehl ertheilen,
daß diese Nacht noch Nancy gestürmt werde.

Doch am Abend desselben Tages fing Karl schon an. verlassen zu wer¬
den. Graf Campo-Basso war bereits seit langer Zeit mit Louis XI. und mit
dem Herzoge von Lothringen in verrätherischer Verbindung. Schon früher
hatte er sich bereit erklärt. Karl den Kühnen zu ermorden. Jetzt brach er
mit 2 Söhnen und 180 Lanzen Lombarden in aller Stille auf und ritt nach
Se. Nikolas. Bald sah man die Thürme, auf deren Spitzen Rene Laternen
hatte anbringen lassen, um den Belagerten in Nancy seine Ankunft zu
signalisiren. und bald stieß man auf die Vorhut des lothringischen Heeres.
Da riß Campo-Basso die rothe Schärpe von der Schulter und das Andreas¬
kreuz von Rock und Fähnlein und heftete lothringische Feldzeichen auf. Er
wurde zu Rene' geführt, erklärte wegen schimpflicher Behandlung seitens Karl's
^ den Lothringern übertreten zu wollen, und verlangte zum Lohn die Wieder¬
einsetzung in die ihm vormals durch Karl Rene' von Anjou geschenkte Herr¬
schaft Commercy. Gern ging der Herzog darauf ein; da aber die Schweizer
fich weigerten mit einem Meineidigen zu Felde zu ziehn, so verabredete
Campo-Basso 'mit Rene, daß er die Meurthe-Brücke bei Bouxieres aux Dames
unterwärts Nancy besetzen werde, in der Absicht den Burgundern, falls sie.
wie er hoffe, geschlagen würden, die Rückzugslinie nach Luxemburg zu ver.
sperren und vornehme Gefangene zu machen. Welch ein Lösegeld war hier
in verdienen, wenn man am Ende gar den Herzog selber fing! — „Das war
°'n Lampersch (lombardisch) Tückli!" meint Schilling, der Berner Chronist.

Nicht so strenge als gegen Campo-Basso zeigten sich übrigens die Schwei¬
zer gegen eigene Landsleute, die sich in ähnlichem Falle befanden wie jener.
Zwei Eidgenossen, die in Karl's Heer dienten, kamen herüber und boten
gegen die Zusicherung künftiger Straflosigkeit ihre Dienste als sichere Weg¬
weiser an, und sie wurden angenommen.

Der 5. Januar war ein häßlicher Wintertag. Beharrend auf seinem
Entschluß, dem Feinde entgegenzurücken, hatte Karl den Sturm auf die
Stadt doch aufgegeben. Nur ein heftiges Geschützfeuer sollte seinen Aufbruch
!Ur Schlacht verdecken. Geringe Macht blieb unter den Vögten von Henne-
Sau und Brabant vor Nancy zurück.*)

Von den 20,000 Mann, die Karl nach und nach vor Nancy vereinigt
»°habt. waren kaum noch 10.000 übrig, so sehr hatten Krankheit und Deser-
«ein die Reihen gelichtet. Es mögen etwa 4000 Reiter und. einschließlich
nach der neuesten Kriegsordnung abgesessen fechtenden nommes ä'armes.



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[0137] Rene zurückweichen. sondern ihm entgegengehn, vorerst aber Befehl ertheilen, daß diese Nacht noch Nancy gestürmt werde. Doch am Abend desselben Tages fing Karl schon an. verlassen zu wer¬ den. Graf Campo-Basso war bereits seit langer Zeit mit Louis XI. und mit dem Herzoge von Lothringen in verrätherischer Verbindung. Schon früher hatte er sich bereit erklärt. Karl den Kühnen zu ermorden. Jetzt brach er mit 2 Söhnen und 180 Lanzen Lombarden in aller Stille auf und ritt nach Se. Nikolas. Bald sah man die Thürme, auf deren Spitzen Rene Laternen hatte anbringen lassen, um den Belagerten in Nancy seine Ankunft zu signalisiren. und bald stieß man auf die Vorhut des lothringischen Heeres. Da riß Campo-Basso die rothe Schärpe von der Schulter und das Andreas¬ kreuz von Rock und Fähnlein und heftete lothringische Feldzeichen auf. Er wurde zu Rene' geführt, erklärte wegen schimpflicher Behandlung seitens Karl's ^ den Lothringern übertreten zu wollen, und verlangte zum Lohn die Wieder¬ einsetzung in die ihm vormals durch Karl Rene' von Anjou geschenkte Herr¬ schaft Commercy. Gern ging der Herzog darauf ein; da aber die Schweizer fich weigerten mit einem Meineidigen zu Felde zu ziehn, so verabredete Campo-Basso 'mit Rene, daß er die Meurthe-Brücke bei Bouxieres aux Dames unterwärts Nancy besetzen werde, in der Absicht den Burgundern, falls sie. wie er hoffe, geschlagen würden, die Rückzugslinie nach Luxemburg zu ver. sperren und vornehme Gefangene zu machen. Welch ein Lösegeld war hier in verdienen, wenn man am Ende gar den Herzog selber fing! — „Das war °'n Lampersch (lombardisch) Tückli!" meint Schilling, der Berner Chronist. Nicht so strenge als gegen Campo-Basso zeigten sich übrigens die Schwei¬ zer gegen eigene Landsleute, die sich in ähnlichem Falle befanden wie jener. Zwei Eidgenossen, die in Karl's Heer dienten, kamen herüber und boten gegen die Zusicherung künftiger Straflosigkeit ihre Dienste als sichere Weg¬ weiser an, und sie wurden angenommen. Der 5. Januar war ein häßlicher Wintertag. Beharrend auf seinem Entschluß, dem Feinde entgegenzurücken, hatte Karl den Sturm auf die Stadt doch aufgegeben. Nur ein heftiges Geschützfeuer sollte seinen Aufbruch !Ur Schlacht verdecken. Geringe Macht blieb unter den Vögten von Henne- Sau und Brabant vor Nancy zurück.*) Von den 20,000 Mann, die Karl nach und nach vor Nancy vereinigt »°habt. waren kaum noch 10.000 übrig, so sehr hatten Krankheit und Deser- «ein die Reihen gelichtet. Es mögen etwa 4000 Reiter und. einschließlich nach der neuesten Kriegsordnung abgesessen fechtenden nommes ä'armes. ') V-Uwst V. an« der 01no». msvr. c>s I.°rr»in° und Vi«, N^nu«(-r. Ah vu° Rei.». Grenzboten l, 1876.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/137>, abgerufen am 27.09.2024.