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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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Ile Milogie Karl's des Kühnen.
Von Max Jähns. Bei Grandson verlor er das Gut,
Bei Murten den Muth,
Bei Nancy das Blut.
(Alter Spruch.)
IV.
Das Verhängniß von Nancy.

Herzog Karl war nach dem Verlust der Schlacht von Murten in einen
Zustand gerathen, der sich dem Wahnsinn näherte. Er schloß sich ein. und
"ur mit Furcht und Zittern wagten ihm seine Diener zu nahen. Er wech.
se'te die Kleider nicht, ließ sich Bart und Nägel wachsen, zerbiß sich dre
Finger und ließ seiner Wuth nach jeder Richtung hin die Zügel schießen.
Dann aber raffte er sich zu neuer Gewaltthat auf. Nur von 30 Reitern be¬
gleitet hatte er sich von Murten aus nach Gex in der Nähe von Genf be¬
geben; hier bemächtigte er sich der Person der Herzogin von Savoyen. deren
Kinder er um ihr Erbe zu bringen wünschte; er entführte sie nach Burgund und

nun an. sich wie ein verzweifelter Spieler zu benehmen, der durch hohen
Umsatz und gesteigerte Verwegenheit das Glück ertrotzen will. Sein Rache¬
durst, seine Wuth waren auf eine Höhe getrieben, wo sie jeder Besonnenheit
leder politischen Berechnung unzugänglich waren. All sein Sinnen und
Machten hatte nur das eine Ziel, die niedergetretene Fürsten- und Rttterehre
wieder herzustellen und die erlittene Schmach an dem übermüthigen Bauern¬
volke zu rächen. Mit erhöhtem Eifer wurden die Kriegsrüstungen betrieben.
ti° Waffenschmieden aufs Neue in Thätigreit gesetzt, die Heerestrümmer ge¬
sammelt, die Jurapässe geschützt.

Unterdessen tagten seine Feinde zu Freiburg im Uechtl-ende: die Eid¬
genossen und die Niedere Vereinigung, der Herzog von Lothringen alt seinen
Freunden, den Grafen von Leiningen und von Bieses. die Gesandten der
Kurfürsten von Mainz. Pfalz und Trier, die Bischöfe von Straßburg. Basel.


Grenzboten I. 187".
Ile Milogie Karl's des Kühnen.
Von Max Jähns. Bei Grandson verlor er das Gut,
Bei Murten den Muth,
Bei Nancy das Blut.
(Alter Spruch.)
IV.
Das Verhängniß von Nancy.

Herzog Karl war nach dem Verlust der Schlacht von Murten in einen
Zustand gerathen, der sich dem Wahnsinn näherte. Er schloß sich ein. und
"ur mit Furcht und Zittern wagten ihm seine Diener zu nahen. Er wech.
se'te die Kleider nicht, ließ sich Bart und Nägel wachsen, zerbiß sich dre
Finger und ließ seiner Wuth nach jeder Richtung hin die Zügel schießen.
Dann aber raffte er sich zu neuer Gewaltthat auf. Nur von 30 Reitern be¬
gleitet hatte er sich von Murten aus nach Gex in der Nähe von Genf be¬
geben; hier bemächtigte er sich der Person der Herzogin von Savoyen. deren
Kinder er um ihr Erbe zu bringen wünschte; er entführte sie nach Burgund und

nun an. sich wie ein verzweifelter Spieler zu benehmen, der durch hohen
Umsatz und gesteigerte Verwegenheit das Glück ertrotzen will. Sein Rache¬
durst, seine Wuth waren auf eine Höhe getrieben, wo sie jeder Besonnenheit
leder politischen Berechnung unzugänglich waren. All sein Sinnen und
Machten hatte nur das eine Ziel, die niedergetretene Fürsten- und Rttterehre
wieder herzustellen und die erlittene Schmach an dem übermüthigen Bauern¬
volke zu rächen. Mit erhöhtem Eifer wurden die Kriegsrüstungen betrieben.
ti° Waffenschmieden aufs Neue in Thätigreit gesetzt, die Heerestrümmer ge¬
sammelt, die Jurapässe geschützt.

Unterdessen tagten seine Feinde zu Freiburg im Uechtl-ende: die Eid¬
genossen und die Niedere Vereinigung, der Herzog von Lothringen alt seinen
Freunden, den Grafen von Leiningen und von Bieses. die Gesandten der
Kurfürsten von Mainz. Pfalz und Trier, die Bischöfe von Straßburg. Basel.


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[0129] Ile Milogie Karl's des Kühnen. Von Max Jähns. Bei Grandson verlor er das Gut, Bei Murten den Muth, Bei Nancy das Blut. (Alter Spruch.) IV. Das Verhängniß von Nancy. Herzog Karl war nach dem Verlust der Schlacht von Murten in einen Zustand gerathen, der sich dem Wahnsinn näherte. Er schloß sich ein. und "ur mit Furcht und Zittern wagten ihm seine Diener zu nahen. Er wech. se'te die Kleider nicht, ließ sich Bart und Nägel wachsen, zerbiß sich dre Finger und ließ seiner Wuth nach jeder Richtung hin die Zügel schießen. Dann aber raffte er sich zu neuer Gewaltthat auf. Nur von 30 Reitern be¬ gleitet hatte er sich von Murten aus nach Gex in der Nähe von Genf be¬ geben; hier bemächtigte er sich der Person der Herzogin von Savoyen. deren Kinder er um ihr Erbe zu bringen wünschte; er entführte sie nach Burgund und nun an. sich wie ein verzweifelter Spieler zu benehmen, der durch hohen Umsatz und gesteigerte Verwegenheit das Glück ertrotzen will. Sein Rache¬ durst, seine Wuth waren auf eine Höhe getrieben, wo sie jeder Besonnenheit leder politischen Berechnung unzugänglich waren. All sein Sinnen und Machten hatte nur das eine Ziel, die niedergetretene Fürsten- und Rttterehre wieder herzustellen und die erlittene Schmach an dem übermüthigen Bauern¬ volke zu rächen. Mit erhöhtem Eifer wurden die Kriegsrüstungen betrieben. ti° Waffenschmieden aufs Neue in Thätigreit gesetzt, die Heerestrümmer ge¬ sammelt, die Jurapässe geschützt. Unterdessen tagten seine Feinde zu Freiburg im Uechtl-ende: die Eid¬ genossen und die Niedere Vereinigung, der Herzog von Lothringen alt seinen Freunden, den Grafen von Leiningen und von Bieses. die Gesandten der Kurfürsten von Mainz. Pfalz und Trier, die Bischöfe von Straßburg. Basel. Grenzboten I. 187«.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/129>, abgerufen am 27.09.2024.