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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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des Kaisers und des Ungarnkönigs zu Basel mit Friedensverhandlungen
zwischen den Eidgenossen und Burgund beschäftigt waren. DerWoden war
also für Rene nicht günstig; namentlich der Legat, der die wachsende Macht
Frankreichs fürchtete, wirkte ihm entgegen. Aber der Herzog kannte seine
Leute. Mit reichlichen Geldsummen versehen, die er durch Verpfändung des
Silbers seiner Großmutter und durch straßburgische oder französische Dar¬
lehne zusammengebracht, eilte er nach Zürich und Bern, wo die Waffenbrüder
von Murren, namentlich der Zunftmeister Waldmann, zu seinen Gunsten
sprachen und auf der Tagsatzung zu Luzern. in der Reus ebenfalls persönlich
erschien, sein Gesuch um Hilfe nachdrücklich unterstützten. Zwar gelang es
ihm nicht zu erreichen, daß die gesammte Eidgenossenschaft für ihn eintrat;
aber es wurde ihm gestattet, Freiwillige anzuwerben, und Dank dem reich¬
lichen Handgelde von einem Ducaten und der Zusage eines beträchtlichen
Soldes (4 Gulden monatlich) mit Vorausbezahlung waren die Anmeldungen
bedeutend genug. Als Führer fungirten Waldmann von Zürich und KätzY
von Luzern. Neben den gespendeten Summen, den reichen Soldversprechungen
und der Kriegslust der Schweizer scheint zu diesem Erfolge die herzgewinnende
Art des Auftretens Rene"s nicht unbedeutend mitgewirkt zu haben.

Der Hauptmasse nach bestand die geworbene Mannschaft aus jungen
Leuten vom Gebirge, welche froh waren, aus der Untätigkeit und Einsam¬
keit des Winters herauszukommen. Die Befehlshaber der' Zchaaren wurden
durch die Ortsobrigkeiten ernannt, und statt des Banners erhielt jeder Zug
nur ein Vennli. -- Es war dies der erste auf obrigkeitliche Anordnung ge¬
worbene Heerhaufen, den die Eidgenossenschaft in den Sold eines fremden
Fürsten gab. Ueber Stärke und Bestand des Ganzen wie der einzelnen Ab¬
theilungen wurde dabei nichts bestimmt. -- Als gemeinschaftlicher Sammel¬
platz war Basel bezeichnet, wo sich um Weihnacht 1476 ein Heer von 8400
eidgenössischen Streitern sammelte: rüstige, kriegslustige, siegesstolze Mann-
schaft. Ob eine Kriegsordnung beschworen wurde, ist nicht gewiß; gehalten
wurde sie sicherlich nicht. Vielmehr war die Mannszucht dieser übermüthigen
Reisläufer höchst unrühmlich. Schon in Freundesland, am Oberrhein und
im Elsaß, singen sie an zu plündern, und als der erste Zahlungstermin ab¬
gelaufen war, forderten sie den Sold mit solchem Ungestüm, daß Herzog
Rene in Basel schleunigst neue Summen aufnehmen mußte, die er freilich
nur auf Grund einer seltsamen Verpfändung erhielt, indem sein Freund,
Graf Oswald von Thierstein, seine beiden Söhne als Geiseln hingab.

Inzwischen lagerte Karl der Kühne noch immer vor Nancy. Aller Bitten
und Drohungen seines Kanzlers ungeachtet hatten ihm seine niederländischen
Provinzen für diesen Winter jede ständische Hilfe abgeschlagen. Freiwillig


des Kaisers und des Ungarnkönigs zu Basel mit Friedensverhandlungen
zwischen den Eidgenossen und Burgund beschäftigt waren. DerWoden war
also für Rene nicht günstig; namentlich der Legat, der die wachsende Macht
Frankreichs fürchtete, wirkte ihm entgegen. Aber der Herzog kannte seine
Leute. Mit reichlichen Geldsummen versehen, die er durch Verpfändung des
Silbers seiner Großmutter und durch straßburgische oder französische Dar¬
lehne zusammengebracht, eilte er nach Zürich und Bern, wo die Waffenbrüder
von Murren, namentlich der Zunftmeister Waldmann, zu seinen Gunsten
sprachen und auf der Tagsatzung zu Luzern. in der Reus ebenfalls persönlich
erschien, sein Gesuch um Hilfe nachdrücklich unterstützten. Zwar gelang es
ihm nicht zu erreichen, daß die gesammte Eidgenossenschaft für ihn eintrat;
aber es wurde ihm gestattet, Freiwillige anzuwerben, und Dank dem reich¬
lichen Handgelde von einem Ducaten und der Zusage eines beträchtlichen
Soldes (4 Gulden monatlich) mit Vorausbezahlung waren die Anmeldungen
bedeutend genug. Als Führer fungirten Waldmann von Zürich und KätzY
von Luzern. Neben den gespendeten Summen, den reichen Soldversprechungen
und der Kriegslust der Schweizer scheint zu diesem Erfolge die herzgewinnende
Art des Auftretens Rene"s nicht unbedeutend mitgewirkt zu haben.

Der Hauptmasse nach bestand die geworbene Mannschaft aus jungen
Leuten vom Gebirge, welche froh waren, aus der Untätigkeit und Einsam¬
keit des Winters herauszukommen. Die Befehlshaber der' Zchaaren wurden
durch die Ortsobrigkeiten ernannt, und statt des Banners erhielt jeder Zug
nur ein Vennli. — Es war dies der erste auf obrigkeitliche Anordnung ge¬
worbene Heerhaufen, den die Eidgenossenschaft in den Sold eines fremden
Fürsten gab. Ueber Stärke und Bestand des Ganzen wie der einzelnen Ab¬
theilungen wurde dabei nichts bestimmt. — Als gemeinschaftlicher Sammel¬
platz war Basel bezeichnet, wo sich um Weihnacht 1476 ein Heer von 8400
eidgenössischen Streitern sammelte: rüstige, kriegslustige, siegesstolze Mann-
schaft. Ob eine Kriegsordnung beschworen wurde, ist nicht gewiß; gehalten
wurde sie sicherlich nicht. Vielmehr war die Mannszucht dieser übermüthigen
Reisläufer höchst unrühmlich. Schon in Freundesland, am Oberrhein und
im Elsaß, singen sie an zu plündern, und als der erste Zahlungstermin ab¬
gelaufen war, forderten sie den Sold mit solchem Ungestüm, daß Herzog
Rene in Basel schleunigst neue Summen aufnehmen mußte, die er freilich
nur auf Grund einer seltsamen Verpfändung erhielt, indem sein Freund,
Graf Oswald von Thierstein, seine beiden Söhne als Geiseln hingab.

Inzwischen lagerte Karl der Kühne noch immer vor Nancy. Aller Bitten
und Drohungen seines Kanzlers ungeachtet hatten ihm seine niederländischen
Provinzen für diesen Winter jede ständische Hilfe abgeschlagen. Freiwillig


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[0134] des Kaisers und des Ungarnkönigs zu Basel mit Friedensverhandlungen zwischen den Eidgenossen und Burgund beschäftigt waren. DerWoden war also für Rene nicht günstig; namentlich der Legat, der die wachsende Macht Frankreichs fürchtete, wirkte ihm entgegen. Aber der Herzog kannte seine Leute. Mit reichlichen Geldsummen versehen, die er durch Verpfändung des Silbers seiner Großmutter und durch straßburgische oder französische Dar¬ lehne zusammengebracht, eilte er nach Zürich und Bern, wo die Waffenbrüder von Murren, namentlich der Zunftmeister Waldmann, zu seinen Gunsten sprachen und auf der Tagsatzung zu Luzern. in der Reus ebenfalls persönlich erschien, sein Gesuch um Hilfe nachdrücklich unterstützten. Zwar gelang es ihm nicht zu erreichen, daß die gesammte Eidgenossenschaft für ihn eintrat; aber es wurde ihm gestattet, Freiwillige anzuwerben, und Dank dem reich¬ lichen Handgelde von einem Ducaten und der Zusage eines beträchtlichen Soldes (4 Gulden monatlich) mit Vorausbezahlung waren die Anmeldungen bedeutend genug. Als Führer fungirten Waldmann von Zürich und KätzY von Luzern. Neben den gespendeten Summen, den reichen Soldversprechungen und der Kriegslust der Schweizer scheint zu diesem Erfolge die herzgewinnende Art des Auftretens Rene"s nicht unbedeutend mitgewirkt zu haben. Der Hauptmasse nach bestand die geworbene Mannschaft aus jungen Leuten vom Gebirge, welche froh waren, aus der Untätigkeit und Einsam¬ keit des Winters herauszukommen. Die Befehlshaber der' Zchaaren wurden durch die Ortsobrigkeiten ernannt, und statt des Banners erhielt jeder Zug nur ein Vennli. — Es war dies der erste auf obrigkeitliche Anordnung ge¬ worbene Heerhaufen, den die Eidgenossenschaft in den Sold eines fremden Fürsten gab. Ueber Stärke und Bestand des Ganzen wie der einzelnen Ab¬ theilungen wurde dabei nichts bestimmt. — Als gemeinschaftlicher Sammel¬ platz war Basel bezeichnet, wo sich um Weihnacht 1476 ein Heer von 8400 eidgenössischen Streitern sammelte: rüstige, kriegslustige, siegesstolze Mann- schaft. Ob eine Kriegsordnung beschworen wurde, ist nicht gewiß; gehalten wurde sie sicherlich nicht. Vielmehr war die Mannszucht dieser übermüthigen Reisläufer höchst unrühmlich. Schon in Freundesland, am Oberrhein und im Elsaß, singen sie an zu plündern, und als der erste Zahlungstermin ab¬ gelaufen war, forderten sie den Sold mit solchem Ungestüm, daß Herzog Rene in Basel schleunigst neue Summen aufnehmen mußte, die er freilich nur auf Grund einer seltsamen Verpfändung erhielt, indem sein Freund, Graf Oswald von Thierstein, seine beiden Söhne als Geiseln hingab. Inzwischen lagerte Karl der Kühne noch immer vor Nancy. Aller Bitten und Drohungen seines Kanzlers ungeachtet hatten ihm seine niederländischen Provinzen für diesen Winter jede ständische Hilfe abgeschlagen. Freiwillig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/134>, abgerufen am 27.09.2024.